Süddeutsche Zeitung

Tennis:"Das war bei mir ein Auf und Ab"

Daniel Brands, 32, die ehemalige Nummer 51 der Welt, spricht im SZ-Interview über das Ende seiner Profikarriere, vertauschte Schläger und seinen Sieg gegen Roger Federer.

Interview von Ralf Tögel

SZ: Herr Brands, auf der Pressekonferenz zum ersten Heimspiel des TC Großhesselohe haben Sie Ihren Rücktritt vom Profitennis verkündet. Warum gerade da?

Daniel Brands: Eigentlich wollte ich noch etwas warten, habe aber spontan entschieden, dass es eine gute Plattform ist.

Im Sommer 2016 hatten Sie diesen Gedanken schon einmal. Was ist nun anders?

Damals hatte ich eine Phase, in der mir der Sport nicht mehr so viel Spaß gemacht hat. Bei jeder Reise und jedem Turnier dachte ich mir, warum mache ich das eigentlich?

Weil ein Leben als Tennisprofi nicht so spaßig ist, wie es aussieht?

Natürlich, man muss hart trainieren, es gibt viele Trainingsphasen, in denen man ein ziemlich straffes Programm fährt. Es ist wie ein ganz normaler Job, wir fangen um halb neun in der Früh an und kommen um sechs, sieben abends nach Hause. Wir trainieren zweimal täglich. Das ist kein Zuckerschlecken.

Und man spielt ja auch nicht immer vor der Haustür.

Definitiv.

Wir spielen 25 Turniere pro Jahr, manchmal auch mehr, man ist viel unterwegs, hat wenig Zeit für Familie und Freunde. Tennisprofi ist ein Beruf, der viele Entbehrungen mit sich bringt, es ist richtig harte Arbeit.

Von der Sie nun genug haben?

Ende 2017 hatte ich nach einer Knie-OP viel Zeit, mir über mein Leben als Tennisprofi Gedanken zu machen. Ich beschloss, noch einmal alles zu investieren, mit dem Ziel, innerhalb von zwei Jahren wieder in die Top 100 zu kommen. 2019 lief nicht so zufriedenstellend, dass ich einen Grund sähe, um weiterzuspielen. Ich bin von den Top 100 so weit weg, dass es nichts bringt, das noch unnötig in die Länge zu ziehen.

Am Sonntag ist Bundesliga-Heimspiel gegen Gladbach - mit Daniel Brands. Ganz hören Sie also nicht auf?

Nein, Tennis an sich macht mir ja noch Spaß, ich bin ja auch noch voll im Saft. Bundesliga ist Teamwettbewerb und daher etwas ganz Besonderes. Das gibt es sonst nur noch im Davis Cup, diese Saison möchte ich auf jeden Fall noch mitmachen. Wenn der Körper mitmacht, wäre es super, auch noch länger Liga zu spielen.

Und dann gibt es ja noch die Herren 30, die spielen auch in der Bundesliga.

(lacht ) Ja, aber in naher Zukunft sehe ich mich da noch nicht. Denn dann gibt es fast keinen Weg mehr zurück.

Sie sind 32 Jahre alt, 14 Jahre um den Globus gereist, haben zehn Challenger-Turniere gewonnen. Woran erinnern Sie sich besonders gerne?

Es gab viele schöne Momente: 2010, als ich unter den letzten 16 in Wimbledon war. Oder 2013 der Sieg gegen Roger Federer in Gstaad. Er ist auch für mich ein Idol, es ist eine Ehre, gegen ihn zu spielen, und nicht viele können sagen, ihn geschlagen zu haben. Dann die Teilnahme an mehreren Davis-Cup-Spielen. Es ist ein Traum für jeden Sportler, für sein Land anzutreten.

Sie waren die Nummer 51 der Welt. Was hat gefehlt für die ganz große Karriere?

Ich denke, das Potenzial wäre vorhanden gewesen. Ich hatte aber in entscheidenden Momenten auch Pech, als mich 2013 in meinem besten Jahr das Pfeiffersche Drüsenfieber bremste.

Aber Sie sind zurückgekommen und haben im vergangenen Sommer ein Challenger-Turnier in Italien gewonnen.

Das stimmt schon, aber ich bin auch ein Spieler, für den Selbstvertrauen nie selbstverständlich war. Ich musste mir das immer erarbeiten und erspielen. Und ich war auch nicht konstant genug, um mein Potenzial ganz auszuschöpfen. Wenn du in der Weltklasse mitspielen möchtest, ist das Selbstvertrauen entscheidend. Das war bei mir ein Auf und Ab.

Blicken wir zurück zum Anfang: Wann entscheidet sich, dass man eine Profikarriere einschlagen will?

Gute Frage. Ich habe das mit zwölf entschieden, ab dem Zeitpunkt gab es nur noch dieses Ziel. Als ich 18 war und die erste Zeit auf kleineren Turnieren gespielt habe, habe ich mich mit meinem Papa zusammengesetzt, um eine zeitliche Zielvorgabe zu definieren. Es macht keinen Sinn, viele Jahre auf kleinen Turnieren herumzutingeln. Je schneller man sich hochspielt, desto besser ist die Chance, ganz nach oben zu kommen.

