Süddeutsche Zeitung

Talentiade 2019:Balljägerin und Titelsammlerin

Optisch erinnert Julia Pollak an Edgar Davids. Ihr Weg vom TSV Ebersberg in den Profisport folgt aber eher dem Beispiel von Florian Niederlechner.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Fahrradfahrer und Fußballer unterscheiden sich schon allein dadurch, dass man auf einem Mountainbike selten einen Ball auf die Nase bekommt. Die Abwehrspielerin Julia Pollak hat schon so manchen Kopfball weggesteckt, wobei sie einen kleinen Nachteil hat: Die 17-Jährige trägt auf dem Platz eine Sportbrille. Weil ihr Körper zu wenig Tränenflüssigkeit produziert, verträgt sie keine Kontaktlinsen. Und so trägt sie eine Spezialanfertigung, die bei Kopfbällen bisweilen schmerzvoll auf die Nase drückt.

Am Mittwoch wird die Ebersbergerin zusammen mit ihrem früheren Verein, dem TSV Ebersberg, mit einem Talentiade-Preis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet. Bevor es so weit ist, ist sie mit ihrem P-Seminar vom Gymnasium Grafing unterwegs auf einer Alpenüberquerung bis nach Kaltern in Südtirol. Vor der Rückreise am Freitag posten die Teilnehmer auf Instagram Fotos von ihrer Tour. Und siehe da: Pollak trägt auch beim Bergradeln jene Sportbrille, mit der man sie sonst nur auf dem Spielfeld sieht. Sie erinnert damit ein wenig an den Niederländer Edgar Davids, Mittelfeldkämpfer und Sportbrillenträger - und nicht zuletzt wegen der Brille eine Legende bei den Fans von Ajax Amsterdam und Juventus Turin.

Am Dienstagnachmittag ruft Julia Pollak an, gerade ist die Gruppe in Bozen am Hostel angekommen. Sie telefoniert von ihrem Zimmer aus, das sie sich mit zwei Mitschülerinnen teilt. Fast wie beim FC Bayern, sagt sie, "da bin ich meistens mit der Emelie Bernhardt in einem Zimmer". Bernhardt ist wie Pollak 17 Jahre alt, beide spielen in der Abwehr - und feierten vor zwei Monaten gemeinsam einen großen Erfolg.

Mitte Mai hat Julia Pollak den wahrscheinlich wichtigsten Elfmeter ihrer bisherigen Laufbahn geschossen. Im Endspiel der U 17-Europameisterschaft zwischen Deutschland und den Niederlanden holte sie mit dem DFB-Nachwuchs den Titel und erzielte dabei das wichtige 2:2 im Elfmeterschießen. "Ich hab gleich gesagt, dass ich schießen werde", erzählt sie. Dann war sie im Tunnel, "total konzentriert und voll überzeugt, dass ich den reinhaue". Vor einem Jahr unterlag Pollaks Team im Finale Spanien. Diesmal holten sie den Titel.

Julia Pollak will sich nun beim FC Bayern etablieren, dem Klub, der mittlerweile auch im Frauenbereich zum besten zählt, was es in Deutschland gibt. Hat sie das Zeug zum Profi? Nachfrage bei einem, der sie seit vielen Jahren kennt, auf und neben dem Platz. Martin Schedo, 56, ist Vorstand des TSV Ebersberg, bei ihm im Verein hat Pollak begonnen und stets bei den Buben mitgespielt, unter anderem weil die Ebersberger keine Frauenmannschaft haben. "Ihre Teamkameraden haben nur sehr ungern gegen sie gespielt", sagt Schedo. Auffällig sei ihre Dynamik und Zweikampfstärke gewesen: "An ihr sind die Jungs nicht vorbei gekommen, sie hat ihnen jedes Mal den Ball abgejagt."

So ging das bis zur C-Jugend. Dann folgte der Ruf des FC Bayern. Julia Pollak ist damit der zweite prominente Weggang des TSV. Der bis dato erfolgreichste Fußballer aus der Kaderschmiede des TSV Ebersberg ist Florian Niederlechner aus Hohenlinden, der sechs Jahre beim TSV Ebersberg gespielt hat und Profi wurde, lange beim SC Freiburg, nun beim FC Augsburg. Julia Pollak spielte zuletzt in der zweiten Mannschaft des FC Bayern in der zweiten Liga - und gewann die Meisterschaft. An diesem Samstag soll sie mit der ersten Mannschaft zu einem Testspiel nach Zürich fahren. Was bedeuten würde: von Südtirol nach Ebersberg - eine Nacht schlafen - und dann weiter in die Schweiz.

Es sind also die letzten freien Tage, ehe es wieder ernst wird. Für nächsten Mittwochabend ist Julia Pollak vom Training freigestellt, da geht es ins SZ-Hochhaus zur Preisverleihung. Am Dienstag aber war sie mit ihren Mitschülern beisammen, "bei angenehmen 25 Grad". Nach einer Nacht im Hostel ging es weiter, mit Helm und Sportbrille. Eine Spezialanfertigung von einem Optiker aus Ebersberg, der sein Handwerk offenbar versteht. An der Seite sei die Sicht zwar leicht eingeschränkt, "aber ich habe mich so dran gewöhnt, dass ich kaum mehr einen Unterschied merke", sagt Julia Pollak. Nur manchmal, wenn der Ball ungünstig auf der Nase landet.

Zum zehnten Mal hat die Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Wochen herausragende Talente gesucht und Sportvereine, die sich besonders um die Nachwuchsarbeit verdient gemacht haben.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019/bica
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