TSV Grafing:Tal- und Bergfahrt

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Verschworene Titeljäger: Grafings Volleyballer (re. Mittelblocker Thomas Stretz) freuen sich über hart erkämpfte Punkte gegen Mainz. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

In einem wendungsreichen Spitzenspiel ringt Volleyball-Zweitligist TSV Grafing die Mainzer nieder. Der TSV fühlt sich wohl in der Rolle des unaufsteigbaren Titelkandidaten - und auch die Kulisse stimmt.

Von Sebastian Winter, Grafing

An der Show, die es in der gängigen Zehn-Minuten-Pause nach dem dritten Satz bei Bundesliga-Spielen der Volleyballer gibt, könnten sie noch etwas feilen. Günther Schmidt wurde geehrt, der vor 50 Jahren ihre Abteilung beim TSV Grafing gegründet hat, er bekam dafür die Ehrennadel in Gold vom Bayerischen Volleyball-Verband. Schnell noch ein Foto, danach Schmidts Appell, doch bitte zu spenden für die diesjährigen Feierlichkeiten im Klub anlässlich des Jubiläums. Ansonsten: keine Hip-Hop-Gruppe, kein Stand-up-Comedian, kein Singer-Songwriter. Irgendwie brauchte es das aber auch gar nicht an diesem sportlich dramatischen Abend, die draußen an der sehr frischen Luft unter einem Pavillon gegrillten Würste und die Getränke reichten als Sidekick völlig aus.

"Es fehlen gerade Spannung und Zug im Training, alles ist ein bisschen lasch", sagt Julius Höfer

Denn das Spitzenspiel von Grafings Volleyballern, die wenige Stunden zuvor ihre Tabellenführung mal wieder an die Volleys Eltmann verloren hatten, gegen den Dritten Mainz hielt seine Abmachung ein. Mit 3:2 (23:25, 22:25, 25:21, 25:16, 15:12) hatten sie die Mainzer, die den TSV schon fast am Boden hatte, niedergerungen - nach mehr als zwei Stunden Spielzeit. Zwischenzeitlich hatte selbst Grafings Trainer Alexander Hezareh kaum noch einen Pfifferling mehr auf seine Spieler gegeben, die schon arg demoralisiert gewirkten hatten im dritten Satz beim 12:16: "Der war eigentlich schon weg." Doch dann bekamen sie wieder Zugriff auf die Partie, weil ihr Block endlich besser funktionierte und Mainz' Hauptangreifer Tobias Brand immer öfter dort hineinschlug - oder ins Netz und Aus. Als der frühere Herrschinger und passionierte Beachvolleyballer Benedikt Doranth die im Block und in der Feldabwehr zuvor extrem starken Mainzer auch noch mit einem lockeren Driveschlag ins hintere Eck des Feldes zum 23:20 überlistete, war ihr Widerstand gebrochen. Und die Grafinger Stadtkapelle blies passend dazu von den Rängen zur letztlich erfolgreichen Aufholjagd. "Am Ende muss man sich über die zwei Punkte freuen", sagte Hezareh.

Denn am Anfang waren die Mainzer gleich im Spiel, im Gegensatz zu Grafing. Erstaunlich war das, weil die ohnehin mit einem dünnen Kader bestückten Rheinland-Pfälzer nur zu Siebt angereist waren - ohne Diagonalspieler. Sie spielten dafür mit zwei Stellern, einer Taktik, die vor 20, 30 Jahren mal en vogue war, aber die Mannschaften vor das Problem stellt, weniger Angriffsoptionen zu haben. Mainz machte aus der Not eine Tugend und blockte im ersten Ballwechsel gleich mal Julius Höfer, auch so ein Ex-Herrschinger, der als bester Angreifer der Liga gilt.

Und so spielten sie weiter, die Gäste, frech, ohne Druck, geradezu spektakulär in der Abwehr. Höfer schlug zum 23:25 im ersten Satz erneut in den Block, und auch danach endeten die langen Ballwechsel fast immer zugunsten der Mainzer. Wie zum 7:6 im zweiten Satz, als eine einarmige Abwehr der Gäste von weit hinter ihrem Feld noch übers Netz fiel - und Grafing den Angriff ins Aus schlug. TSV-Zuspieler Fabian Wagner war dann auch noch entnervt, als sein Zuspiel vom Schiedsrichter abgepfiffen wurde, eine umstrittene Entscheidung, später folgte noch eine gelbe Karte für die Grafinger - 0:2. "in den ersten beiden Sätzen sind wir dumm", sagte Höfer und bezog sich selbst ein in seine Generalkritik, "wir schlagen viel in den Block, Fabi hatte auch nicht seinen besten Tag. Es fehlen gerade Spannung und Zug im Training, alles ist ein bisschen lasch."

Es zeichnet Grafing aber aus, dass sie selbst in aussichtslosen Situation wieder zurückfinden ins Spiel. Höfer und der am Ende starke Michael Zierhut waren nach der Wende die entscheidenden Figuren. Am Sonntag gewann Grafing noch sein zweites Spiel an diesem Doppel-Heimspieltag mit 3:0 gegen die Volley Youngstars Friedrichshafen und bleibt nun mit einem Spiel weniger Zweiter hinter Eltmann.

Die Unterfranken sind einziger möglicher Aufsteiger, nur sie haben vorlizenziert für die erste Liga. Die Grafinger fühlen sich in ihrer Rolle des Zweitliga-Spitzenklubs ohnehin wohl. Erstliga-Strukturen haben sie weiterhin nicht, ohne taugliche Sportarena, auch wenn sie beim Bau der Berufsschulhalle gerne mitplanen möchten. Hinzu kommt, dass die wenigsten ihrer Spieler den Schritt ins Profigeschäft mitgehen würden. "Wir wollen auch Offenburg nicht wiederholen", sagt Grafings Manager Johannes Oswald. Offenburgs Volleyballerinnen waren 2016 und 2018 Zweitliga-Meister, doch sie fanden nie Großsponsoren für den Schritt ins Oberhaus. Nun ziehen sie sich - als ungeschlagener Tabellenführer mit 15 Punkten Vorsprung vor dem Zweiten, am Saisonende frustriert von der mangelnden Unterstützung in die dritte Liga zurück.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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