Süddeutsche Zeitung

Tennis:Eintrittskarte zu den Profis

Der Oberschleißheimer Jeremy Schifris, 18, scheitert bei den Tennis-Open in Oberhaching - und schmiedet große Pläne.

Von Sebastian Winter

Als Jeremy Schifris im ersten Satz beim 2:2 und 30:40 den Breakball gegen sich souverän abwehrte, verbreitete er noch größten Optimismus: "Jo, come on", schrie der 18-Jährige, wie selbstverständlich gewann er dann sein Aufschlagspiel. Am Schluss schritt Schifris aber doch mit gesenktem Kopf ans Netz, nach dem 4:6 und 4:6 richtete er kurze Glückwünsche an Gegner Christoph Negritu. Schifris, der Tennisspieler aus Oberschleißheim, ist am Mittwoch also in der ersten Runde der Daikin Open, des mit 15 000 US-Dollar dotierten ITF-Turniers in Oberhaching, ausgeschieden. Überraschend war das nicht, denn während Schifris gerade den ersten Schritt ins Männertennis wagt, ist der sieben Jahre ältere Negritu wesentlich erfahrener. Weltranglisten-466. war Negritu vor einem Jahr, dann verletzte er sich, fiel zurück - und musste sich in Oberhaching durch die Qualifikation kämpfen. Im Gegensatz zu Schifris, der eine Wildcard erhielt in seinem sportlichen Zuhause.

Sportliches Zuhause deshalb, weil Schifris fast täglich in Oberhaching am Stützpunkt trainiert, in den Hallen, in denen diese Woche das ITF-Turnier stattfindet. Von 9 Uhr bis 17 Uhr ist er meistens da, zweimal Training, Fitness, Physiotherapie. Oft übt er dort auch gegen die deutschen Topspieler, wie Philipp Kohlschreiber.

Gegen Negritu spielte Schifris sehr ordentlich, allerdings hatte er kaum eine Chance, die brachialen Aufschläge seines Gegners zu retournieren. Sein eigener Aufschlag funktionierte aber auch, jedenfalls bis zum 4:4 im ersten Satz. Dann lag er durch zwei leichte Fehler mit 0:30 zurück, beim 15:40 zappelte Schifris' Vorhand im Netz - das erste Break. Auch die Banane, die Schifris beim Seitenwechsel aß, brachte nichts mehr, Negritu gewann den Satz.

Der zweite Satz verlief fast deckungsgleich: 4:4 und 0:30 aus der Sicht von Schifris, beim 30:40 haute er eine Vorhand unnötig weit ins Aus. Es waren kleine Unkonzentriertheiten, die den Linkshänder das Spiel kosteten. "Das ist natürlich ärgerlich, wenn man ansonsten relativ solide durchspielt", sagte Schifris nach dem Duschen.

Es war erst sein zweites Spiel in diesem Jahr, wegen der vielen Klausuren. Schifris steckt mitten in den Vorbereitungen zum Abitur, das er Ende April an der Fernschule in Schwetzingen ablegt. Bis dahin kommt auch kein weiteres Turnier mehr hinzu. Aber danach möchte Schifris, der als eines der größten deutschen Talente gilt, richtig loslegen auf der Männertour. "Ich freue mich riesig und erhoffe mir einiges, auch weil ich letztes Jahr gegen Top-200-Spieler nur knapp verloren habe."

Die Open in Oberhaching gelten mit ihrem geringen Preisgeld als Einstiegsklasse in die ITF-Tour, also in die zweithöchste internationale Männertour. "Das ist die Eintrittskarte für diejenigen, die international spielen wollen oder beispielsweise nach Verletzungen zurückkehren auf die Tour", sagt Turnierdirektor Christoph Poehlmann. Sie sind also genau zugeschnitten auf Spieler wie Schifris, der den Junioren gerade entwachsen ist, oder den lange verletzten Negritu. "Jeremy startet gerade, er versucht, Fuß zu fassen. Und er hat sich hier achtbar geschlagen", findet Poehlmann. Zumal der Schritt riesig sei zwischen Junioren- und Herrentennis, "was die Geschwindigkeit der Bälle, das Umfeld, die Professionalität angeht".

Schifris geht dieses Abenteuer ein, mit den Trainern und seiner Familie überlegt er nun, wie es weitergeht. Auch ein Umzug in die USA aufs College sei denkbar, erzählt er. Vor allem möchte er weiter an seiner Rückhand arbeiten, daran, "stabiler in den Ecken zu stehen". Seinen Aufschlag hat Schifris schon sehr verbessert, nun kommt der nächste Schritt: das aggressive Spiel nach vorne. Dafür schaut Schifris auch auf seine Ernährung: Er trinkt fast nur Wasser, isst viel Gemüse, streut Fleisch und Fisch ein. "Fast Food vermeide ich, das klappt auch ganz gut." Der Abiturient aus Oberschleißheim weiß ganz genau, dass es viele Faktoren braucht, um als Tennisprofi erfolgreich zu sein.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2020
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