Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Treffen mit der Vergangenheit

Der TSV Schwabhausen setzt sich im Erstliga-Kellerduell gegen Anröchte durch. Crystal Wang trifft beim Heimdebüt auf eine alte Bekannte ihres neuen Klubs: die 37-jährige Yang Ting.

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Ob sie die Zukunft ist? Womöglich nicht, doch wer weiß schon so genau, was die Zukunft bringt. Crystal Wang ist erst 17, natürlich ist sie eine Art Versprechen für die Zukunft, mindestens für den US-amerikanischen Tischtennisverband. Am Samstag allerdings traf Wang auf die Vergangenheit, und sie sah dabei ziemlich fantastisch aus, diese Vergangenheit. Wang trat im Erstliga-Kellerduell für den TSV Schwabhausen an, es war ihr dritter Einsatz für ihren neuen Klub, obendrein ihr erstes Heimspiel. Viele im Publikum kannten sie bis dahin also nur vom Hörensagen. Ihre Gegnerin vom TTK Anröchte kannten sie dafür umso besser. Yang Ting, 37, war hier von 2009 bis 2017 Stammspielerin, in dieser Halle wird sie von allen liebevoll "Tinka" gerufen. "Sie ist immer noch sehr gern gesehen", betont Schwabhausens Abteilungsleiter Helmut Pfeil.

An Yang lag es jedenfalls nicht, dass der Tabellenletzte Anröchte 3:6 verlor. Die Abwehrspielerin holte zwei Punkte. Erst setzte sie sich in fünf Sätzen gegen Sabine Winter durch, dann in dreien gegen Wang. Ein bisschen konnten die Schwabhauserinnen von Glück sagen, dass ihre Gäste, deren Kader sechs potentielle Stammspielerinnen für vier freie Plätze umfasst, gleich vier Ausfälle (Shi Qi, Wang Aimei, Jing Tian-Zörner, Marta Golota) zu verzeichnen hatten. Die Aushilfen aus der zweiten Mannschaft kamen weder im Doppel noch in den Einzeln in die Nähe eines Satzgewinns.

Bei Yang Ting sah die Sache anders aus. Gegen ihre ehemalige Mitspielerin Winter, die gegen Abwehrspezialistinnen wie sie eigentlich gerne antritt, lief anfangs fast alles, sie ging mit 11:4 und 11:2 in Führung. Winter erkämpfte sich den Ausgleich, der fünfte Satz war aber wieder eine klare Sache für Yang, 11:4. Gegen die 20 Jahre jüngere Crystal Wang spielte sie dann ihre ganze Routine aus, zum 11:9, 11:4, 11:7. Im Hinspiel hatte es beide Duelle schon einmal gegeben, Yang verlor zweimal. "Da hatte sie noch Defizite", erinnert sich Schwabhausens Abteilungsleiter Pfeil. "Jetzt hat sie gezeigt, dass mit ihr wieder zu rechnen ist."

Ihm tut das schon ein bisschen weh, die "Tinka" in einem fremden Trikot zu sehen. Als ihr Mann noch am Frankfurter Flughafen arbeitete, wohnte Yang zu Punktspielzeiten in Pfeils Haus; inzwischen arbeitet der Ehemann in München, das Paar hat ein Kind und ein eigenes Haus in der Nähe. "Sie sind hier gut eingesessen", sagt Pfeil. Vor Jahren schon hatte sich die Chinesin ihr erstes Dirndl gekauft. Dass es sie nun nach einer zweijährigen Pause, in der sie Mutter wurde, nach Nordrhein-Westfalen verschlug, zu einem Verein nahe Soest, gehört wohl in die Kategorie Blöd gelaufen.

"Wir hatten nicht mit ihrer Rückkehr gerechnet", erklärt Pfeil. "Irgendwann stand sie da und hat gesagt, sie könnte die nächste Saison spielen. Aber da war unser Kader voll. Wir schwimmen ja nicht im Geld und hätten ihr höchstens zwei, drei Spiele ermöglichen können." Also musste sie sich anderswo umsehen, Geld verdienen. Konkrete Gespräche darüber gebe es nicht, sagt Pfeil, dennoch spielt er offen mit dem Gedanken, Yang alsbald heimzuholen.

Vielleicht trat Crystal Wang am Samstag also auch gegen eine Art Zukunft an. Sie selbst zählt bislang klar zur Kategorie Gegenwart. Quasi durch Zufall war sie vor der Saison auf die Rangliste gerutscht. Trainer Alexander Yahmed wagte zunächst keine Prognose, ob es überhaupt zu Einsätzen käme. Wäre sie gut genug, um zu helfen? Wie würde sich ihr Mitwirken logistisch einrichten lassen? Eigentlich verfolgt der TSV die Leitlinie, dass seine Sportler nicht nur zu Punktspielen anreisen, sondern gemeinsam trainieren sollten, zumindest phasenweise. Die Zukunft trägt hier auch deshalb eher Namen wie Laura Tiefenbrunner. Die 18-Jährige kam gegen Anröchte trotz guter Form diesmal nur im Doppel zum Einsatz, in dem sie an Winters Seite allerdings mit einem 3:0-Erfolg gegen Yang Ting und Yang Henrich zur wichtigen 2:0-Führung beitrug. Im Einzel musste sie aussetzen.

Crystal Wang dagegen ist eine Art Hoffnungsträgerin im Abstiegskampf geworden. Ihr erstes Einzel gegen Henrich bog sie nach Rückstand um. 6:11, 6:11, 11:9, 11:9, 11:9 setzte sie sich gegen jene 41-Jährige durch, die Winter später die zweite Einzelniederlage des Tages beibrachte. Wangs Einsatz war nur möglich gewesen, weil die Weltelite sich von Dienstag an in Magdeburg zu den German Open trifft; ob noch weitere folgen, ist unklar. Am Montag machte sich Schwabhausens Tross dorthin auf die Reise. Yang Ting fuhr am Sonntag noch zu einer 1:6-Niederlage in Kolbermoor, dann ging es heim zur Familie. Sie hatte es nicht weit.

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SZ vom 28.01.2020
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