Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Zielsuche im Karussell

Die junge Mannschaft des Zweitligisten Schwabhausen zeigt auswärts ungewohnte Schwächen. Gleichzeitig wird mal wieder die Aufstiegsfrage geprüft.

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Das Saisonziel ist möglicherweise in Gefahr geraten, noch bevor es überhaupt richtig aufgestellt wurde. 5:5 und 4:6 - aus ihren beiden Auswärtsspielen vom vergangenen Wochenende haben die Frauen des Tischtennis-Zweitligisten TSV Schwabhausen nur ein Pünktchen heimgebracht. Es deutet sich nun an, dass der Weg zurück in die erste Liga steil und steinig werden könnte - allerdings hat sich der Verein aus der Nähe von Dachau ja überhaupt noch nicht dazu geäußert, ob er ihn dieses Mal wirklich beschreiten will.

Die jüngere Historie des TSV mutet diesbezüglich einigermaßen kurios an: 2016 hatte sich der Klub aus der ersten Liga zurückgezogen, freiwillig als Tabellenvorletzter, angesichts eines bisweilen zermürbenden Leistungsgefälles im Oberhaus. Im Jahr darauf verzichtete er als überlegener Zweitliga-Meister auf eine Rückkehr - es war den Verantwortlichen zuvor nicht gelungen, weitere Mitstreiter ähnlicher Kragenweite zu finden, die mit ihnen den Gang nach oben gewagt und die erste Liga damit sportlich reizvoller gemacht hätten. In der vergangenen Saison ließ Schwabhausen dann dem TSV Langstadt den Vortritt, der die Szene kurz nach seinem Aufstieg mit einem prominenten Zugang überraschte: Die ehemalige Berlinerin Petrissa Solja schloss sich den Hessinnen an. Bitter daran war für den TSV Schwabhausen, dass er erst kurz zuvor seine eigenen Aufstiegsambitionen einmal mehr ad acta gelegt hatte, weil sein Toptalent Sarah Mantz zu dieser Zeit mit einem Weggang liebäugelte. Ansonsten wäre Schwabhausen heute wohl wieder ein Erstligist und hätte vielleicht sogar selbst die deutsche Nationalspielerin Solja für sich gewonnen. "Das wäre mein Traum gewesen", sagt Schwabhausens Trainer Alexander Yahmed.

Zweimal hatten die Entscheider mit ihren Entscheidungen lange gezögert, dieses Mal soll es schneller gehen: Bis Dezember wolle man intern Klarheit darüber haben, wohin der Weg führen solle, hatte Trainer Alexander Yahmed vor der Saison angekündigt, und nun kann er bestätigen, dass gerade die ersten Gespräche anberaumt sind. Doch plötzlich stellt sich die Frage, ob sein Team überhaupt die sportliche Qualifikation für einen Aufstieg schaffen würde. Die erste Liga ist zwar mit acht statt zehn Teams chronisch unterbesetzt und hätte Plätze frei, aber in der zweiten Liga gibt es nach Minuspunkten zurzeit gleich fünf bessere Mannschaften als den TSV Schwabhausen (9:5 Punkte). Noch ist die Tabelle allerdings reichlich schief: Der ATSV Saarbrücken etwa hat erst drei seiner neun Vorrundenspiele absolviert, der TSV Schwabhausen dagegen hat nur noch zwei Partien vor sich - die erste daheim Anfang Dezember gegen den TuS Uentrop, mit 9:1 Punkten gerade souveräner Tabellenführer.

Die Sache mit dem Saisonziel sieht Yahmed allerdings ein wenig anders. Sein vorrangiges Ziel sei es, dass seine junge Mannschaft sich weiterentwickele und lerne, "und zum Lernen war das letzte Wochenende perfekt", sagt er. Ein mögliches Streben in die erste Liga sieht er davon unabhängig, da würde sich im Zweifel schon ein Weg finden, glaubt er. Doch auch wenn bislang "nichts Dramatisches" geschehen sei: "Wir haben schon gesehen, dass wir unbedingt ein paar Sachen ändern müssen."

Schon zwei Wochenenden zuvor hatte das Quartett, das mit einem Altersschnitt von weniger als 20 Jahren antritt, Glück, wenigstens einen Sieg von einem Auswärts-Doppelspieltag mitzubringen. "Ich habe danach viele Gespräche geführt", erzählt der Coach, die am ehesten bei der aktuellen Nummer eins Mateja Jeger gefruchtet hätten: Die Kroatin gewann am Wochenende drei ihrer vier Einzel und beide Doppel an der Seite von Laura Tiefenbrunner. "Ein ganz klarer Fortschritt", fand der Trainer, "sie hat auch super trainiert." Doch Jeger ist mit 23 auch schon die Älteste des TSV-Quartetts, und gerade die Jüngeren, glaubt Yahmed, hätten in einigen Punkten den Ernst der Lage noch nicht ganz erfasst.

Besonders schwer hat es die Allerjüngste, Laura Tiefenbrunner. Sie wird in einigen Wochen erst 17 Jahre, am Tag des Heimspiels gegen Uentrop übrigens. 2:9 lautet ihre aktuelle Einzelbilanz. Die Jugendnationalspielerin, die vor der Saison aus Kolbermoor kam, spielt auf eigenen Wunsch im vorderen Paarkreuz, ihr Trainer nimmt sie deshalb ein wenig aus von der Kritik. "Vorne ist es schwer", weiß er. Die entscheidenden Punkte müssten eher von hinten kommen, also den Positionen drei und vier. Beim 4:6 in Großburgwedel am Sonntag kam von dort allerdings wenig: Alina Nikitchanka gewann eines ihrer Einzel, Sarah Mantz gar keins. "Sie hat das Zeug dazu, hinten viel souveräner zu spielen", sagt Yahmed über Mantz. Laura Tiefenbrunner dagegen sei nun "in einem Karussell", dem sie wieder entkommen müsse, einem Kreisel aus knappen Niederlagen und Verunsicherung. In Großburgwedel verlor sie gegen Kristina Kazantseva 11:13 im fünften Satz, "in normaler Verfassung gewinnt sie das vielleicht", schätzt Yahmed. Dass nun auch der mannschaftliche Erfolg fehlt, macht es für die Jüngste nicht leichter.

Wie schwer man es auf Position zwei in der zweiten Liga hat, zeigte das Gastspiel am Samstag in Tostedt. Da hatte es Laura Tiefenbrunner mit Irene Ivancan zu tun. Die ehemalige deutsche Nationalspielerin, inzwischen 35, war mal Zweite der Europameisterschaft im Einzel, 2011, noch gar nicht lange her - andererseits ging Tiefenbrunner da noch zur Grundschule. Der Teenager schlug sich wacker, 10:12, 12:10, 7:11, 8:11. Es fehlt nicht viel. Trotzdem wird Tiefenbrunner in der Partie gegen Spitzenreiter Uentrop mal aussetzen. Nicht etwa wegen ihrer Form oder ihres Geburtstags, sondern weil sie in Australien weilt. Als aktuelle Nummer 73 der U-18-Weltrangliste hat sie sich fix für die Jugend-WM in Bendigo qualifiziert. Sie könnte sich dort Rückenwind holen, um danach vielleicht doch mit dem Verein um den Aufstieg zu spielen.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2018
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