Süddeutsche Zeitung

Tennis:Aufgestiegen, um zu bleiben

"Megacool": Der TC Großhesselohe kehrt nach 16 Jahren in die Bundesliga zurück. Der Erfolg soll keine Episode sein.

Von Matthias Schmid, Pullach

Sebastian Ofner nahm die Verwarnung der Stuhlschiedsrichterin billigend in Kauf. Seine Wut über sich selbst musste in diesem Moment einfach raus, nachdem er leichtfertig eine Führung gegen Matteo Viola verspielt hatte. Er drosch also den Ball über den benachbarten Platz hinweg auf den Court, wo gerade sein Mitspieler Lukas Miedler spielte. 40, 50 Meter weit flog der Ball, den der Zweitligaspieler des TC Großhesselohe missbrauchte, wie das Vergehen im Tennis heißt.

Der sogenannte "Ball abuse" half dem Österreicher am Sonntag aber über eine schwächere Phase hinweg. Das Aufstiegsspiel gegen den TSV 1860 Rosenheim war auch ein Nervenspiel, es ging in der zweithöchsten deutschen Spielklasse zwischen den beiden punktgleichen Teams nicht nur um die Meisterschaft, sondern auch um die damit verbundene Versetzung in die erste Bundesliga. Und da bekommen auch weit gereiste Tennisspieler wie Ofner plötzlich einen schweren Arm. Auch Miedlers Bälle waren zu kurz, er schwang nicht richtig durch, sodass sein Kollege Kevin Krawietz von draußen rief: "Lass' den Arm laufen, Luki!" Das tat Miedler dann auch und siegte, genauso wie Ofner. Da auch Dennis Novak, Kamil Majchrzak und Florian Mayer jeweils gewannen, stand nach etwas mehr als dreieinhalb Stunden fest, dass Großhesselohe in der nächsten Saison in der Bundesliga mitmischen darf - zum ersten Mal nach 16 Jahren wieder.

Dem früheren deutschen Davis-Cup-Spieler Mayer blieb es dabei vorbehalten, den noch erforderlichen fünften Punkt zu holen. Es war ein schöner Erfolg im Jahr seines Abschieds vom Profitennis. Der 34-Jährige kann sich aber durchaus vorstellen, sich im nächsten Jahr so in Form zu bringen, dass er in der Bundesliga konkurrenzfähig ist: "Darauf habe ich Lust." Die makellose Bilanz am Sonntag machte dann Matthias Bachinger perfekt, indem er dem TCG noch den sechsten Sieg im sechsten Einzel bescherte. "Es ist megacool, dass wir nun in die Bundesliga aufsteigen", schwärmte der gebürtige Münchner. Die bedeutungslosen Doppel gab Großhesselohe kampflos ab.

"Wir geben nicht zwei Jahre Vollgas, um nur ein Jahr in der Bundesliga spielen zu können."

Bernard Eßmann verfolgte die Matches aus sicherer Entfernung im Schatten. Der Präsident des TCG hat es in den vergangenen Jahren ermöglicht, dass sich Großhesselohe "einen starken und breiten Kader leisten konnte", wie es Christopher Kas ausdrückt. Der Teammanager hatte an diesem Tag eine Baseballkappe mit dem passenden Motto aufgesetzt: "Lecko mio." Es war in der Tat beeindruckend, wie die Pullacher im entscheidenden Moment gegen spielstarke Gegner "ihre Form abgerufen haben", wie es Eßmann ausdrückte. Das war in den Tagen davor nicht abzusehen gewesen. Mayer, Bachinger oder auch Novak waren bei ihren Turnierauftritten ziemlich neben sich gestanden. "Ich hatte für das Spiel gegen Rosenheim gemischte Gefühle", gab Eßmann zu. Aber seine Sorgenfalten auf der Stirn waren schnell Lachfalten im Gesicht gewichen. "Es ist toll, wie sie das alle gemeistert haben."

Er ist selbst gespannt, wie sich die Mannschaft in der Bundesliga aufstellt. Wer Eßmann und Kas kennt, weiß, dass sie sich mit Mittelmaß nicht zufriedengeben. Ihnen genügt es nicht, ein Jahr in der ersten Liga mitzumischen. Sie sehen das als langfristiges Projekt. "Wir geben nicht zwei Jahre Vollgas, um nur ein Jahr in der Bundesliga spielen zu können", bestätigte Eßmann. Dann gesellte er sich zu den Spielern, um mit ihnen den Tag angemessen ausklingen zu lassen.

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Quelle:
SZ vom 13.08.2018
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