Tennis:Von Kreisliga bis Weltklasse

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Mit 230 Sachen: Nicht zuletzt sein starker Aufschlag brachte Daniel Brands bis auf Rang 51 der Tennis-Weltrangliste. (Foto: Philippe Ruiz/imago images)

Der ehemalige Top-100-Profi Daniel Brands beginnt in München eine Trainerlaufbahn. Obwohl der Start virusbedingt zäh verläuft: Er will dem Sport, der sein Leben ist, treu bleiben.

Von Thomas Becker, München

Die Terrasse der Tennisanlage am Rothof hat schon was. Wer hier in Bogenhausen seine Abo-Stunde am späten Nachmittag bucht, wird beim Aufschlag zwar von der Sonne geblendet, dafür aber nach getaner Tat mit kitschigen Sonnenuntergängen verwöhnt. Das Danach-Bier schmeckt so gut wie nirgendwo anders, dazu der formidable Chicken-Burger mit Grillgemüse. Der Blick streift ein Mutter-Kind-Match, bald wird es hoffentlich auch wieder Senioren-Doppel geben, die zusammen auf 300 Jahre kommen. Breitensport in Reinkultur. Genau hier will ein Mann, der schon Roger Federer besiegt hat, in ein neues Leben starten: als Trainer. Mit Junior-Camps, Kombi-Training Tennis & Fitness und Sandplatz-Vorbereitung von Freitag bis Sonntag. Die Rede ist von Daniel Brands, einst Nr. 51 der Welt, Davis-Cup-Spieler und vor zehn Jahren Achtelfinalist in Wimbledon. Verdammt lang her.

Nach 14 Profijahren auf der Tour, 60 Siegen und 93 Niederlagen, hat Brands im vergangenen Sommer seine Karriere beendet, in Wimbledon, wo er einen seiner größten Erfolge erlebt hat. Sein letztes Match dort verlor er am 1. Juli 2019 in der Quali, als Nummer 201 der Welt, gegen den Südkoreaner Soonwoo Kwon (Nr. 125), in vier Sätzen, der letzte endete 0:6. Ein trauriges Ende. Aber er wusste schon bei den French Open, dass es bald vorbei sein würde. Dort hatte er mal gegen Rafael Nadal gespielt, natürlich verloren, aber hey: Nadal! Das Foto von ihrem Handshake schmückt heute Daniel Brands' Website. "Zusammen machen wir dich besser", steht da in fetten Lettern; etwas kleiner: "Werfe einen Blick hinter die Kulissen des Profisports und verbessere Deine Fähigkeiten auf dem Platz!"; und ganz klein hinter den geschwungenen Initialen DB: "Professional Tennis Coaching, Personal Training". So soll sie aussehen, die Zukunft von Daniel Brands.

Im Juli wird er 33, eigentlich kein Alter für Tennisprofis, doch nicht jeder ist so unkaputtbar wie die ewigen Top 3 der Welt. Brands Karriere knickt, als ihn 2014 das Drüsenfieber erwischt und in der Weltrangliste von 57 auf 329 hinabspült. Come back stronger? Leider nicht. Motivationsprobleme, eine Knie-OP, die angepeilte Rückkehr in die Top 100 in weiter Ferne, dazu das ewige Herumreisen: "In den letzten Zügen meiner Tenniskarriere war das eher eine Belastung", sagt Brands, "jetzt genieße ich es einfach, zu Hause zu sein." Im 10 000-Einwohner-Städtchen Bogen bei Straubing, weit weg von den Metropolen der Tenniswelt.

Fehlt einem das nicht? Ein komisches Gefühl sei es anfangs schon gewesen, nur zu Hause zu sein, sagt er. Aber er habe sich daran gewöhnt, er liest jetzt mehr, hat angefangen Gitarre zu spielen, "das habe ich mir schon lange vorgenommen". Ganz weg vom Tennis wollte er nie. "Das ist einfach mein Leben", erzählt Brands, "wenn ich wie jetzt einige Wochen keinen Tennisball sehe, fehlt es mir schon. Ich bin da Experte und möchte das für die Zukunft nutzen, um anderen auf dem Platz zu helfen, egal ob Kreisliga oder Weltklasse." Er will nämlich auch den Profisport nicht ganz aus den Augen verlieren, "ich unterstütze und berate Matthias Bachinger, schaue von außen drauf und sage ihm, was ich sehe". Mit dem fast gleichaltrigen Bachinger hat er schon vor 20 Jahren auf dem Platz gestanden: "Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis, und ich glaube, dass er mir vertraut nach all den Jahren." Bachingers Werdegang ist dem von Brands nicht unähnlich: 2011 war er die Nummer 85 der Welt, derzeit die 268. Er will wieder da hin, wo er mal war. Headcoach bleibt Alexander Satschko, der in Garching Bundesliga spielt und auch Brands coachte, der wiederum ab und an mit Bachinger zu Turnieren fahren will, so wie heuer schon zweimal vor dem Corona-Lockdown. "Ich will nicht zu viel machen", sagt Brands, "weil Profisport viel reisen bedeutet. Ich mag nicht gleich wieder 15 bis 25 Wochen unterwegs sein".

Daher der Mix beider Welten: Kreisliga und Weltklasse. Von Oktober bis Februar absolvierte Brands den DTB-Sonderlehrgang für ehemalige Top-100-Spieler zum B-Trainer. Gar nicht so leicht: "Nur weil man 15 Jahre Profi war, heißt das nicht, dass man alles weiß", sagt er, die trockene Theorie war Neuland. Als praktische Prüfung musste er eine 20-minütige Trainingseinheit gestalten, Thema: Aufschlag und Return. Ausgerechnet, pfefferte Brands seine Aufschläge früher doch gern mit 230 Sachen übers Netz. "Das kam mir ein bisschen entgegen", sagt er bescheiden.

Er will noch den A-Trainer draufsatteln. Da er weiß, dass es eine Weile dauern wird, einen Kundenstamm für Coaching und Personal Training aufzubauen, wollte er heuer noch mal Bundesliga spielen, bei Rotweiß Köln. Beim TC Großhesselohe war nach einem Jahr Schluss: "Die wollten nicht unbedingt verlängern, wahrscheinlich auch, weil ich meine aktive Karriere beendet hatte." Das Geld von der mittlerweile abgesagten Saison sei eingeplant gewesen, nun zehre er von Rücklagen. Zwei Millionen Dollar Preisgeld hat er in seiner Karriere verdient: Klingt toll, ist aber verteilt auf 14 Jahre und angesichts der Reise- und Trainerkosten nicht die Welt. Aber: "Es gibt Leute, die durch die Krise viel härter getroffen werden. Dagegen geht's mir gut."

Wehmut, weil er sich nicht mehr mit den Besten messen kann? Fehlanzeige. Nicht mal das genaue Datum seines glatten Zweisatzsieges gegen Federer hat er parat: "Ich weiß nur noch den Tag: ein Donnerstag." Ab und zu, "wenn ich Roger im Fernsehen sehe", denke er schon an diesen Triumph, 2013 in Gstaad: "Schön, wenn man so was geschafft hat. Aber es ist nichts, woran ich jeden Tag denke. Irgendwann ist ja auch mal gut." Demut: Noch so ein Baustein, der auch in der Kreisliga dazugehört.

Warum er sich gerade den Rothof für seinen Neustart ausgesucht hat? "Da kann man sehr gut arbeiten", sagt Brands, "eine schöne Anlage mit vielen Möglichkeiten und einem tollen Gym." Aber es ist nicht nur das: "Früher war ich mit meinem Bruder zum Essen dort."

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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