SZ-Serie: Fanbeziehung:Bunte Mischung

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Queerpass, der erste schwul-lesbische Fanklub des FC Bayern, vereinte den Kampf gegen Homophobie, Sexismus und Rassismus mit dem Fan-Sein - bis es zur Spaltung kam.

Von Philipp Jakob

"Liebe hat kein Geschlecht": Ein Banner vor der Südkurve der Bayernfans. (Foto: privat / oh)

Am Anfang, da ist sich Mario Weiße sicher, hat der FC Bayern München nicht ganz verstanden, um was es ihnen geht. 2006 war das, als der langjährige Fan des deutschen Rekordmeisters zusammen mit Dirk Brüllau einen neuen Fanklub beim FCB anmeldete: Queerpass Bayern. "Die werden sich auch gedacht haben, warum schreiben die das mit Doppel-E?", glaubt Weiße. "Aber sie haben bestimmt nicht weiter darüber nachgedacht."

Das dürfte sich in den vergangenen elf Jahren gründlich geändert haben. Mittlerweile, da ist sich Weiße ebenso sicher, wisse der Verein, für was Queerpass steht. "Wir tragen zu unserem FCB-Fan-Sein auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag mit uns herum", erklärt der 44-Jährige, "wodurch wir eben kein x-beliebiger rot-weißer Fanklub sind." Vielmehr ist Queerpass Bayern der erste Fanklub des FC Bayern München für Schwule, Lesben und Transgender - "queer" eben.

Nur jeden zweiten Samstag das Regenbogenfähnchen in der Stadionkurve zu schwenken, war Mario Weiße (oben) auf Dauer zu wenig – trotz bemerkenswerter Choreografien. Er möchte sich auch politisch gegen Homophobie engagieren. (Foto: privat)

Aufgewachsen in Niederbayern zog es Weiße Anfang der 90er-Jahre in die bayerische Landeshauptstadt. In München entdeckte der gebürtige Liechtensteiner seine Leidenschaft für das runde Leder und den FC Bayern. Seit nun mittlerweile 17 Jahren besucht er die Spiele des Rekordmeisters - seit 2006 gemeinsam mit den Mitstreitern von Queerpass Bayern.

Zusammengekommen sind sie auf einer Online-Plattform für Schwule. "Auf dieser Seite kannst du Gruppen mit Interessensgemeinschaften anlegen, zum Beispiel einen Madonna-Fanklub, eine Wander-Gruppe oder einen Fetisch-Klub", erzählt Weiße. "Wir hatten als gemeinsames Interesse den FC Bayern." Schnell kam der Wunsch auf, die Gespräche aus dem Online-Forum in das reale Leben zu übertragen. "Man hat über Fußball und den FC Bayern, den vergangenen Spieltag oder Neuverpflichtungen gequatscht", sagt Weiße. Zu diesem Zeitpunkt saßen die Mitglieder von Queerpass Bayern allerdings verstreut im Stadion. Wer keine Jahreskarte hatte, nahm eben das Ticket, das er ergattern konnte. "Da hattest du nicht diese Gruppendynamik und warst auch in deinem Engagement gebremst", sagt Weiße. Deshalb entschied sich der Fanklub zu einem gemeinsamen Umzug in die Südkurve, auch um die Kräfte im Kampf gegen Homophobie, Sexismus und Rassismus zu bündeln. Dort passten sie mit ihren Idealen sehr gut hin. Der Fanklub fand in der Schickeria eine Ultra-Gruppierung vor, die für ihr Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung mit dem Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball-Bundes ausgezeichnet wurde. Laut Weiße gebe es durch die Selbstreinigung in der Südkurve so gut wie keine homophoben Beschimpfungen gegen Spieler oder Schiedsrichter. Mit eigenen Aktionen versuchte Weiße mit Queerpass Bayern zudem immer wieder ein Zeichen gegen Homophobie und Rassismus zu setzen. Sei es mit Hilfe von Vorträgen und Ausstellungen bei verschiedenen Veranstaltungen, Auftritten beim Christopher-Street-Day oder auch mit Choreografien im Stadion. So entstand im November 2014 etwa die Choreo "Love has no gender!" - eine von Queer Football Fanclubs, dem Dachverband schwul-lesbischer Fußballfanklubs in Europa, initiierte Gemeinschaftsaktion, die auch von der Schickeria unterstützt wurde.

"Es war ein super lockeres Verhältnis zu der Zeit", beschreibt Weiße die Beziehung seines Fanklubs zu den Ultras. Letztere machten zudem auf sich aufmerksam, als sie die Geschichte des jüdischen Bayern-Präsidenten Kurt Landauers aus den Archiven ausgruben. Auch Queerpass Bayern wollte etwas zur Aufarbeitung der Vereinsgeschichte beitragen.

(Foto: N/A)

"Für viele beginnt die Geschichte des FC Bayern München irgendwann in den 70er-Jahren, als Beckenbauer und Co. recht erfolgreich waren", so Weiße. "Aber was alles davor gewesen ist, das ist kaum bekannt." So wie die Geschichte von Angelo Knorr. Knorr war der vierte Präsident des FC Bayern und leitete ab 1907 sechs Jahre lang die Geschicke des Vereins. Er trieb die Professionalisierung der Mannschaft voran, organisierte Testspiele gegen ausländische Klubs, was seinerzeit eine Attraktion war, und engagierte einen hauptamtlichen, englischen Trainer. Im Jahre 1913 endete Knorrs Zeit als FCB-Präsident allerdings abrupt. Der Chemiker wurde von der Polizei verhaftet. Der Grund? Er war schwul.

Zur damaligen Zeit galt Homosexualität als "widernatürliche Unzucht" und war sogar im Reichsstrafgesetzbuch verankert. Knorr war als Resultat dieses Skandals gesellschaftlich am Boden und legte all seine Ämter beim FC Bayern nieder. Sein Nachfolger wurde Kurt Landauer.

Die Aufarbeitung der Geschichte des schwulen FCB-Präsidenten Angelo Knorr führte zum Bruch

Queerpass Bayern griff dieses Thema auf, sammelte Informationen und nahm Kontakt zu Anton Löffelmeier auf, der die Geschichte von Angelo Knorr rekonstruiert hatte. Zu einem geplanten Themenabend kam es aber nicht. Interne Querelen im Fanklub sorgten dafür, "dass man sich erst mal mit sich selber beschäftigt hat", gesteht Weiße. Schließlich kam es sogar zur Spaltung von Queerpass Bayern.

Von 74 Mitgliedern verließen etwa 30 den Fanklub. "Man konnte sich in der politischen Ausrichtung des Fanklubs nicht mehr einigen", erklärt Weiße. Er selbst hat seine aktive Mitgliedschaft in eine passive umgewandelt, um nicht alle Verbindungen zu kappen. Während sich Queerpass Bayern fast ausschließlich auf das eigentliche Fan-Sein im Stadion konzentriert, gründete Weiße Anfang Juni einen weiteren Fanklub: Queerpass International. Mit ihm möchte er sein politisches Engagement ausbauen. Nur jeden zweiten Samstag das Regenbogenfähnchen in der Kurve zu schwenken, sei langweilig geworden, erklärt Weiße: "Ich sehe einfach nicht mehr den Fokus ausschließlich auf der Südkurve." Der Kampf gegen Homophobie ist für ihn eben wichtiger als die sechste Meisterschaft des FC Bayern nacheinander.

SZ-Serie, Folge 2. Bisher erschienen: Bigreds, Basketball (10. August)

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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