Wie lautete also das Ziel?

Mit 22 Jahren unter die besten 250.

Und?

Ich war glaube ich so um die 180.

Der Sport ist das eine, der Sportler das andere. Was bleibt dem Menschen Daniel Brands nach dieser langen Zeit?

Da bleibt viel: Schöne Momente, die ich nicht missen möchte. Ich habe mich relativ früh durchs Tennis entwickelt, war früh gezwungen, selbständig zu handeln. Ich bin relativ jung um die Welt gereist. Hätte ich nicht professionell Tennis gespielt, hätte ich diese ganzen Erfahrungen nicht gemacht. Ich glaube, der Mensch, der ich heute bin, bin ich auch durch meinen Beruf.

Und Sie trafen die Frau fürs Leben.

Stimmt, bei den BMW Open. Meine Freundin ist heute Ärztin, während des Studiums half sie als Spielerbetreuerin aus.

Eine Anekdote, bitte.

2017 habe ich in der ersten Runde in Wimbledon gegen Gael Monfils verloren und bin danach ins Fitnessstudio für die Spieler, um mich auszudehnen. Stefanos Tsitsipas hat sich gerade für sein Match aufgewärmt, und weil wir den gleichen Ausrüster hatten, ist er mit meiner Schlägertasche auf den Platz gegangen. Ich habe dann im Fernseher seinen schockierten Blick gesehen, als er auf dem Platz in die Tasche geschaut hat. Dann kam schon sein Trainer angerannt.

Was würden Sie heute anders machen?

Vielleicht würde ich früher in eine renommierte Tennisakademie im Ausland gehen. Ich bin nur 2015 für ein Jahr in die Akademie von Magnus Norman in Stockholm, habe dort auch mit Stan Wawrinka trainiert. Ein Trainer der Akademie ist dann mit mir zu den Turnieren gereist. Ich habe sonst immer nur in Deutschland trainiert.

14 Jahre Profitennis, wie geht es Ihren Knochen?

Ich stehe körperlich ganz gut da. Ich hatte immer gute medizinische Betreuung und habe auf meinen Körper aufgepasst. Ich wusste, wann es an der Zeit ist, den Schläger mal ein paar Tage aus der Hand zu legen. Der regenerative Bereich war mir immer wichtig.

Man sagt, Tennis strengt im Kopf mehr an als in den Muskeln. Stimmt das?

Im Tennis ist das extrem. Wenn ich mal eine Pause gebraucht habe, war das meist mental bedingt, nicht körperlich. Da war ich teilweise ausgebrannt und müde.

Wie ist Ihr Plan für die Zukunft? Oder haben sie genügend zur Seite gelegt, um erst mal die Füße hochlegen zu können?

Nein, ich habe leider nicht ausgesorgt, das ist im Tennis auch schwierig, das schaffen nur wenige. Aber ich möchte dort bleiben. Der Sport hat mein ganzes Leben bestimmt. Ich habe die meiste Erfahrung im Tennis und glaube, es würde mir auch Spaß machen, anderen Tennis beizubringen, sei es im Leistungs- oder Breitensport. Deswegen mache ich Ende des Jahres meinen Trainerschein.

Die Kontakte in die Tennisbase Oberhaching sollten ja besonders gut sein.

Definitiv.

Das wäre eine Option?

Ich habe den ganz großen Teil meiner Karriere dort trainiert, deswegen kann ich mir ganz gut vorstellen, dort vielleicht mal zu arbeiten. Aber es gibt nichts Konkretes, ich lasse das auf mich zukommen, um in Ruhe zu sondieren. Es gibt viele Kontakte, die ich in meiner Laufbahn gemacht habe.

Ein vergleichbar erfolgreicher Fußballer hätte wohl ausgesorgt. Sind Tennisspieler unterbezahlt?

Ich finde, es gibt relativ viel Geld im Tennis, es ist aber nicht richtig verteilt. Gerade bei Grand-Slam-Turnieren wird zu viel auf die letzten Runden verteilt, an Spieler, für die es keine so wichtige Rolle spielt.

Wie sollte es sein?

Ab der ersten Qualirunde sollte viel mehr Geld ausgeschüttet werden, sodass sich die Spieler, die in der Weltrangliste zwischen 200 und 250 stehen, nur durch die vier Grand-Slam-Qualifikationsteilnahmen ein Jahr über Wasser halten könnten, auch wenn sie den Trainer ab und zu mitnehmen. Das ist momentan nicht möglich.

Vielleicht reisen Sie ja selbst bald als Trainer zu solchen Turnieren. Warum sollte man den Trainer Daniel Brands buchen?

Ich habe mit vielen Trainern zusammengearbeitet, die unterschiedlich arbeiten, kenne wahnsinnig viele Übungen zu verschiedenen Bereichen im Tennis, habe viel über Intensitätssteuerung gelernt, weiß, wie man die Konditionskomponente integriert. Ich kenne mich aus mit Trainingssteuerung und glaube, das alles gut weitergeben zu können. Es ist ein erheblicher Erfahrungsschatz, der Gold wert ist, wenn man als Trainer arbeiten möchte. Und den nicht viele andere vorzuweisen haben.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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