Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:Spiel gegen die Zeit

Ungewisse Zukunft: Die SpVgg Unterhaching muss in wenigen Tagen ihre finanziellen Schwierigkeiten in den Griff bekommen, sonst droht die Insolvenz. Und für den Vorstand steht noch mehr auf dem Spiel.

Ch. Leischwitz und A. Liebmann

Die SpVgg Unterhaching dementiert nichts und sie bestätigt nichts. Immer offener wird im Umfeld des Fußball-Drittligisten und in den Medien über einen bevorstehenden Insolvenzantrag spekuliert, doch Vereinschef Engelbert Kupka schweigt beharrlich. Der Grund ist leicht zu erraten. Noch immer ist der Verein an eine Verschwiegenheitsvereinbarung mit seinem vermeintlichen Investor Franco Levis gebunden; spricht er, wird er vertragsbrüchig.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, hat sich die SpVgg auf die Zusage eines dubiosen Unternehmers verlassen, der ihr im Juli Unterstützung zugesagt hat. Von bis zu fünf Millionen Euro war die Rede. Bezahlt hat er auch nach Ablauf mehrerer Fristen nichts. Die finanzielle Lage beim Drittligisten hat sich dadurch dramatisch verschlechtert, denn im Vertrauen auf die Überweisung hat der Klub im August kräftig investiert - nun werden immer mehr Details über den Unternehmer bekannt, die an dessen Verlässlichkeit zweifeln lassen: vom geplatzten Kauf der Münchner Praterinsel über ein angeblich um 100000 Euro geprelltes Münchner Ehepaar bis hin zu einem Betrugsprozess auf Sardinien.

Dass das versprochene Geld noch eintrifft, daran glaubt im Verein niemand mehr ernsthaft. Doch während dessen Führung nach außen hin schweigt, versucht sie intern Lösungen zu finden. Auf 2,3 Millionen Euro beläuft sich derzeit die Unterdeckung des Saisonetats, Ende des Monats überprüft der Deutsche Fußball-Bund (DFB) noch einmal die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" der auflagenbewehrten Klubs. Bis dahin muss die SpVgg Sicherheiten vorlegen, sonst ist ihre Zulassung in Gefahr. Auch eine Insolvenzverschleppung könnte drohen.

Über mögliche Auswege schweigt sich Kupka aus. Nicht aus Gründen der Verschwiegenheit, sondern weil er keinen weiß. Ausgenommen den üblichen, dass Mäzen Anton Schrobenhauser tief in die Tasche greift. Doch das klingt noch nicht allzu wahrscheinlich. "Herr Schrobenhauser wird für uns sein Möglichstes tun" - immerhin das sagt der Präsident. Ein Insolvenzantrag müsste noch nicht zwingend das Ende des Drittligafußballs in Unterhaching bedeuten.

Erst wenn ein Verfahren tatsächlich eröffnet oder mangels Masse abgelehnt werden würde, stünde die SpVgg als erster Absteiger fest. So steht es in den Statuten des DFB. Wobei dieser daran interessiert sei, dass der Klub den Spielbetrieb trotz allem fortsetze, erklärt ein DFB-Sprecher. Die Möglichkeiten, dem Verein dann noch zu helfen, sind laut Grit Labahn, Leiterin der Rechtsabteilung des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV), begrenzt. Eine Vereinsberatung sei möglich, allerdings eher für Amateurvereine, außerdem könne der Verband überlegen, auf ihm zustehende Abgaben zu verzichten. Sanktionen für nicht erfüllte Auflagen sind viele denkbar.

Für den Vorstand des Vereins steht einiges mehr auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall müsste er sogar persönlich haften, sofern er sich auf dem Weg in die Zahlungsunfähigkeit grober Fahrlässigkeit schuldig gemacht haben sollte. Man müsste also - vorausgesetzt, Investor Levis zahlt weiterhin nichts - klären, ob der Verein den Investor womöglich besser hätte überprüfen müssen, ehe er im Vertrauen weitere Einkäufe tätigte.

Das Stadion samt umliegendem Gelände kann die Spielvereinigung übrigens nicht zu Geld machen. Es gehört der Gemeinde, der Verein muss weder Miete noch Unterhalt zahlen. Eine interessante Frage ist, wieso der Drittligist, der von 1999 an zwei Spielzeiten in der 1. Bundesliga verbrachte, seine Profimannschaft nie in eine Kapitalgesellschaft überführt hat. Kupka erklärt das damit, dass man dazu 2,5 Millionen Euro beim DFB hinterlegen müsse. "Das war immer unser Ziel, aber dieses Geld hatten wir nie."

Das klingt erstaunlich. Denn es ist keineswegs zwingend Bargeld erforderlich, sondern "gezeichnetes Kapital": Auch Spielerwerte oder Marketingrechte könnten eingerechnet werden. Und laut einem DFB-Sprecher wären in der dritten Liga auch nicht 2,5, sondern nur eine Million Euro erforderlich, dazu natürlich eine Bewerbung mit kompletten Bilanzunterlagen. "Das würde alles von uns durchgecheckt werden." Zum Vergleich: Allein die Unterhachinger Startelf beim jüngsten Punktspiel gegen Offenbach besitzt - gemessen an den Summen, die das Fußballportal transfermarkt.de auflistet - einen geschätzten Marktwert von 4,3 Millionen Euro.

Die Mannschaft versucht sich derweil von der möglichen Insolvenz "freizumachen", wie Kapitän Torben Hoffmann sagt. Das Geld an die Spieler sei bisher stets pünktlich geflossen. "Mit Sicherheit macht sich jeder seine Gedanken und hofft, dass der schlimmste Fall nicht eintritt", gibt er zu, "aber wir können das ja nicht beeinflussen - höchstens dadurch, dass wir unsere positive sportliche Serie fortführen." Hoffmann gibt sich zuversichtlich, dass "der Vorstand rechtzeitig geeignete Mittel findet".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1014281
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.10.2010/hai
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.