Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Am Anfang wird es wehtun

Nach dem Aus für die Alpenvolleys versucht sich Unterhaching wieder allein in der ersten Liga. Ohne Hauptsponsor, mit geringem Etat und jungen Spielern. Den größten Unterschied soll man beim Bäcker nebenan erkennen.

Von Sebastian Winter

Gerade war die Erstligazeit von Unterhachings Volleyballern mal wieder Geschichte, die Innsbrucker Südseite der Alpenvolleys wollte nicht mehr. Und weil das Geld und die Spieler eben von dort kamen, hatten die Hachinger an der Alpennordseite nach der abgebrochenen Saison auch keine Möglichkeit mehr, das Projekt alleine fortzuführen. Doch nicht einmal zwei Monate nach dessen - auch coronabedingtem - Ende ist der TSV Unterhaching nun doch wieder Erstligist; dank einer Ausnahmeregel der Liga, die ziemlich in Not geraten ist. Immerhin sind ihr kürzlich neben den Alpenvolleys auch der TV Rottenburg und die ohnehin seit Dezember insolventen Volleys aus Eltmann abhanden gekommen. Die Hachinger nutzten die Chance - und wollen sich mit einer jungen, preiswerten Mannschaft wieder mal im Oberhaus etablieren. Wie schon vor 20 Jahren.

Der Kreis schließt sich

Direkt am Anfang dieses Jahrtausends stiegen die Hachinger erstmals in die Bundesliga auf, mit dem Spielertrainer Mihai Paduretu, der längst TSV-Geschäftsführer ist. Zwei Jahre später schon wurden sie Meisterschaftszweiter, der Erfolg fußte auch auf Schlüsselspielern wie Ben Ibata, Michael Mayer, Patrick Schwaack oder Sebastian Prüsener. Den Titel des ewigen Zweiten in der Liga konnte der TSV nie wirklich abstreifen, immer standen Friedrichshafen oder Berlin im Weg. Am schmerzhaftesten war die 2:3-Playoff-Finalniederlage 2012 gegen Berlin, als die Hachinger zwei Matchbälle vergaben. Dafür wurde der DVV-Pokal-Wettbewerb zur Spezialität des TSV: 2009, 2010, 2011 und 2013 gewann der Klub die Trophäe. In der Champions League kamen die Hachinger zweimal ins Achtelfinale. Nach dem Erstliga-Rückzug 2014 wegen des Verlusts ihres Hauptsponsors Generali versuchten sie den Neuaufbau - und kehrten 2017 als Teil des transnationalen Projekts der Hypo Tirol Alpenvolleys Haching in die erste Liga zurück. Allerdings war der Beitrag der Hachinger dazu marginal, ein Großteil des Geldes und fast alle Spieler kamen von Innsbruck und dessen Manager und Mäzen Hannes Kronthaler, der das Joint Venture bis auf Platz drei führte. Im April endete es ohne die erhoffte Meisterschaft. Nun steigen die Hachinger ohne Hilfe aus Österreich erneut auf - damit schließt sich nach 20 Jahren der Kreis.

Zweijahresplan

Die Gleichung ist recht simpel: Junge Spieler + erfahrenes Umfeld = Erstliga-Underdog, der sich mittelfristig im Profibetrieb etablieren möchte. Unterhaching soll eine Lernplattform für aufstrebende Talente sein, die eher dem Typus Student als dem des Profis entsprechen. Im ersten Jahr soll sich das Team an das hohe Niveau gewöhnen, im zweiten langsam in der Liga etablieren und stabilisieren. Wer Mihai Paduretu kennt, der weiß, dass es danach weiter nach oben gehen soll, gerne auch mit ein paar gestandenen Profis. Fürs Erste aber übt sich Unterhachings Geschäftsführer in Bescheidenheit: "Sportlich wird das erst mal wehtun, wir werden zu Beginn viel auf die Socken kriegen. Aber das Team wird aus Fehlern lernen und sich steigern, weil die Jungs Bock auf dieses Projekt haben. Es muss erst schlechter werden, bevor es besser wird." Klar ist auch: Es bleibt eine Gleichung mit einigen Unbekannten.

Steuerwald und Co.

Rückkehrer Patrick Steuerwald ist die bislang prominenteste Personalie. Der 34-jährige ehemalige Nationalspieler sehnt sich nach seinem Lehrjahr als Co-Trainer beim VfB Friedrichshafen zurück nach München, er möchte dort wieder mit seiner Familie im eigenen Haus leben. Da bot es sich an, nun Trainer der Hachinger zu werden, bei dem Klub, mit dem er seine größten nationalen Erfolge als Spieler feierte. Den Job wird sich Steuerwald mit Stanislav Pochop teilen, dem bisherigen Coach des TSV in der zweiten Liga. Als Zuspieler auf dem Feld stehen wird Steuerwald nicht mehr. Er hat sich von einer Sprunggelenksblessur von 2018 nie wieder richtig erholt.

Außenangreifer Jonas Sagstetter wechselt aus Eltmann zum TSV, der 21-Jährige war schon zwischen 2017 und 2019 Teil der Alpenvolleys, kam dort aber selten zum Einsatz. Auch Paduretus Sohn Eric, 20, bisher Zuspieler im Zweitliga-Team, stößt zum Kader, einige seiner bisherigen Teamkollegen ebenfalls. Hinzu kommen Talente wie Paul Gehringer, Niklas Brandt und Juro Petrusic - und womöglich der erfahrene Mittelblocker Roy Friedrich, 32. Der Hachinger Zweitliga-Kapitän hatte nach dem Saisonabbruch im März eigentlich sein Karriereende verkündet. Nun könnte es zu einem schnellen Comeback kommen.

Das Kernteam drumherum bilden TSV-Vizepräsident Robert Langwieser, Abteilungsleiter Andreas Steiger, dessen Stellvertreter Christoph Mayser, Teammanagerin Nadine Cerny und Marketingmann Bernhard Eiter. "Das soll hier keine One-Man-Show mehr werden", sagt Paduretu. Trotzdem: Beim TSV-Geschäftsführer laufen weiterhin alle Fäden zusammen.

Das Budget

Etwa 30 Sponsoren haben die Hachinger Paduretu zufolge, aber keinen großen Geldgeber. Daher dürfte das Budget auch nicht viel höher liegen als die für die erste Bundesliga vorgeschriebene Mindestsumme von 250 000 Euro. Die VBL hatte dem TSV dem Vernehmen nach über einen Sponsor eine zusätzliche Starthilfe von 100 000 Euro geben wollen, was aber von den anderen Erstligisten abgelehnt wurde. "Wir treten mit einem Mini-Etat an, aber die VIP-Lounge bleibt", sagt Paduretu, der wie in der Vergangenheit betont, keine Schulden machen zu wollen. Die Verteilung des Etats auf viele kleinere Geldgeber ist auch ein Richtungswechsel bei den Hachingern, die früher mit so wenig Geld nicht in der ersten Liga gespielt hätten. "Wir wollen nicht mehr nur von einem Sponsor abhängig sein", zieht Paduretu Lehren aus der Vergangenheit mit Hauptsponsor Generali: "Das zweite Haus, das man baut, ist immer besser als das erste." Klar ist aber auch, dass sich der Klub einem neuerlichen Hauptsponsor nicht verwehren würde. Es ist bislang nur keiner in Sicht.

Halle und Credo

Das Team tritt unter dem Namen TSV Unterhaching an, was nach den eher sperrigen Hypo Tirol Alpenvolleys Haching richtig wohltuend klingt. Ihr Slogan ist auch etwas geerdeter: "Local Heroes" statt "Wir schreiben Geschichte". Den Lokalbezug sollen dabei auch und gerade die Spieler herstellen. "Es soll wieder möglich sein, die Erstligaspieler vor Ort in Unterhaching an der S-Bahn, beim Bäcker oder im Café zu treffen", sagt TSV-Marketingchef Eiter - ein kleiner Seitenhieb auf die Alpenvolleys, die nach den Spielen in Unterhaching meist recht zügig wieder gen Innsbrucker Heimat fuhren. "Auch die Entscheidungswege sind nun kürzer als zuvor mit Innsbruck", sagt Eiter. Die 1512 Zuschauer fassende Bayernwerk-Arena in Unterhaching dürfen die Volleyballer übrigens über das baldige Ende des Bestandsschutzes hinaus nutzen - auch das ist ein Zugeständnis der Liga an den Neuling in Corona-Zeiten. Und alte Helden wie Ben Ibata, Patrick Schwaack oder Sebastian Prüsener werden künftig Hachinger Heimspiele im Internet-Livestream kommentieren.

Und die Alpenvolleys?

Hannes Kronthaler wickelt die Alpenvolleys bis zum 30. Juni ab. Über Hachings Aufstieg in die erste Liga hatte Paduretu ihn informiert. Der Bauunternehmer aus Innsbruck ist ganz froh, sich nun aus dem Spitzenvolleyball zu verabschieden: "Die Geschichte der Alpenvolleys ist zu Ende, der TSV Unterhaching kann machen, was er will. Ich wünsche ihnen viel Glück. Ansonsten spare ich mir jeden Kommentar."

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SZ vom 29.06.2020
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