Tölzer Löwen:"In ganz Deutschland üblich"

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Staatsanwaltschaft ermittelt - unter anderem wegen Veruntreuung: Die Causa könnte zum Präzedenzfall für das gesamte Profi-Eishockey werden.

M. Köpf und J. Schnitzler

Von Matthias Köpf und

Staatsanwaltschaft ermittelt bei den Tölzer Löwen - unter anderem wegen Veruntreuung. (Archivbild) (Foto: Hartmut Pöstges)

Johannes Schnitzler

- Das Verfahren, das die Staatsanwaltschaft München II gegen drei ehemalige Geschäftsführer des Oberligisten Tölzer Löwen wegen "Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialversicherungsbeiträgen" anstrengt, könnte Folgen für das gesamte Profi-Eishockey in Deutschland haben. Denn die ihnen zur Last gelegten Praktiken bei der Abrechnung von Steuern und Sozialabgaben sollen auch bei anderen Profivereinen üblich sein. Das behaupten jedenfalls die drei ehemaligen Geschäftsführer der Tölzer Eissportgesellschaft (TEG). In der Branche regt sich deshalb Widerspruch. Ein Oberliga-Konkurrent der Tölzer sagt, es sei klar, dass das Vorgehen der TEG nicht zulässig gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft hat den Tölzer Funktionären nach jahrelangen Ermittlungen Strafbefehle zustellen lassen, weil sie beim Einkommen der Spieler die von der Steuer und von Sozialabgaben befreiten Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge zu hoch angesetzt haben sollen (SZ vom 21.September). Laut Staatsanwaltschaft soll den Kranken-, Renten- und Pflegekassen zwischen 2005 und 2008 so ein Schaden von insgesamt etwa 80000Euro entstanden sein.

Wie seine beiden Nachfolger als Geschäftsführer der Tölzer Eissportgesellschaft, AlexanderM. und HorstF., behauptete nun auf Anfrage auch ManfredG., dass bei der Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Er selbst habe ebenso wie M. und F. die Spielerverträge stets so abgeschlossen, wie sie "in ganz Deutschland und in der ganzen Branche üblich" seien.G., von 2005 bis 2006 zum ersten Mal Geschäftsführer der TEG und seit diesem Frühjahr wieder, weist alle Vorwürfe zurück. Er hätte sich "mit Sicherheit nicht noch einmal zur Verfügung gestellt, wenn ich irgend eine Leiche im Keller hätte", sagt G., der in Tölz eine Unternehmensberatung samt Steuerkanzlei betreibt.

Insgesamt fünf Kanzleien hätten sich seit 2003, als die TEG erstmals Insolvenz anmelden musste, mit den Abrechnungen der Spielergehälter beschäftigt. Keine einzige habe Probleme gesehen, wie sie nun offenbar die Staatsanwaltschaft ausgemacht habe. Genau kenne er die Vorwürfe nicht, weil sein Anwalt zwar Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, bislang aber noch keine Akteneinsicht erhalten habe, sagt G. Wie seine Mitbeschuldigten hofft er, die Vorwürfe noch vor einem Strafprozess ausräumen zu können. Seit der Fall, der laut G. auf eine Sozialversicherungsprüfung bei der TEG im Jahr 2007 zurückgeht, durch die Recherchen der SZ bekannt geworden ist, werde er bei Oberligaspielen von Kollegen angesprochen; sie alle verführen exakt so wie die Tölzer. Viele Vereine seien auch ohne jede Beanstandung überprüft worden, sagt G.: "Das wurde in Tölz vor meiner Zeit und auch nach meiner Zeit schon so gemacht. Das ist überall so."

"Leider", sagt Alexander Stolberg, "leider muss ich widersprechen". Stolberg, von Beruf Rechtsanwalt, ist Vorsitzender des Oberliga-Konkurrenten EHC Klostersee. Er sagt: "Ich weiß, dass das, was zuweilen in Tölz passiert ist, nicht zulässig ist." Er sei Zeuge einer Anhörung des damaligen TEG-Geschäftsführers Horst F. vor dem Deutschen Eishockey-Bund gewesen. Er habe die Verträge zwar selbst nicht gesehen, schränkt Stolberg ein. Aber: "Soweit ich es verstanden habe, waren die steuerfreien Zuschläge deutlich höher angesetzt als das, was tatsächlich angefallen ist." 2009 meldete der damalige Zweitligist Bad Tölz abermals Insolvenz an.

Auch zu den Usancen des Gewerbes widerspricht Stolberg der Darstellung G.s: Eine solche Vertragsgestaltung sei nicht branchenüblich. "Ich passe da auf wie sonstwas", sagt Stolberg. Eines müsse man G., M. und F. freilich zugute halten: "Dieser Job wird unterschätzt." Der Stress, der zeitliche Aufwand, der Druck der Öffentlichkeit und die rechtlichen Anforderungen seien "beachtlich", so Stolberg. Je nach Strenge des zuständigen Finanzamts sei es schon "möglich, dass Verträge einer steuerrechtlichen Überprüfung nicht standhalten".

© SZ vom 06.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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