Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:Superbitter

Die Hachinger führen in Uerdingen beim Aufstiegsaspiranten der dritten Liga schnell 2:0, können letztlich aber trotz Überzahl über das 2:2 froh sein.

Von Christoph Leischwitz

Auch am nächsten Tag wussten die Hachinger noch nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollten. "Der Punkt geht in Ordnung, tut aber weh", sagte Luca Marseiler nach dem 2:2 beim KFC Uerdingen. Die Aufholjagd, das hatten sie am vergangenen Samstag beim fulminanten 5:4 gegen Würzburg gezeigt, haben sie bei der SpVgg Unterhaching schon gut drauf. Da hatten sie ein 2:4 in sechs Minuten in ein 5:4 verwandelt. Eine Führung zu halten oder die Initiative zu ergreifen, das klappte am Dienstagabend aber nicht gerade gut. Dabei waren die gleichen Stärken und Schwächen zu beobachten wie schon zum Saisonstart vor einem Jahr: Auf der einen Seite schießt das Team viele Tore. Auf der anderen Seite bekommt es viele Tore.

Die erste Halbzeit geriet den beiden Drittligisten höchst abwechslungsreich. Auch deshalb, weil die Uerdinger sich haarsträubende Fehler in der Abwehr leisteten. Marseiler hatte beim 1:0 nach gut vier Minuten auch Glück: Sein Schuss vom Strafraumrand wurde abgefälscht, sodass sich der ehemalige Hachinger Keeper Lukas Königshofer vergeblich nach dem Ball streckte. Beim 2:0 aber hatte Moritz Heinrich ungefähr so viel Platz wie die gut 2500 Zuschauer, die sich in der riesigen Düsseldorfer Arena ausbreiten konnten: Heinrich wurde von der Mittellinie bis zum Elfmeterpunkt einfach nicht angegriffen und schob völlig unbedrängt ein (14.).

"Danach, hm", Trainer Claus Schromm klang nachdenklich, "haben wir wohl ein bisserl Respekt vor dem Sieg gehabt." Er könne es sich auch nicht so recht erklären, warum die Mannschaft "vom Weg abgekommen sei". Nach der Führung in Uerdingen fehlte plötzlich die Zielstrebigkeit. Und mit einer einzigen Chance für die Gastgeber kippte das Spiel. Roberto Rodriguez traf ebenfalls mit einem abgefälschten Schuss (29.), davor hatte sich Hachings Kapitän Dominik Stahl auf der linken Abwehrseite düpieren lassen. Sekunden später musste Torwart Nico Mantl eine Großchance mit dem Fuß entschärfen.

"So komisch das klingt, das war für uns gar nicht schlecht."

Die Hachinger waren nun verunsichert, ungeordnet - und bemerkten nicht, dass die Uerdinger die anschließende Ecke schnell ausführten. So kam Franck Evina, vom FC Bayern München II ausgeliehen, wie schon am vergangenen Freitag gegen die Bayern zum Kopfball-Abschluss - 2:2 (30.). Ebenfalls wie kürzlich gegen die jungen Bayern geriet Uerdingen noch vor der Pause in Unterzahl, wieder durch einen haarsträubenden Fehler. Hätte Assani Lukimya nach seinem fatalen Ballverlust Marseiler nur Zentimeter später zu Fall gebracht, es hätte Elfmeter geben müssen. So aber sah Lukimya zwar die rote Karte, doch der anschließende Freistoß brachte nichts ein - und die Gastgeber wachten auf. "So komisch das klingt, das war für uns gar nicht schlecht. Wir haben dann alles rausgehauen", sagte Uerdingens Trainer Heiko Vogel, der vorrechnete, dass seine Mannschaft von den letzten 180 Spielminuten 110 in Unterzahl gespielt habe. So angeknockt die Hachinger beim 2:2 wirkten, so wenig konnten sie anschließend selbst zu einem entscheidenden Schlag ausholen. "Und dann müssen wir noch froh sein, dass es 2:2 ausgeht", sagte Marseiler zerknirscht. Weil nämlich eine Flanke von Rodriguez kurz vor Schluss an den Hachinger Pfosten klatschte.

Trainer Schromm hatte zur englischen Woche einiges umgestellt, Angreifer Felix Schröter zum Beispiel war nicht einmal mitgereist, der 19-jährige Niclas Stierlin gab sein Startelf-Debüt. Überhaupt zum ersten Mal stand Linksverteidiger Jannik Bandowski für Haching auf dem Platz, weil Max Dombrowka verletzt fehlte. "Ich denke, es war ordentlich mit Blick darauf, dass es das erste Spiel war", sagte er über seine eigene Leistung über 78 Minuten. Der 25-Jährige hatte vergangene Saison nur zwei Spiele für den VfL Bochum absolviert, nach Kreuzband- und anschließendem Sehnenriss will er sich jetzt bei seinem neuen Klub in die Startelf arbeiten. "Es ist superbitter, dass wir das so schnell aus der Hand gegeben haben", sagte der Linksverteidiger. Da hörte er sich zumindest schon einmal so an wie viele seiner Mitspieler.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2019
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