Turnen:Altherrenriege reloaded

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Der USC München ist nach einem Jahr zurück: Weil es ihm gelungen ist, gleichzeitig aus der Regionalliga ab- und in die dritte Liga aufzusteigen.

Von Andreas Liebmann, München

Der Plot, wie das bei Filmen heißt, hätte vielleicht noch etwas überzeugender sein können. Hollywood hat das ja schon zigfach ganz gut hinbekommen: mit rüstigen Astronauten, die noch einmal ins All geschossen werden, weil es die Jungen nicht draufhaben; mit Rentnern, die ein letztes Mal eine Bank überfallen; mit kurzsichtigen, zittrigen Revolverhelden; mit pensionierten CIA-Agenten, die auf ihre alten Tage plötzlich wieder Killerkommandos gegen sich haben. So ähnlich hätte auch die Geschichte über die Rückkehr der Turner des USC München in die dritte Liga aufgebaut sein können - wären da nicht ein paar störende Protagonisten im Drehbuch aufgetaucht. Wie Paul und David Huber, die gerade mal Anfang 20 sind. Oder der erst 15-jährige Joschua Buchner.

Vor gut einem Jahr war der USC aus der dritten Etage der Deutschen Turnliga abgestiegen, zurückgefallen auf die Ebene des Landesverbandes. In seinem vierten Jahr war er zum dritten Mal Tabellenletzter gewesen, für den rettenden vorletzten Platz hatten ihm nur 0,05 Punkte am Barren gefehlt. Und erstmals hatte es danach auch im Abstiegsfinale nicht gereicht, um 0,65 Punkte, ebenfalls eine Winzigkeit.

Bis dahin war die USC-Riege stets ein Sonderling in der Deutschen Turn-Liga gewesen, mit dem weitaus höchsten Altersschnitt ihrer Liga, dazu ohne bezahlte Ausländer und mit einer recht kuriosen Entstehungsgeschichte: Die Mannschaft setzte sich nämlich weitgehend aus Turnern zusammen, die als Studenten bereits jahrelang gemeinsam im Münchner Hochschulsport trainiert hatten, die von überallher kamen und in der Liga entweder noch für ihre Heimatvereine oder eben überhaupt nicht mehr antraten - bis spät die Idee reifte, gemeinsam eine Mannschaft zu gründen. Mit ein paar erst- und vielen zweitligaerfahrenen Turnern, deren Studienzeit zum Teil schon länger zurücklag, die bereits im Berufsleben standen und ihre trainingsintensive Wettkampfsportart mit vergleichsweise geringem Aufwand betrieben. Am vergangenen Wochenende stand die Riege des Universitäts-Sport-Clubs München nun also im Aufstiegsfinale, und nichts wäre naheliegender gewesen, als wenn der Chipentwickler Christian Sendner, 38, oder der Sportlehrer Florian Bau, 32, noch einmal ins Magnesiatöpfchen gegriffen hätten, um es all den Jungen noch einmal zu zeigen. Doch ganz so war es dann nicht. Obwohl: ein bisschen schon.

Die jungen und alten Herren des USC nach dem Aufstiegsfinale: Frank Grob (unten von links), David Huber, Paul Huber, Joschua Buchner, Mauno Schelb, Benjamin Kowala, Stephan Trattnig, Stephan Merkle, Benedikt Bleimhofer und Fabian Schmidt. (Foto: privat)

