SpVgg Unterhaching:Partyscheuer Goldjunge

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Liebe ist ... dem Torschützen nur so viel Zuneigung zuteil werden zu lassen, wie dessen Naturell verträgt. Hattrick-Held Stephan Hain (li.) wird deshalb von Sascha Bigalke, dem Vorbereiter des 2:1, auch dezent geherzt. (Foto: imago/foto2press)

Mittelstürmer Stephan Hain dreht das Drittligaspiel in Zwickau mit einem Hattrick im Alleingang. Trainer Schromm beklagt wüste Pöbeleien der Zuschauer.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Der Hattrick innerhalb von 20 Minuten war perfekt, doch der Held des Tages lief nicht etwa ekstatisch zu den (allerdings auch übeschaubaren) Anhängern oder sank pathetisch auf die Knie. Stephan Hain, Mittelstürmer des Fußball-Drittligisten SpVgg Unterhaching, wirkte nach seinem dritten Treffer zum 3:1 (0:1)-Endstand beim Auswärtsspiel in Zwickau - wie immer, wenn er trifft - eher ein wenig peinlich berührt. Er ballte kurz die Faust, dann kümmerte er sich um das Wesentliche: Er wehrte die Liebesbezeugungen der Mitspieler nach Kräften ab. Das tut er stets nach seinen Toren, womöglich fürchtet er sich davor, dass ihm mal einer vor lauter Euphorie wehtut.

Kürzlich hat sich Claus Schromm dazu geäußert, wie gut und stimmig doch das Gefüge in seiner Mannschaft sei. Und das gelte eben nicht nur für den fußballerischen Aspekt, sondern auch fürs Zwischenmenschliche. Einige führen in der Kabine das Wort, haben stets einen kessen Spruch auf den Lippen und hellen so die Stimmung im Team auf. Und dann gibt es andererseits die ruhige Fraktion, zu der Torwart Korbinian Müller gehört, aber eben auch Stephan Hain, der Torjäger, der einst beim TSV 1860 spielte, diesem stets lauten und aufgeregten Klub. In Haching kann Hain seinem Hang zum Phlegma nachgeben, der ironische Spruch "No Hain, no Party", den sich die Spieler auf ihre T-Shirts drucken ließen, bevor sie zur Aufstiegsfeier nach Mallorca aufgebrochen sind, spricht Bände. Denn Hain ist eben alles andere als eine übermütige Frohnatur, sondern ein introvertierter Sportler.

Haching korrigiert seine Ausrichtung - und führt dadurch die Wende herbei

Und so war der 29-Jährige auch nach dem Spiel schnell abgetaucht, ein kurzes Statement fürs Bezahlfernsehen, danach äußerten sich andere über den Matchwinner. Etwa SpVgg-Trainer Claus Schromm, der befand, sein 13-facher Saisontorschütze sei "Gold wert", weil er die Bälle in der Spitze "sichert und ablegt", um dann selbst wieder flink in Abschlusspositionen zu kommen: "Das ist phänomenal", findet Schromm, "dabei sagt er immer, er sei nicht der Schnellste. Aber dem ein oder anderen ist er gedanklich dann doch voraus."

Das Spiel in Zwickau hatte allerdings noch eine andere Geschichte als jene vom Unterhachinger Vollstrecker mit der Nummer neun. Erstmals seit dem Aufstieg waren die Rot-Blauen in der Lage, innerhalb einer Partie Korrekturen in ihrer Ausrichtung vorzunehmen und somit einen Rückstand in einen letztlich noch souveränen Sieg zu verwandeln. "Zur Pause waren wir zum Glück nur 0:1 hinten, wir mussten ein paar Stellschrauben nachjustieren, um hier noch was zu holen", sagte Trainer Schromm in der Pressekonferenz nach dem Match. Dass die größere Spielkontrolle und der höhere Anteil an Ballbesitz schließlich die Wende brachte, machte den Übungsleiter stolz: "In der Vergangenheit war es so, dass wir solche Spiele verloren haben und anschließend versuchten, in der Aufarbeitung unsere Lehren zu ziehen." Das habe diesmal schon während der Begegnung geklappt, was ihn stolz mache: "Wir fahren glücklich nach Hause."

Danach hatte es zunächst nicht ausgesehen, die überlegenen Zwickauer gingen in Führung, als Bentley Baxter Bahn eine Ecke zur Mitte schlug, SpVgg-Keeper Müller vom eigenen Kollegen Dominik Stahl manövrierunfähig gemacht wurde und Nico Antonic nur noch den Fuß hinhalten musste (17.). Nichts deutete auf eine Wende hin, und womöglich wäre die Aufarbeitung der Partie tatsächlich wie von Schromm geschildert wieder schmerzhaft geworden, hätte Bahn in der 53. Minute selbst abgeschlossen, anstatt einen überflüssigen Querpass zu spielen, den die Hachinger verteidigen konnten. Die Wende kam dann durch Thomas Steinherrs beherztes Nachsetzen bei einem Rückpass, FSV-Torwart Johannes Brinkies verschätzte sich, brachte den Hachinger zu Fall - und Hain verwandelte den fälligen Elfmeter gewohnt abgebrüht (61.). Nachdem zunächst ein Tor von Stahl wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht zählte (69.), gab es in der nächsten Szene keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Treffers: Eine Freistoßflanke von Sascha Bigalke veredelte Hain per Kopf zum 2:1 (72.). Und nachdem Bahn gegen den eingewechselten Youngster Finn Porath mit aller Brutalität eingestiegen war, sah der Zwickauer Gelb-Rot (74.), was einer Vorentscheidung gleichkam. Denn in Überzahl drängten die Gäste auf die Entscheidung, für die einmal mehr Hain sorgte: Zunächst scheiterte Ulrich Taffertshofer, dann bugsierte der Stürmer die Kugel ins Tor (81.) - und hielt seine liebestollen Kameraden mit Mühe auf Distanz.

Womit wir bei der unschönen Komponente des Hachinger Gastspiels in Sachsen wären: Praktisch während der gesamten Spielzeit war die Bank der SpVgg von den Zwickau-Fans auf der Haupttribüne bepöbelt worden, vereinzelt gab es sogar Spuckattacken und Bierduschen für Trainerstab und Ersatzspieler. "Man spürt hier Frust, ja sogar Hass gegen den Westen. Das war in Magdeburg oder Erfurt anders, dort lief alles fair und sauber ab", sagte Schromm, der wegen der Vorfälle nach dem Spiel das Gespräch mit den Zwickauer Verantwortlichen suchte.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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