SpVgg Unterhaching:Runter vom Gas, sicher ans Ziel

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Sicherheit zuerst: Hachings Innenverteidiger Alexander Winkler (links) schirmt Zwickaus besten Schützen Elias Paul Huth (fünf Saisontore) ab. (Foto: Sven Leifer/imago)

Abkehr vom Hurra-Fußball: Hachings neue Besonnenheit äußert sich in einem 0:0 gegen den FSV Zwickau. Das sieht zwar nicht spektakulär aus, ist aber erfolgreich.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Abstoß. Torwart Nico Mantl fordert vom Balljungen das Spielgerät, obwohl ein weiterer Ball nur zwei Meter von ihm entfernt liegt. Mantl fängt ihn, prüft mit den Händen den Luftdruck, scheint in Ordnung zu sein. Mantl legt sich den Ball auf die Linie des Fünfmeterraums, geht langsam zurück, drischt die Kugel nach vorne. Und nein, die SpVgg Unterhaching führt nicht gerade mit 1:0, es läuft auch nicht die 89 Spielminute. Es steht 0:0, und es läuft die 46. Spielminute.

Statt jede Kurve im Höchsttempo zu kratzen, halten sich die Hachinger jetzt ans Limit

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Hachinger in der Drittliga-Tabelle die Mannschaft mit den meisten Toren und den meisten Gegentoren. Man nennt das gerne Hurra-Fußball. "Diese Zeiten sind definitiv vorbei", das sagt sogar Trainer Claus Schromm. Es ist zwar nicht so, dass seine Mannschaft nun permanent auf Zeit spielen würde. Aber sie nimmt sich Zeit, wenn sie das für nötig erachtet. Ein bisschen erinnert sie an einen Motorradfahrer, der früher jede Kurve kratzte, so schnell es nur ging, Geschwindigkeitsbeschränkungen sind schließlich was für Spießer. Jetzt ist es auch einmal in Ordnung, wenn man sich ans Limit hält. Dahinter steckt die Erkenntnis: Womöglich kommt man mit weniger Risiko sicherer ans Ziel. Das 0:0 gegen den FSV Zwickau erschien da nur logisch. Und auch, wenn sich die Hachinger nach einer äußerst schwierigen ersten Halbzeit nach der Pause ein Chancenplus erspielten; auch wenn sie in der Nachspielzeit die große Chance zum Sieg hatten: Wirklich geärgert hat sich nach Schlusspfiff niemand. "Schon okay so", sagte etwa Kapitän Dominik Stahl.

Die Grundausrichtung sei gar nicht so viel defensiver als früher. Abwehrspieler Max Dombrowka formulierte das so: "Wir haben bis jetzt noch keinen Gegner aus dem Stadion geschossen, aber das ist keine Absicht." Der Trainer findet, die Mannschaft versuche nun "souveräner und erwachsener" aufzutreten. Für Schromm habe sich vor allem im Team die "Wahrnehmung und die Bereitschaft" geändert, mehr für die Defensive zu tun. Sie spielen nun auch mal einen Rückpass und bauen neu auf. Damit, so Schromm, wolle man den Gegner aus der Reserve locken, in Situationen, in denen man sich früher an einem Flügel festgespielt und dann mit aller Macht versucht habe, sich durchzusetzen - nicht selten auf Kosten eines Konters für den Gegner.

Gegen Zwickau wirkte das Spiel noch zaghafter. Die Sachsen spielten mutig und hätten eine große Qualität, den Gegner auch in dessen Stadion unter Druck zu setzen, hatte Schromm gewarnt. In der Tat tauchte Zwickau schon nach 20 Sekunden gefährlich im Hachinger Strafraum auf. Der "Stress", den das erzeuge, sei "enorm". Seine Mannschaft sei oft gezwungen gewesen, mit langen Bällen aus der Abwehr herauszuspielen, sagte Schromm. Insofern war Mantls Aktion in der 46. Minute nichts anderes als Stressabbau.

Der Leidtragende des aktuellen Hachinger Fußballs ist eigentlich der Zuschauer. In der ersten Halbzeit kam nur eine gefährliche Doppelchance zustande: Moritz Heinrich schoss aufs Tor, Zwickau-Keeper Johannes Brinkies konnte nur nach vorne abwehren, Sascha Bigalke köpfelte zu Dominik Stroh-Engel, dessen Schuss auf der Linie geklärt wurde (26.). Doch insgesamt erspielt sich die SpVgg deutlich weniger Chancen als früher. Gegen Zwickau liefen sich Offensivspieler oft in Einzelaktionen fest, Lucas Hufnagel (43.) etwa oder Felix Schröter (49.). Gute Chancen der Gäste gab es auch, die besten für Davy Frick und Elias Paul Huth (34.).

Die Fans gehen geduldig mit: Die SpVgg liegt nur einen Punkt hinter Halle auf Rang drei

Der eine oder andere Zuschauer ist zu hören, der sagt: "Würde schon gerne mal wieder ein gutes Spiel sehen hier." Doch die, die kommen (am Samstag waren es 2750), bringen viel Geduld mit. Das mag auch mit dem Tabellenstand zusammenhängen: Haching steht auf Platz vier, liegt jedoch nur einen Punkt hinter dem Tabellenführer Halle.

Beinahe hätte sich die Geduld noch besser verzinst. Das laufintensive Spiel der Zwickauer forderte Mitte der zweiten Halbzeit seinen Tribut, das Geschehen verlagerte sich mehr in die Hälfte der Gäste. In der zweiten Minute der Nachspielzeit hätte der eingewechselte Florian Dietz nach einer Ecke von Heinrich beinahe das Siegtor erzielt, doch Brinkies reagierte glänzend. Auf der anderen Seite hatte Huth mit einem Lattenschuss den Sieg auf dem Fuß(78.).

Er wolle nicht jammern, sagte Claus Schromm dann noch, doch dem Trainer fehlen permanent wichtige Leistungsträger. Der stressresistente Abwehrchef Marc Endres laboriert noch an einer Fersenreizung, auf den Flügeln fehlten Luca Marseiler und der gesperrte Jim-Patrick Müller, dazu fällt der in der zweiten Liga erfahrene Jannick Bandowski nach einer Knie-OP schon seit Anfang September aus. Gut möglich, dass das Hachinger Spiel in Bestbesetzung automatisch auch wieder offensiver wird.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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