Tobias Schweinsteiger:Nachbar­schafts­hilfe

Lesezeit: 3 min

Mit dem Ball immer auf Augenhöhe: Tobias Schweinsteiger. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Der FC Bayern hat ihn verschmäht, nun bildet Tobias Schweinsteiger Jungprofis in Österreich aus.

Von Felix Haselsteiner, München

Topographisch muss sich Tobias Schweinsteiger noch etwas in seiner neuen Heimat einleben. Von welchem Berg genau er auf Linz heruntergeschaut hat, weiß er nicht mehr, vielleicht war es der Froschberg? "Schön war's auf jeden Fall", sagt Schweinsteiger und verliert auch sonst kein schlechtes Wort über die oberösterreichische Hauptstadt, in der er nun angeheuert hat. Allerdings nicht beim LASK Linz, derzeit Tabellenzweiter der österreichischen Bundesliga, sondern bei einem etwas spezielleren Projekt. Die "FC Juniors OÖ" - OÖ steht für Oberösterreich - sind ein Zweitligateam mit einer Mission: Jugendspieler ausbilden und ihnen Spiele auf Profiniveau ermöglichen. Das soll in Zusammenarbeit mit dem LASK passieren, die Spieler allerdings kommen aus ganz Österreich.

Schweinsteiger fungiert seit Anfang Januar als Teamchef neben dem niederösterreichischen Cheftrainer Andreas Wieland, so zumindest die offizielle Bezeichnung. "Im modernen Fußball arbeitet man ohnehin als Trainerteam, es geht nicht mehr darum, dass einer der Chef ist und der andere Hütchen aufstellt", sagt Schweinsteiger, der bisher als Co-Trainer bei der U17 und der U19 des FC Bayern unter Tim Walter gearbeitet hat. Das vorübergehende Ende seiner Trainerkarriere in München, wo er sich einst als Spieler der zweiten Mannschaft unter den Anhängern fast eine Art Kultstatus erarbeitet hatte, war ein Thema, über das Schweinsteiger am Rande des Pressetermins in Linz nur kurz sprechen will: "Dass ich mir meinen Abschied vom FC Bayern anders vorgestellt hatte, ist klar." Letztlich sei gerade im Austausch mit Jochen Sauer, dem Leiter des FCB-Nachwuchsleistungszentrums, "bis zur Vertragsauflösung alles ordentlich abgelaufen. Wir können uns in die Augen schauen", versichert er, auch wenn man ihm anmerkt, dass ihn die Ausbootung im vergangenen Sommer getroffen hat. Nach dem Weggang seines Trainerpartners Walter zu Holstein Kiel hatte sich Schweinsteiger durchaus Hoffnungen auf einen (Chef-)Trainerposten gemacht, der FC Bayern jedoch hatte ihn recht kühl abserviert: Zum damaligen Zeitpunkt wurde keine offizielle Mitteilung veröffentlicht, aus dem Verein hörte man lediglich, für Schweinsteiger sei kein Platz.

Angesichts der Art und Weise, wie der 36-Jährige über seine Gedanken zum Jugendfußball referiert, könnte man diesen Schritt durchaus hinterfragen. Schweinsteiger denkt modern, er will die Einzelspieler fördern und so eine Mannschaft zusammenstellen, die in der zweiten österreichischen Liga die Klasse halten kann, er spricht von "zielgerichtetem Ballbesitz" und "Prinzipien-Fußball": "In meiner Idealvorstellung würde man junge Spieler so ausbilden, dass zum Beispiel ein Linksverteidiger schon in der Jugend lernt, auch als Innenverteidiger oder defensiver Mittelfeldspieler aufzulaufen. Man sollte viel positionsunabhängiger denken." Diese Philosophie könne er beim FC Juniors umsetzen, genauso wie die Erfahrungen, die er im letzten halben Jahr gemacht hat. "Dass es vom FC Bayern weggeht, wusste ich irgendwann", sagt Schweinsteiger, also habe er eine Art Fortbildungshalbjahr eingelegt: "Ich war unter anderem längere Zeit beim EHC München und bei meinem ehemaligen Trainer Erik ten Hag bei Ajax Amsterdam. Es ging für mich darum, zu sehen, was andere machen und von wo man sich noch Einflüsse holen kann. Gerade was die Herangehensweise an junge Spieler angeht, konnte ich unheimlich viel mitnehmen", erzählt Schweinsteiger, der einst den DFB-Trainerlehrgang mit der Note 1,0 abschloss.

Auch deshalb nennt ihn Juniors-Präsident Franz Mayer "eines der größten Trainertalente Deutschlands". Bleibt die Frage, warum Schweinsteiger in die zwar interessante, aber doch eher unterklassige österreichische zweite Liga ging? Er habe "Kontakt zu den Nachwuchszentren einiger Bundesligisten" gehabt, erklärt er, doch die Entfernung von der Familie habe ihn abgehalten. "Ich bin zu sehr Familienmensch, um meinen Schwerpunkt komplett zu verlegen", sagt er. Schweinsteiger ist in Rosenheim beheimatet. An diesem Mittwoch kehrt er an eine andere alte Wirkungsstätte zurück: Sein neues Team trägt ein Testspiel in Unterhaching aus (14 Uhr). Für die Spielvereinigung stand er selbst 101 Mal auf dem Platz.

Einen echten Karriereplan habe er nicht, dennoch hat Schweinsteiger beim FC Juniors gleich bis Sommer 2023 unterschrieben. "Ich glaube, es ist besser, tagtäglich hart zu arbeiten, und dann entsteht alles von alleine - das war bei mir schon immer so", sagt er. Um irgendwann zum Cheftrainer aufzusteigen, fehlt ihm noch die Zulassung. Die stehe erst mal hinten an. Im Moment steht Schweinsteiger lieber von früh bis spät "bei den Jungs" auf dem Platz. Auch wenn so wenig Zeit bleibt, um Linz und die umliegenden Berge zu erkunden.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: