Unterhaching:Ernüchtert nach der Eruption

Lesezeit: 3 min

Sportlich präsentiert sich die SpVgg Unterhaching trotz der Pokalniederlage gegen Leverkusen vor 12 500 Zuschauern beeindruckend. Doch schon kurz nach Schlusspfiff wird deutlich, dass an Ruhe im Verein weiter nicht zu denken ist

Von Stefan Galler und Christoph Leischwitz, Unterhaching

In der Auffahrt stand der Leverkusener Mannschaftsbus und brummte vor sich hin, als Stefan Kießling als einer der letzten Gästespieler aus der Kabine im Sportpark gelaufen kam. Die Unterhachinger Fans stimmten wieder ihr hämisches "Ohne Kießling fahr'n wir zur EM" an, das sie schon während der DFB-Pokal-Achtelfinalpartie ihrer SpVgg gegen die Werkself mehrmals zum Besten gegeben hatten. Der Franke war ein gefragter Mann an diesem Dienstagabend, nicht nur, weil er mit seinem Tor zum 1:2 das Spiel für die Gäste entschied - letztlich erzielte Karim Bellarabi noch den 1:3 (1:1)-Endstand.

Auch Kießlings nach seinem Doppelpack beim 5:0 gegen Gladbach thematisierte Abwanderungsgelüste interessierten die Reporter, deshalb war er so spät dran, als sich ihm Hachings Präsident Manfred Schwabl in seiner ihm eigenen Direktheit in den Weg stellte: "Kießling, du Drecksack", begrüßte der kleine Mann den blonden Riesen und drückte ihn herzlich an die Brust. "Unter Ex-Nürnbergern hätte es das fei nicht gebraucht", sagte Schwabl und spielte auf das Tor des Stürmers an - Schwabl und Kießling haben eine sportliche Vergangenheit beim "Club". Und Schwabl legte nach: "Ich dachte sowieso, du hörst nach dem Gladbach-Spiel auf." Kießling grinste breit, als er sich vom prächtig gelaunten SpVgg-Vorsitzenden losgerissen hatte, und dieses Grinsen entsprach der vorherrschenden Stimmung nach dem unterhaltsamen Pokalspiel: Irgendwie waren alle total zufrieden.

Außer vielleicht Ulrich Taffertshofer, der 20 Minuten vor Schluss für eine Grätsche in die Beine von Kevin Kampl die Ampelkarte gesehen hatte, womit die Bemühungen der Hachinger, nach dem 1:2 noch einmal ins Spiel zurückzukommen, faktisch erledigt waren. "Die gelb-rote Karte trübt die Stimmung", sagte Taffertshofer. "Und dann kommt das Ausscheiden noch obendrauf." Dennoch habe es mächtig Spaß gemacht, gegen einen Weltstar wie den Mexikaner Chicharito anzutreten: "Die Stimmung war überragend. Bei unserem 1:0 dachte ich, die Bude kracht ein."

Maximilian Bauer war derjenige, der mit seinem Treffer tatsächlich eine kleine Eruption im mit 12 500 Besuchern besetzten Sportpark verursachte: Nach Vorarbeit von Thomas Steinherr staubte der 20-Jährige ab (27.). Die Führung hielt zwar nur vier Minuten, dann traf Chicharito zum Ausgleich. "Wir sind trotzdem absolut stolz, denen vor einer solchen Kulisse so Paroli geboten zu haben", sagte Bauer, der einräumte, wie speziell dieses Erlebnis für ihn und einige seiner Kollegen war: "Beim Einlaufen denkt man sich schon: Ist das wirklich der, den ich sonst nur aus dem Fernsehen kenne?" Nach getaner Arbeit hat sich Bauer dann das Trikot von Bellarabi gesichert: "Ich bin Außenverteidiger, er ist ein super Flügelspieler, insofern passt das." Und auch der Trainer konnte seine Ergriffenheit kaum verbergen: "Ich glaube, wir haben es geschafft, den Zuschauern einen schönen Abend zu bereiten", sagte Claus Schromm. "Wir haben uns teuer verkauft. Leider war der Gegner eine kleine Nummer zu groß für uns."

Chicharito sendet vor dem Spiel Gebete gen Himmel. (Foto: Getty)

Damit war der sportliche Teil des Kalenderjahres abgehakt. Doch dann ergriff der Trainer noch einmal das Mikrofon. Und positionierte sich in einem Nachwort deutlich im Machtkampf, der zurzeit im Hintergrund stattfindet. "Der Präsident, und ein bisschen auch meine Wenigkeit, haben nach dem Abstieg eine geile Truppe aus dem Nichts gestampft", sagte der Trainer. Er habe für Weihnachten nur einen Wunsch: "Dass alle, die dabei sind, sich in Ruhe gemeinsam an einen runden Tisch setzen und die beste Entscheidung für den Verein treffen." Schromm ließ offen, wen er im Detail damit meinte, und auch, was aus seiner Sicht die beste Entscheidung sei. Dass er aber an der Seite Schwabls steht, das hatte er deutlich gemacht.

Über seine kurz- und mittelfristigen Aufgaben wollte der Präsident am Dienstagabend noch nicht sprechen, bis gerade eben habe der Fokus auf dem Pokalspiel gelegen, jetzt werde erst einmal der Druck abfallen. Eine seiner nächsten Amtshandlungen dürfte aber das Verschicken von Einladungen für die Jahreshauptversammlung sein. Diese soll Mitte Januar stattfinden, ursprünglich war sie für Anfang Dezember angesetzt - ein Indiz dafür, dass sich Schwabl gut vorbereiten muss, ehe er den Mitgliedern seine Zukunftspläne präsentiert. Bekanntlich führt der Präsident "gute Gespräche" mit einem möglichen "strategischen Partner", wie er es nennt. Die Beteiligung der "Sam GmbH" unter Führung von Christian Nerlinger würde aller Voraussicht nach eine Ausgliederung der ersten Mannschaft aus dem Verein voraussetzen.

Bayer-Torschütze Karim Bellarabi setzt sich vor vollen Rängen gegen Max Dombrowka durch. (Foto: Imago)

Ob Schwabl schon einen Termin hat, um sich mit den Kritikern an besagten Tisch zu setzen, blieb offen. Er habe kein Problem damit, den Weg frei zu machen, wenn jemand ein besseres Konzept und Geldgeber präsentiere, das sagt Schwabl seit Monaten. Nach SZ-Informationen planen die Schwabl-Kritiker aktuell, ein Team mit komplett neuem Vorstand und Präsidium aufzubauen, das aus ehemaligen Mitarbeitern sowie einflussreichen Personen aus der Wirtschaft besteht, die bislang keine Verbindungen zur SpVgg hatten.

Schromm jedenfalls hat eine Vorahnung, was in den kommenden Tagen und Wochen auf den Verein zukommt. Ganz zum Schluss zitierte er Karl Valentin: "Nach der staden Zeit wird's dann auch wieder ruhiger." Er fürchte, sagt Schromm, der Mann habe Recht.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: