Süddeutsche Zeitung

SZ-Aktion "Coaches' Challenge":Der Romantiker

Carl Eggert spielt seit fast 30 Jahren Hockey. Als Sportlicher Leiter beim TuS Obermenzing hat er es sich zur Aufgabe gemacht, stetig neue Jugendtrainer zu finden - und das neben Vollzeitjob und eigenem Training.

Von Alina Götz, München

Im Rahmen der Coaches' Challenge haben die Dr.-Ludwig-Koch-Stiftung und die Süddeutsche Zeitung besonders engagierte Übungsleiter gesucht, die nun ein Jahr lang finanziell von der Münchner Stiftung gefördert werden. Die zwölf von der Jury ausgewählten Preisträger werden aktuell in der SZ vorgestellt. Hier Teil vier über Carl Eggert.

Seit Carl Eggert vier Jahre alt ist, spielt er Hockey beim TuS Obermenzing. Heute ist der 31-Jährige Sportlicher Leiter, Kapitän der ersten Herrenmannschaft und Trainer - am liebsten von, genau: den Vierjährigen. "Bei den Kleinen ist die Stimmung toll, die sind immer glücklich. Und man kann ihnen am meisten beibringen - auch, wenn es anstrengend ist", sagt Eggert.

"Mit seinen Mannschaften hat er öfters Vereinsgeschichte geschrieben", heißt es in Eggerts Bewerbung für die Coaches' Challenge, die der Vereinsvorsitzende Peter Zahren verfasst hat: Auf die deutsche Endrunde 2011 mit der weiblichen B-Jugend folgten weitere deutsche Meisterschaftsteilnahmen mit den männlichen Jugendmannschaften.

Eine Zeit lang hat Eggert vier, fünf Mannschaften betreut. Heute bleibt ihm nur noch Zeit für die zweiten Herren, die abends trainieren - aktuell natürlich online. Denn in der Werbeagentur, in der Eggert als Innovationsberater arbeitet, "bleibt es nicht immer nur bei 40 Stunden". Und er selbst spielt ja auch noch: In der ersten Mannschaft, mit der er 2019 in der Halle in die zweite Liga aufgestiegen ist. "Ein Highlight", sagt Eggert, "sportlich und emotional": Mit dabei waren Jungs, die er schon trainiert hat, als sie zehn Jahre alt waren. "Mit so vielen Spielern aus der eigenen Vereinsfamilie aufzusteigen, die ich auch alle als Jugendspieler trainiert habe, war für mich der schönste Moment meiner Karriere." In der Saison 2019/20, vor der Pandemie, konnten sie sich sogar in der Liga halten.

Dass die Sportart dem Rücken schadet? Das Gegenteil sei der Fall, erklärt Eggert

Eggert war in der Jugend Torwart. Erst bei den Männern habe er sich aufs Feld getraut, "weil ich mich nicht mehr weiterentwickelt habe". Nun spielt er als Libero. Weil er bei Ecken schießt, war er dennoch oft Torschützenkönig seiner Mannschaft. Mit seinem Trainer diskutiert er ab und an, ob er wieder in den Sturm darf, wo er direkt nach seiner Keeper-Laufbahn begonnen hatte. "Doch meist ist die Stabilität hinten gewünschter als die Risikofreude", sagt Eggert und lacht.

Hockey mag er vor allem, weil es ein Teamsport ist. Und auch, weil Mädchen und Jungs in jungen Jahren gemischt spielen. "Im Fußball stehen Mädchen sehr im Schatten der Jungs, aber die Hockeymädchen sind sehr gut, auch im Nationalsport." Entgegen der Befürchtung von Laien, dass der Sport dem Rücken schadet, stärke dieser die Rückenmuskulatur sogar in der Tiefe, erklärt Eggert. Auch die Verletzungsgefahr sei klein, weil es keinen Körperkontakt gibt.

Als Sportlicher Leiter kümmert er sich seit 2017 um den Trainingsbetrieb in der Hockeyabteilung. Sind die Mannschaften gut betreut? Wer übernimmt welches Team? Sind die Trainer glücklich? Was sagen Eltern und Spieler? "Er hat immer ein offenes Ohr", schreibt Peter Zahren. Trotz der vielen Fragen, mit denen sich Eggert beschäftigen muss, sieht er den Job nicht als Arbeit. Viel Platz für etwas anderes bleibt aber nicht mehr.

Eggert fokussiert sich derzeit darauf, junge Nachwuchstrainer im eigenen Verein zu fördern. Ausschließlich hauptamtliche Trainer - der Verein hat zwei - könne man sich nicht leisten. "Uns ist zudem wichtig, dass es familiär bleibt." So gibt es interne Schulungen, Events mit bekannten Hockey-Gesichtern wie Stefan Kermas, damaliger Nationaltrainer. Mit 16 Jahren können die jungen Talente dann die Trainerausbildung beginnen. "Dabei unterstützen wir auch finanziell."

"Die Trainer sind unfassbar kreativ, machen Schnitzeljagden, führen Interviews mit Nationalspielern."

Wieso finanziell unterstützen? Sind nicht alle Hockeyspieler weiß und reich? Ein verbreitetes Klischee, das auch Eggert schon oft begegnet ist. "Ich will es nicht abstreiten, finde es aber sehr schade." Diversität mache Spaß, sagt er, im Verein seien auch Spieler verschiedener Nationalitäten. Woher dieses Stigma kommt, weiß Eggert nicht. "Hockey ist nicht viel teurer als Fußball. Ein Schläger kann natürlich viel kosten, muss er aber nicht."

Aktuell sind die Kosten für die Hockeyabteilung in Obermenzing jedoch höher als in anderen Sparten. Das war früher anders, sagt Eggert. Die Beiträge zu erhöhen, "war eine richtig schwere Entscheidung, weil wir für jeden offen sein wollen". Man habe es vor drei Jahren getan, um den steigenden Erwartungen der Eltern gerecht zu werden und in der Konsequenz die hauptamtlichen Trainer einzustellen. Ein Dilemma für den selbsternannten "Vereinsromantiker" Eggert. "Das Familiäre ist hier sehr schön, aber wenn du oben mitspielen willst, brauchst du eine gewisse Professionalität."

Mit seinen jungen Trainern ist Eggert zufrieden, vor allem während der Pandemie: Es habe ihn überrascht, dass selbst mit Fünfjährigen Zoom-Training funktioniere. "Die Trainer sind unfassbar kreativ, machen Schnitzeljagden, führen Interviews mit Nationalspielern." Trotzdem: So wie jetzt, in Kleingruppen auf dem Platz, ist es doch besser.

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