Tölzer Löwen:Der Druck wächst

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Abstieg statt Playoffs? Binnen vier Wochen sind die Löwen auf den vorletzten Platz der DEL 2 abgestürzt. Mit der Schneelast nimmt die Kritik am Trainer zu.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Der Schnee fällt seit Tagen in dicken Flocken aus dem Himmel, auch die Tölzer Flinthöhe liegt unter einer dichten weißen Decke. Täglich vier bis fünf Mal, sagt Christian Donbeck, Geschäftsführer der Tölzer Löwen, kommen die Experten und messen, wie hoch die Schicht auf dem Dach der wee-Arena ist. Die erlaubte Maximallast liege bei rund 200 Kilo pro Quadratmeter, macht bei einer Fläche von etwas mehr als 2200 Quadratmetern rund 4,5 Tonnen Gewicht. Niemand will riskieren, dass Spieler des Eishockey-Zweitligisten oder Zuschauer zu Schaden kommen. Aus demselben Grund haben die Löwen am vergangenen Sonntag ihr Auswärtsspiel bei den Bietigheim Steelers abgesagt. Die Räder des Mannschaftsbusses drehten bereits auf dem Stadionparkplatz durch. Aber es gehe ja nicht nur um die Profis, sondern auch um die Fans, die sich mit auf die Reise begeben hätten. Das Risiko sei einfach zu hoch gewesen, sagt Donbeck: "Wer will dafür die Verantwortung übernehmen?" Die Messungen am Donnerstag ergaben, dass das Heimspiel an diesem Freitag (19.30 Uhr) gegen die Löwen Frankfurt wohl stattfinden kann. Aber es schneit weiter. Der Druck wird täglich höher. Auch auf den Trainer.

Markus Berwanger sagt am Telefon einen der zurzeit meistgehörten Sätze: "Ich war gerade beim Schneeräumen." In Berwangers Fall bekommt das Bild vom Schnee allegorische Bedeutung: Der 55-Jährige kann zwar Haus und Hof von der weißen Last befreien.

Die Last der Verantwortung wird er damit aber nicht los. Vor Weihnachten lagen die Tölzer Löwen in der DEL 2 noch auf dem komfortablen achten Platz, nur zwei Punkte von Rang sechs und der direkten Qualifikation fürs Playoff-Viertelfinale entfernt. Seitdem haben sie acht ihrer zehn Spiele verloren und nur fünf Punkte gesammelt. Innerhalb von vier Wochen sind sie auf den vorletzten Platz durchgereicht worden, Rang sechs ist nicht mehr zwei Punkte entfernt, sondern 20. Zu Platz zehn, dem letzten, der zur Playoff-Teilnahme berechtigt, fehlen sechs Zähler. Ob die Partie vom Sonntag nachgeholt oder mit x:0 für Bietigheim gewertet wird, ist offen - das Ermittlungsverfahren der Liga läuft noch. Und am Freitag kommt der Tabellenzweite Frankfurt, der 41 Tore mehr geschossen hat als Tölz.

„Natürlich ist die Situation nicht schön“: Trainer Markus Berwanger arbeitet daran, „dass es kein böses Erwachen gibt“. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Warum die Tölzer diesen Einbruch erlebt haben, darüber zerbrechen sie sich die Köpfe. "In den letzten sechs Spielen haben wir im Schnitt nur zwei Gegentore bekommen", sagt Berwanger. Zuvor waren es doppelt so viele. Er habe "massiv" am Abwehrverhalten arbeiten lassen, mit Video- und Zweikampfschulung: "Die Mannschaft zieht mit", sagt der ehemalige Nationalstürmer. "Dafür haben wir jetzt Probleme mit dem Toreschießen." Die Aufgabe gegen Frankfurt wäre "schon in Bestbesetzung schwierig". In Andreas Schwarz (Muskelverletzung), Topscorer Kyle Beach (Sprunggelenk), Valentin Gschmeißner (Infekt) und Yannick Drews (Gehirnerschütterung) fehlen Berwanger nun aber gleich vier Schlüsselspieler: "Das kann keine Mannschaft der Liga kompensieren."

Statt der Aussicht auf die erstmalige Teilnahme an den Playoffs droht im zweiten Jahr nach dem Aufstieg nun die Abstiegsrunde - oder Schlimmeres. "Wir sprechen alles an, damit es kein böses Erwachen gibt", sagt Berwanger. Noch sind 18 Spiele zu spielen, noch sei genug Zeit. Das sieht auch Donbeck so. Er sagt aber auch: "Jede Mannschaft hat 52 Spiele, jede Mannschaft hat Verletzte. Wir dürfen nicht nach Gründen suchen, warum etwas nicht klappt. Wir müssen Lösungen finden, dass es klappt." Vor allem aber will Donbeck Diskussionen um einzelne Spieler und um den Trainer verhindern, die Fans und Medien freilich längst führen. Kapitän Philipp Schlager oder Johannes Sedlmayr etwa sind weit von ihrer Effektivität der vergangenen Saison entfernt. Sedlmayr fiel zuletzt hauptsächlich durch Boxeinlagen auf. "Wir sind ein Team. Wir dürfen Spieler nicht immer auf Scorerpunkte reduzieren", sagt Donbeck. Und wenn einer mal seinem Frust Luft mache, "ist mir das lieber, als wenn er sagt: ,Passt schon!'"

Baustellen gebe es "genug", räumt der Geschäftsführer ein. Dennoch sei er überzeugt, dass Qualität und Breite des Kaders ausreichend seien. "Aber wir müssen bedingungsloser spielen und nicht noch einen Norbert-Schramm-Gedächtniskreisel drehen. Darauf muss das Trainerteam die Mannschaft einstellen." Schramm, das für die Jüngeren, war ein Weltklasse-Eiskunstläufer. Eishockeyspielen konnte er nicht.

Klar sei, sagt Donbeck, dass "bis Ende Januar etwas passieren muss" - klingt so ein Ultimatum für den Trainer? "Natürlich ist die Situation nicht schön", sagt Markus Berwanger. "Aber aushalten tu ich's." Nicht nur die Tragfähigkeit des Hallendachs ist zurzeit eine der meistgestellten Fragen rund um die Tölzer Arena.

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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