Volleyball:Angekommen am Ammersee

Lesezeit: 3 min

Herrschings Hauptangreifer: Jalen Penrose. (Foto: Oryk Haist/imago)

"Nicht so leicht zu handeln": US-Diagonalspieler Jalen Penrose zeigt beim eindrucksvollen 3:0-Erfolg Herrschings in Düren seine bislang beste Saisonleistung.

Von Sebastian Winter

Jalen Penrose lebt seit diesem Sommer in Herrsching am Ammersee, in einer Dreier-WG. Er fühlt sich wohl dort, "fünf Minuten sind es zum See runter", sagt er, "das ist ein sehr schöner kleiner Ort mit vielen netten Menschen." Der 25-jährige US-Amerikaner kannte dieses kleine Städtchen nicht, natürlich nicht. Er war ja noch nie in Bayern, nie in Deutschland. Aber für einen, der aus Boston, Massachusetts stammt und seine Collegejahre an der Penn State University verbrachte (auf deren Campus ein 106 572 Zuschauer fassendes Stadion steht), dürfte das ein ziemlicher Kulturschock gewesen sein. Bald nach seiner Ankunft war er dann mit seiner neuen Mannschaft, Herrschings Volleyballern, beim Oktoberfest, "ein wahnsinnig gutes Event mit einem starken Bier", wie Penrose sagt. Spätestens da wusste er, dass Bayern es durchaus mit Boston aufnehmen kann.

Penrose hat mit Herrschings Erstliga-Volleyballern am Donnerstagabend die Powervolleys Düren auswärts geschlagen - sehr, sehr deutlich und in Windeseile nach einer guten Stunde Spielzeit mit 3:0 (25:16, 25:22, 25:17). Es war wohl die beste Darbietung Herrschings in dieser Saison. Und der US-Boy, der seine langen Rastahaare und den fast ebenso langen Kinnbart inzwischen durch eine Kurzhaarfrisur und einen kurz geschorenen Kinnbart ersetzt hat, zeigte ebenfalls seine bislang stärkste Leistung im Herrschinger Trikot.

20 Punkte erzielte der Diagonalmann, vier mehr als sein allerdings von einer im Team grassierenden Magen-Darm-Grippe geschwächter Rivale auf Dürener Seite, Sebastian Gevert. Neben 15 erfolgreichen Angriffen gelangen Penrose drei direkte Blockpunkte (von überragenden 14 Gästeblocks) und zwei Asse, übrigens die einzigen Service-Winner seines Teams. Es ist eine ziemlich vollkommene Statistik, und auch Penrose sagt: "Wir haben als Team guten Volleyball gespielt." Herrschings Hauptangreifer, der bei seiner Mutter aufwuchs, die ihn das Volleyballspiel als Coach lehrte, sagt "Team" auch in dem Bewusstsein, dass er kein schönes erstes Jahr in Europa hatte.

"Jalen ist ein noch etwas kindlicher, jugendlicher Typ. Einen von dieser Art kann eine Mannschaft vertragen, aber nicht zwei."

Nach fünf Collegesaisons in den USA wechselte der 2,02-Meter-Mann zum tschechischen Erstligisten VK Karlovarsko. Der Klub spielte zwar Champions League, gewann in der dortigen Gruppenphase aber keinen einzigen Satz - und Penrose kam während der gesamten Saison nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus. Den Herrschingern war er vor einem Jahr bei einem Vorbereitungsturnier aufgefallen, bei dem sie auch gegen Karlovarsko gespielt hatten. "Ein Agent sagte schon damals, der Penrose wäre was für uns, extrovertiert, nicht so leicht zu handeln", sagt Herrschings Trainer Max Hauser.

Der Coach meint keineswegs seine Umgangsformen, Penrose sei "unheimlich respektvoll und höflich", sondern eher dessen ausbaufähige taktische Disziplin: "Bei der Spielfähigkeit und Koordination fällt er ein bisschen durch. Und Lösungen in schwierigen Situationen zu finden, ist seine größte Schwäche", sagt Hauser, der Penrose als "noch etwas kindlichen, jugendlichen Typen" beschreibt, dem manchmal im Training die Konzentration fehlt. "Einen von dieser Art kann eine Mannschaft vertragen, aber nicht zwei."

Gegen Düren wirkte Penrose sehr erwachsen, reif, er zeigte auch in kritischen Situationen seine Klasse. Hauser weiß auch, dass er einen Rohdiamanten verpflichtet hat, der für Herrsching im Lauf der Zeit noch viel wertvoller werden kann - warum sonst hätten die Verantwortlichen seinen Vertrag noch vor der Saison gleich bis 2021 verlängern sollen? "Er springt sehr hoch, haut fest auf den Ball, das sind zwei gute Eigenschaften für einen Diagonalspieler. Jetzt muss er seine Power nur noch kontrollieren", sagt Hauser, für den Penrose der beste Herrschinger auf dieser Position seit Daniel Malescha ist. Malescha wechselte vor drei Jahren zum VfB Friedrichshafen.

An diesem Samstag, nur 48 Stunden nach dem so überzeugenden Sieg gegen Düren, spielt Herrsching schon wieder. Der Tabellenletzte Eltmann gastiert in der Nikolaushalle (19 Uhr) zum oberbayerisch-unterfränkischen Derby. Penrose, ein glühender Basketballfan, dem der FC Bayern München bis dato aber noch gar nicht geläufig war, wird wieder seine Ohrstöpsel tragen und US-Rapmusik von Meek Mill, Flipp Dinero oder Future hören, um langsam in den Tunnel zu kommen. Er hofft, dass seine Freundin, die in Griechenland Profivolleyball spielt, ihn in Herrsching bald auch mal live spielen sehen kann.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: