Süddeutsche Zeitung

VfR Garching:Der Sechs-Millionen-Minuten-Mann

Dank eines spannenden 3:2-Erfolgs in Buchbach sichert das Team von Daniel Weber den Ligaverbleib. Dann fließen die Tränen.

Von Christoph Leischwitz, Garching

Dass die eine Ära nun zu Ende gegangen ist, das ist im Kopf von Daniel Weber noch gar nicht komplett angekommen. Und das ist auch völlig verständlich. Zwölf Jahre, also etwa 6,3 Millionen Minuten, war er Trainer des VfR Garching gewesen, und ausgerechnet 20 Minuten vor dem Schluss erlebte er noch einmal die vielleicht aufregendsten fünf Minuten in dieser Zeit. "Die Dramatik dieses Spiels überlagert gerade noch alles", sagte er am Tag danach. Letztlich mündete alles in einem nervenaufreibenden Happy End. Wobei so ein 3:2-Sieg beim TSV Buchbach nach einem 0:2-Rückstand freilich dazu beitrug, dass sich viele Schleusen hernach noch weiter öffneten als ursprünglich angenommen. Der Ligaverbleib war gesichert, und der ehemalige Torwart Weber, der am Mittwoch auch noch seinen 46. Geburtstag gefeiert hatte, ging sogar am Samstagabend mit der Mannschaft "noch mal steil".

Klar, in den vergangenen Wochen hatte es schon öfter Abschiedsgeschenke gegeben, mit langjährigen Wegbegleitern wie etwa den Niebauer-Brüdern hat man auch die eine oder andere Anekdote ausgetauscht. Das große Ganze war in gewisser Weise emotional erledigt. Doch am Samstag hatte es für eine Weile so ausgesehen, als würde der "worst case" (Weber) eintreten und die Mannschaft in der Relegation nachsitzen müssen. Zwischen der 38. und der 77. Spielminute stand der VfR in der Blitztabelle nämlich auf einem Relegationsplatz. "Die Jungs haben natürlich auch ihre Zeit schon ein bisschen verplant gehabt", erzählte Weber. Die Buchbacher, die in Anton Bobenstetter ebenfalls einen langjährigen Trainer verabschiedeten (den dienstältesten der Regionalliga), spielten klar auf Sieg, auch wenn die Partie für den TSV tabellarisch weitgehend unbedeutend war. Trotzdem sei das 1:0 des TSV "wie aus dem Nichts gefallen", sagt Weber, "es handelte sich eigentlich um eine typische 0:0-Halbzeit." Buchbachs Routinier Aleksandro Petrovic köpfelte seine Mannschaft nach einer Ecke zur Führung, "und danach waren alle so baff, dass auch noch das 2:0 fiel", sagte Weber über die Schlussminuten der ersten Halbzeit; den zweiten Treffer besorgte Maximilian Bauer (44.).

Für Weber und seinen Co-Trainer Günther Edahl, der ebenfalls den VfR verlässt, war zur Pause klar: "Die Jungs waren da so niedergeschlagen, da mussten wir ganz sachlich bleiben." Natürlich hatten alle Bescheid gewusst, zumal das Zwischenresultat der SpVgg Greuther Fürth II (1:0 gegen Ingolstadt II) im Stadion durchgesagt wurde. Die Marschroute für die zweiten 45 Minuten: nicht mehr lange hinten rumspielen, so schnell wie möglich in den gegnerischen Strafraum gelangen. Doch die erste Viertelstunde, so Weber, sei ziemlich "in die Hose gegangen". Tom Zimmerschied vergab zunächst eine erste Möglichkeit zum Anschlusstreffer, dann vergab Buchbach den möglichen Matchball, als Sammy Ammari nach einem Garchinger Standard einen Überzahl-Konter schlecht ausspielte. Auf dem Platz ging es nun etwas hitziger zu, Weber meinte später, dass dies wohl dazu beigetragen habe, dass seine Mannschaft agiler wurde. Trotzdem war klar: "Wir brauchen irgendetwas Zündendes. Und den Funken hat uns dann Buchbach selbst geliefert."

In der hochdramatischen Form eines Eigentores: Beim Versuch, eine Hereingabe zur Ecke zu klären, drosch Markus Grübl den Ball energisch ins eigene Kreuzeck (75.). "Und damit fangen diese unglaublichen fünf Minuten an", schwärmte Weber. Die Garchinger waren plötzlich wieder da, und knapp zwei Minuten später rutschte der VfR wieder auf einen Nichtabstiegsplatz, dank einer Flanke von Mario Staudigl auf Simon Seferings, der zum 2:2 einköpfelte (77.). Der emotionale Höhepunkt für Weber war aber das 3:2, bei dem Sebastian Koch den Ball gar nicht richtig traf, und dieser gerade deshalb den Weg vorbei an Keeper Egon Weber ins Netz fand (79.). Zum Schlusspfiff sei schon klar gewesen, dass die Mannschaft gerettet sei.

Jetzt hat Weber Zeit, alles zu verarbeiten. Ein Jahr lang wird er Pause vom Fußball machen. Man muss auch gar nicht versuchen, ihn umzustimmen, er bucht gerade eine längere Reise. Ab Winter hofft er dann auf reizvolle Angebote wie etwa aus einem Nachwuchs-Leistungszentrum, auch einen Job als höherklassiger Co-Trainer könne er sich vorstellen. Schon bald werde sich Wehmut einstellen, glaubt Weber, zumindest sei es ja so gewesen, als er seine Zeit als Torwart beendete. Doch man darf davon ausgehen, dass er ab 2020 noch ein paar Millionen Trainerminuten dranhängen wird.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4453421
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.