SV Heimstetten:Schneller, als man jubeln kann

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Ein paar falsche Entscheidungen: Lukas Riglewski (rechts) hätte viel mehr als zwei Tore erzielen können. (Foto: Claus Schunk)

Binnen dreieinhalb Minuten gleicht der SV Heimstetten gegen Bayreuth einen 0:3-Rückstand aus - um dann doch noch durch einen Freistoß in der 87. Spielminute zu verlieren.

Von Matthias Schmid, Kirchheim

Der ganze Frust, die Wut, die Verzweiflung mussten irgendwie raus, nachdem der Schiedsrichter das verrückte Spiel abgepfiffen hatte. Also malträtierten die Fußballer des SV Heimstetten mit den Füßen alles, was sich ihnen in den Weg stellte, die Werbebande, Trinkflaschen, das Plexiglas der Auswechselbank. Es war ein merkwürdiger Gefühlscockta---il, irgendwo zwischen Niedergeschlagenheit, Verwunderung und Stolz, der sich da in jedem einzelnen Spieler des Regionalligisten nach dem 3:4 am Samstagnachmittag gegen die SpVgg Bayreuth gebildet hatte. 0:3 lagen die Heimstetter nach der Pause zurück, um dann in denkwürdigen dreieinhalb Minuten zum 3:3 auszugleichen - und dann doch noch als traurige Verlierer vom Platz zu schleichen. "Die Niederlage tut extrem weh", gab Stürmer Lukas Riglewski danach zu, "aber die zweite Hälfte sollte uns viel Selbstvertrauen geben."

Der Trainer rätselt, wie er die irre Partie deuten soll. "Im Moment bin ich nur maßlos enttäuscht."

Sein Cheftrainer Christoph Schmitt wusste dagegen nicht so recht, wie er das 13. sieglose Spiel in Serie samt irrer Aufholjagd zu deuten hatte. "Da bin ich überfragt", sagte der 33-Jährige ehrlich: "Im Moment bin ich nur maßlos enttäuscht."

Es war in der Tat für alle Beteiligten schwierig, ihre wirren Gedanken zu sortieren, zu viel war passiert an diesem Nachmittag, viel Aufbauendes, aber auch vieles, was den Tabellenletzten Heimstetten noch weiter herunterziehen dürfte. Die Partie hatte mit einer Riesenchance für die Heimmannschaft begonnen, bereits in der dritten Minute war Riglewski allein aufs Tor von Sebastian Kolbe geeilt, 20, 30 Meter musste er zurücklegen, bis er den Strafraum erreichte. Eine gefühlte Ewigkeit. "Ein, zwei Gedanken hatte ich da zu viel", gab er zu, denn anstatt den Ball über den herauseilenden Torhüter zu lupfen, schoss er ihm flach in den Fuß. Riglewski allein hätte für ein entspanntes Spiel aus Heimstettener Sicht sorgen können, denn in der 29. Minute bot sich ihm wieder eine Gelegenheit von bester Qualität. Am rechten Strafraum tänzelte er seinen Gegenspieler leichtfüßig aus, schaute, schlenzte ins lange Eck - doch der Torhüter hatte alles vorausgeahnt und parierte den Ball. Abschlag, eine Kopfballverlängerung - Tor für Bayreuth durch Christoph Fennniger. "Ein billiges Tor", wie Trainer Schmitt genervt feststellte. Wieder mal. Abermals Riglewski hätte schnell ausgleichen können (41.). Der 24-Jährige war wieder allen enteilt und lief in den Strafraum, diesmal chippte er den Ball, anstatt ihn flach zu schießen. Das Manöver misslang, Kolbe fing den Ball und Riglewski räumte ein: "Ich habe da zweimal die falsche Entscheidung getroffen."

Nach der Pause häuften sich die Fehler bei Heimstetten, Bayreuth kam zu zwei schnellen Toren ganz ähnlicher Bauart: Flanke, Kopfballbogenlampe, Tor. Zunächst traf Shpetim Sulejmani (48.) zum 2:0, ehe abermals Fenninger auf 3:0 erhöhte. Die Entscheidung. Dachte jeder. Auch Schmitt, der zugab, nach dem 0:2 noch mutig hatte wechseln zu wollen. Nach dem dritten Gegentreffer verzichtete er darauf, um seine Mannschaft "nicht weiter zu verunsichern", wie er eingestand. Er fürchtete weitere Gegentreffer. "Aber wir sind nicht eingebrochen", hob Riglewski hervor, "und haben nicht mit 0:5, 0:6 verloren." Im Gegenteil: Es begann nun eine Phase, die irrwitziger nicht sein konnte und Schmitt zeigte, "dass die Mannschaft intakt ist, Bock hat und sich nicht aufgibt". In der Tat stimmte die Körpersprache, es gab keine Schuldzuweisungen, sondern gegenseitiges Aufmuntern. Erst recht, als Riglewski den Torhüter foppte und zum 1:3 einschob (61.). Was nun folgte, ist mit herkömmlicher Sportpsychologie nicht zu erklären, es mussten noch andere Mächte mitspielen: Fabio Sabbagh schloss ein feines Solo an mehreren staunenden Bayreuthern vorbei mit dem 2:3 ab, nur 45 Sekunden nach dem ersten Treffer. Die Leute draußen konnten gar nicht so schnell jubeln, wie die Spieler ihre Tore schossen, es vergingen nur 165 Sekunden, bis Riglewski zum 3:3 ausglich. Drei Tore in dreieinhalb Minuten sind rekordverdächtig. Aber das Spiel war nicht vorbei. Sollte Riglewski zwei Minuten später auch noch zum 4:3 treffen? Er legte sich den Ball zurecht, 20 Meter, günstige Position. Doch seinen Freistoß lenkte Bayreuths Torhüter über die Latte.

"Wir haben gezeigt, dass wir gut genug für die Regionalliga sind", urteilt Lukas Riglewski

"Als Trainer kannst du in so einer Phase von draußen nicht mehr viel beeinflussen", sagte Timo Rost. Der frühere Profi und Bayreuther Fußballlehrer versuchte es trotzdem und ließ fortan mit zwei Spitzen spielen. Und irgendwie passte es ins Bild der missratenen Saison, dass nach dem Schlusspfiff nicht Heimstetten, sondern Bayreuth den Sieg feierte. Patrick Weimar hatte einen Freistoß aus 20 Metern flach ins Torwarteck verwandelt (87.).

Unmittelbar danach begannen die Heimstettener mit der Trauerarbeit. Aber ans Aufgeben denkt keiner, trotz des schmerzvollen Gegentreffers. "Der Rückstand in der Tabelle ist gering, und wir haben gezeigt, dass wir gut genug für die Regionalliga sind", sagte Lukas Riglewski und hörte, wie ein Mitspieler die Faust gegen die Wand der Auswechselbank schlug.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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