Turnen:Das übliche Gezitter

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Die Turner des USC München müssen sich im Abstiegsfinale der Dritten Liga durchsetzen. Ans Zittern bis zum letzten Wettbewerb haben sie sich schon gewöhnt.

Von Andreas Liebmann, München

Im Jahr 2009 wurde in der Fußball-Bundesliga erstmals seit 1991 wieder eine Relegation ausgetragen, zwischen dem Drittletzten der ersten und dem Dritten der zweiten Bundesliga. Wer annimmt, dass an mindestens elf der seitdem ausgetragenen neun Relegationsduelle der Hamburger SV teilgenommen hat, liegt erstaunlicherweise falsch. Lediglich zweimal war der HSV dabei, schon dreimal dagegen der 1. FC Nürnberg. Mit dem feinen Unterschied, dass sich die Hamburger in beiden Fällen glücklich retteten, während die Franken zwei ihrer drei Duelle verloren.

An die Bilanz des USC München in der Deutschen Turnliga reichen beide Vereine nicht heran. "Drei aus vier, eine ganz ordentliche Ausbeute", scherzt deren Teammanager Thomas Ottnad. Seit sein USC in die dritte Liga eingezogen ist, war er am Ende beinahe jeder Saison Letzter der Südgruppe und musste deshalb in einem Relegationsturnier gegen den Abstieg kämpfen. So auch an diesem Samstag (18 Uhr) in Schwäbisch Gmünd. Einzig 2015 nach einem Sieg gegen die TG Wangen-Eisenharz kam der USC mal als Vorletzter ungeschoren davon - im historischen Kontext wirkt das fast wie eine Art Betriebsunfall. Es dürfte nun also wieder eng werden für den USC, sehr eng, "aber wir sind das ja schon einigermaßen gewöhnt", sagt Ottnad.

Sieben Teams treten am Samstag gegeneinander an. Platz drei dürfte wohl reichen

Bei genauer Betrachtung hätte sich diese Extrarunde durchaus vermeiden lassen. Im Duell bei der TG Wangen-Eisenharz fehlten den Münchnern lediglich drei Scorepunkte. Den letzten Wettkampf bei der TSG Backnang vor zwei Wochen gewannen sie sogar - um in der Tabelle an Backnang vorbeizuziehen, fehlte am Ende allerdings ein Scorepunkt, winzige 0,05 Zähler am Barren. "Wir haben uns vor der Saison keinen Illusionen hingegeben, deshalb war die Enttäuschung auch nicht übermäßig groß", sagt Ottnad, "aber ärgerlich war das natürlich schon, weil es so knapp war."

„Wir riskieren nicht viel, wir achten eher auf die saubere Ausführung“: Benjamin Kowala bei einer Übung am Barren. (Foto: Claus Schunk)

Ein paar Kontrahenten hätten sie vor der Saison "in Schlagdistanz" zur eigenen Riege gesehen, und so war es letztlich auch. "Wir haben sehr ordentlich geturnt, keinen einzigen Wettkampf voll auf die Mütze bekommen wie noch im Jahr davor, haben einige Gerätepunkte geholt", bilanziert Ottnad, "wir hatten aber nicht unbedingt Glück mit gegnerischen Turnern." Bühl etwa war zu Saisonbeginn sehr stark, gegen Ende verletzungsgeschwächt. Der USC empfing die Bühler im Juni, am zweiten Wettkampftag. Er war chancenlos.

Nun müssen sie also wieder in dieses Turnier mit all den aufstiegswilligen Viertligisten gehen. Mit dem TSV Unterföhring zum Beispiel, wie schon vor einem Jahr. Mit drei zusätzlichen Problemen: Erstens sind die Unterföhringer nicht mehr so jung wie damals. Zweitens sind die Münchner noch mal ein Jahr älter geworden. Und drittens, fürchtet Ottnad, werde wohl jeder der Aufstiegswilligen Verstärkungen aus dem Ausland aufbieten. "Aber so ist es halt." Der Universitäts-Sportclub ist immer noch etwas Besonderes in dieser Turnlandschaft. Die meisten Kader speisen sich aus drei Quellen: selbst ausgebildete Sportler; Athleten, die irgendwann mal von anderen Klubs dazustießen; und Legionäre aus dem Ausland, die für wichtige Wettkämpfe anreisen. Der USC hat nichts von alledem. Das Team besteht weitgehend aus ehemaligen Studenten, die über den Münchner Hochschulsport zusammengefunden haben und eines Tages feststellten: Wenn sie hier schon alle trainierten, könnten sie auch als gemeinsame Mannschaft in der Liga antreten. Inzwischen stehen fast alle im Berufsleben, der Kader dürfte der mit Abstand älteste der Liga sein, viele sind längst über 30. Vor allem die Routine hilft ihnen dabei, noch immer mitzuhalten. "Wir riskieren nicht viel, wir achten eher auf eine saubere Ausführung", sagt Ottnad. "Turnen können die Jungs schon", sagt er, nur: Bis auf den 22-jährigen Stephan Trattnig habe sich eben auch niemand mehr verbessert in den vergangenen Jahren, es geht bei fast allen nur noch darum, einen möglichst großen Teil des eigenen Könnens noch möglichst lange zu erhalten.

Offiziell lösen die zwei besten der sieben Mannschaften in Schwäbisch Gmünd das Ticket für die dritte Liga, wegen des längst verkündeten (aber noch nicht amtlichen) Rückzugs des Zweitligisten Herbolzheim wird wohl auch der dritte Platz reichen. "Vielleicht gibt es ja irgendwo einen weiteren Wackelkandidaten, aber darauf kann man schwer spekulieren", sagt Ottnad.

Sie könnten natürlich auch mit dem Abstieg leben, dennoch wäre es gerade der ungünstigste Moment dafür. Denn seit dieser Saison ist in Paul Huber erstmals doch ein Eigengewächs dabei, ein 20-Jähriger, dessen Vater einst schon in der Bundesliga für den USC turnte, und der nun vor allem am Boden und am Sprung regelmäßig zum Einsatz kam. Und im kommenden Jahr wären Joschua Buchner und Simon Lenzen endlich 15 und damit in der dritten Liga einsetzbar. Beide gelten als große Talente und sind schon seit Jahren eine Motivation für die Alten, noch etwas länger durchzuhalten. "Es ist nicht so, dass mit ihnen dann alle Probleme gelöst sind", sagt Ottnad, "aber wenn sie erst mal dabei wären, könnten sich einige Ältere ein bisschen zurücknehmen, um die Jungen langsam heranzuführen. Es wäre schon cool, wenn wir es noch mal schaffen würden." Sie werden es nicht erzwingen können am Samstag, aber sie wollen doch "alles versuchen", um sich erneut in der dritten Liga zu halten. Manchmal, siehe HSV, genügt es ja auch schon, wenn man im richtigen Moment etwas Dusel hat.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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