Süddeutsche Zeitung

Tennis:Der Plan des Hyperrealisten

Der MTTC Iphitos will seine Spitzenspieler Simon und Hoiss auch im Abstiegsfall halten

Von Matthias Schmid

Nur noch die wenigsten Mitglieder des MTTC Iphitos können sich an die erstaunliche Partie gegen den TC Blau-Weiß Neuss erinnern. 25 Jahre liegt dieses legendäre 6:0 im Final-Rückspiel der Tennis-Bundesliga schon zurück. Ein gewisser Michael Stich führte damals im Jahr 1990 als Spitzenspieler die Münchner zum ersten und bisher einzigen Titelgewinn in der Beletage des deutschen Mannschaftstennis. Ein Jahr später sollte Stich, dieser dünne Lange aus Elmshorn, im Endspiel von Wimbledon Boris Becker besiegen. Es war eine schöne , eine aufregende Zeit. Vergessen ist sie beim MTTC nicht.

Das merkt Uli Kiendl wieder in diesen Tagen auf der Anlage am Aumeisterweg, wenn er die Gespräche belauscht. "Die Mitglieder reden wieder über einen möglichen Titelgewinn", sagt der Sportvorstand. Er ist selbst an der Erfolgsgeschichte beteiligt. Kiendl spielt für die Herren 30 des Vereins in der Bundesliga. Und sein Team hat sich mit dem Daviscup-Spieler Alexander Waske an der Spitze für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft qualifiziert.

Doch bevor es Anfang September in Ratingen um den zweiten Titel der Klubhistorie geht, muss Kiendl als Funktionär wohl den Abstieg der ersten Herrenmannschaft aus der zweiten Bundesliga Süd moderieren. Zwei Spieltage stehen noch aus, München ist Tabellenletzter und wartet als einziges Team noch auf den ersten Saisonsieg. Die Chancen, dass die Mannschaft noch auf sportlichem Weg den Klassenverbleib schafft, sind so wenig wahrscheinlich wie die Aussichten von Philipp Kohlschreiber, eines Tages in Wimbledon zu triumphieren. "Wir haben uns aber noch nicht aufgegeben und werden bis zum letzten Ballwechsel alles versuchen, die Klasse doch zu halten", sagt Kiendl vor dem letzten Heimspiel an diesem Freitag gegen den TC Blau-Weiß Dresden-Blasewitz (13 Uhr).

Der 34-Jährige ist beileibe kein Träumer, eher ein Hyperrealist, aber er weiß, dass im schnelllebigen Vereinssport aus den verschiedensten Gründen die Möglichkeit besteht, trotz drohenden Abstiegs auch im nächsten Jahr weiter in der zweiten Liga zu spielen. Im vergangenen Jahr hatte der MTTC Iphitos als Nachrücker davon profitiert, dass der Regionalligameister Landshut von seinem Aufstiegsrecht zurücktrat. Auch Iphitos hatte kurz überlegt und diskutiert, sich dann aber für die deutlich höherwertige zweite Liga entschieden. "Wir wollten unseren Spielern, die schon lange im Klub sind, die Chance auf Bundesligatennis nicht verwehren", sagt Kiendl. So ist es Teil des Plans, der auch finanziellen Zwängen folgt, in dieser Saison weitgehend auf ausländische Profis zu verzichten. An den beiden ersten Positionen spielten in Tobias Simon und Stephan Hoiss zwei Akteure, die schon lange fester Teil des Klublebens sind, sie trainieren beim MTTC und halten sich wie die übrigen Mitglieder an die besondere Etikette. Zur Eigenart gehört es beispielsweise, dass wie in Wimbledon in weißer Kleidung gespielt werden muss. Die Identifikation der Spieler mit dieser Folklore und den Mitgliedern ist Kiendl wichtig, "es gehört zu unserer Philosophie, dass wir nicht mit sechs Ausländern auflaufen und auf Teufel komm raus den Erfolg suchen".

Trotzdem haben sie nichts unversucht gelassen, um den drohenden Abstieg in die Regionalliga doch noch zu verhindern. So spielten am vergangenen Wochenende in dem Kroaten Franko Skugor und Marc Rath aus Österreich zwei ausländische Fachkräfte mit. Ohne den erhofften Erfolg. So verlor München das Spiel der beiden noch sieglosen Mannschaften gegen den TEC Waldau Stuttgart 4:5. Ob Skugor und Rath gegen Dresden und am Sonntag im letzten Saisonspiel beim TC Wolfsberg Pforzheim noch mal mitspielen, wollte Kiendl nicht verraten. Es deutet aber vieles darauf hin, dass Simon und Hoiss wieder die beiden Spitzenpositionen einnehmen werden. Hinter ihnen liegt eine ordentliche Saison, sie weisen im Einzel eine ausgeglichene Bilanz auf.

Das hat natürlich Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt. Das ist auch Kiendl bewusst. So denkt zum Beispiel der designierte Erstligaaufsteiger TC Bruckmühl-Feldkirchen darüber nach, Simon und Hoiss in seine Mannschaft zu locken. Doch der MTTC Iphitos will seine erfolgreichsten Spieler nicht abgeben, im Gegenteil. Kiendl ist sogar bereit, sein Budget für sie vollends auszureizen: "Wer uns schon so lange die Stange hält, soll dafür auch entsprechend honoriert werden", sagt der Sportvorstand. Zuvor sollen sie aber noch die Mannschaft zum Klassenverbleib führen - oder zumindest zum ersten Saisonsieg.

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SZ vom 07.08.2015
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