Denn natürlich hatten die Münchner für den Wettkampf in Monheim einiges zusammengekratzt, auch wenn die ehemaligen Erstligaturner Sendner und Bau fehlten. Mauno Schelb zum Beispiel, 37, hatte zuvor in der Regionalliga Bayern gar nicht geturnt, auch nicht Benedikt Bleimhofer, 32. Beim Finale waren sie nun wieder dabei, ebenso wie der Österreicher Stephan Trattnig, der erst 23 ist, aber seit Jahren der Leistungsträger des Teams. Dass sie den Wiederaufstieg geschafft haben und nun also zurück sind in der dritten Liga, bedarf allerdings noch einer kurzen Randbemerkung: Es war nämlich keineswegs so, dass die Absteiger in der Zwischenzeit die Regionalliga Bayern in Grund und Boden geturnt hätten, im Gegenteil: Sie wurden Letzte. Sportlich sind sie damit abgestiegen. "Wir haben uns da nicht mit Ruhm bekleckert", weiß Teammanager Thomas Ottnad. Auch in der Regionalliga Bayern, erklärt er, seien richtig gute Turner gewesen, viele aus Nachwuchsleistungszentren, sogar ein, zwei Ausländer. Und sein eigenes Team habe Terminprobleme gehabt. Denn anders als in der dritten Liga, in der im Herbst an jedem Wochenende eine Wettkampfpaarung stattfindet, treffen sich die Regional- und Bayernligisten nur an vier Tagen zwischen Juni und November, an denen dann je zwölf Mannschaften durch eine Halle wuseln. "Für die alten Herrschaften hatte das nicht mehr so den Stellenwert", sagt Ottnad, "da kamen andere Termine dazwischen, Urlaub, Krankheit, so wahnsinnig ernst hat das keiner genommen." Am ersten Wettkampftag traten nur zwei USC-Turner an, Stephan Merkle und Paul Huber. "Ich persönlich habe gedacht, das wird gar nichts mehr", gesteht Ottnad.

Die Kehrtwende brachte dann die Entwicklung in der ersten Liga. Der deutsche Meister KTV Obere Lahn zog sein Team zurück, ebenso der MTV Stuttgart, auch in der dritten Liga war ein weiterer Platz frei. Nun wurden im Aufstiegsfinale plötzlich fünf Drittligisten gesucht statt wie üblich zwei. "Wir dachten uns: So einfach wird es vielleicht nie wieder werden, in die dritte Liga zurückzukehren", sagt Ottnad.

Was man wissen muss: Für dieses Aufstiegsfinalturnier muss man sich nur anmelden, nicht sportlich qualifizieren. "Du kannst auch einen Verein gründen und da mitmachen", erläutert Ottnad, "der Deutschen Turnliga ist das völlig egal." Nur die Anforderungen an künftige Drittligisten müsse man erfüllen, also Geräte und Startgebühr stellen können. Also turnten sie. Trattnig war mal wieder einer der Besten im ganzen Feld, obwohl nur fünf seiner sechs Geräte gewertet wurden. Am Ende waren sie Vierte - Rang eins belegte die zweite Mannschaft aus Straubenhardt. "Wir haben keine großen Fehler gemacht", sagt Ottnad, man sei "schon noch konkurrenzfähig", wenn das Team zusammen ist.

Der Österreicher Stephan Trattnig (oben) war mal wieder der Beste. (Foto: Claus Schunk)

Gründlich nachgedacht haben sie durchaus über den Sinn ihrer Rückkehr. Nach ihrem Abstieg hatte sich im Sommer kurz vor Start der neuen Saison die Mannschaft aus Ulm aufgelöst, damals war dem USC kurzfristig doch ein Drittliga-Startplatz angeboten worden. "Wir haben uns entschlossen, ihn nicht anzunehmen", erläutert der Teammanager. Urlaub, Auslandsaufenthalte, es waren schon wieder zu viele Termine im Weg. Und jetzt? "Im September geht es wieder los", sagt er, "im Prinzip sind jetzt alle motiviert." Etwas Vorsicht klingt da schon mit. Aber sie haben ja nun einige Junge im Team, die nicht mehr der alten studentischen Verbindung entspringen, sondern der Nachwuchsarbeit des USC. Und für die sich der Aufstieg lohnt.

Ob Frank Grob mit in die dritte Liga gehen wird, ist noch nicht klar. Er ist das letzte Kuriosum, das der USC in der vergangenen Saison zu bieten hatte. Grob ist vielfacher deutscher Seniorenmeister, er zeugt von der glorreichen Vergangenheit der USC-Turner, deren Abteilungsleiter er ist. Nach dem Abstieg war er zur Mannschaft gestoßen, er turnte in der Regionalliga mit, auch beim Aufstiegsfinale in Monheim punktete er an drei Geräten. "Er ist topfit. Wie das geht, weiß ich auch nicht", staunt Ottnad, der mit 36 selbst wegen schmerzender Knochen längst nicht mehr an Geräte geht. Frank Grob dagegen hat den Altersschnitt des USC ganz alleine im Lot gehalten. Er ist 58.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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