SpVgg Unterhaching:"Kommen aus dem Keller"

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„Das ist hier kein Streichelzoo“: Hin und wieder erlaubt sich Manfred Schwabl aber ein kleines Kuscheln mit Erfolgstrainer Claus Schromm (vorn). (Foto: Lackovic/imago)

Präsident Schwabl will mit Unterhaching in drei Jahren in die zweite Liga aufsteigen. Mit der SZ spricht er über seinen konservativen Führungsstil und Transferpolitik mit Schweinebraten.

Interview von S. Galler und C. Leischwitz

Manfred Schwabl, 52, ist nicht nur Präsident der SpVgg Unterhaching, sondern auch Sportdirektor und Kassenwart des Fußball-Drittligisten. Zum Start aus der Winterpause spricht der ehemalige Nationalspieler über Zopfverbote, interne Kritiker, die Diplomatie des Alters und ein eigenes Stadion.

SZ: Herr Schwabl, nach etwa fünf Wochen Pause geht es an diesem Montag wieder los. Die SpVgg Unterhaching liegt aussichtsreich auf Tabellenplatz fünf. Wie fällt Ihr Fazit bis hierher aus?

Manfred Schwabl: Wir stehen ganz solide da, lizenztechnisch, aber auch sportlich. Sportlich, weil es uns gelungen ist, keinen Spieler abzugeben. Das Grundgerüst der Mannschaft steht, es wäre noch nicht mal ein großer Rückschlag, wenn einer der Jungen in eine höhere Liga wechseln würde. Wichtig ist, dass keiner unserer Spieler eine Ausstiegsklausel hat, das gibt uns schon Planungssicherheit.

Sie sprechen potenzielle Weggänge an. Wollen Sie noch Spieler abgeben?

Momentan sicher nicht. Aber wenn an einem gewissen Zeitpunkt ein Bombenangebot käme, etwa für Luca Marseiler oder Christoph Greger, dann würden wir den Jungs keine Steine in den Weg legen, wenn der Deal für alle Seiten passt. Nur wenn du sie loslässt, ist der Weg zurück auch offen.

Lucas Hufnagel, Dominik Widemann, Michael Gurski, Ihr Sohn Markus - alleine bei den Zugängen vor dieser Saison fällt auf, dass viele Spieler immer wieder nach Haching zurückkehren. Woran liegt das ?

Das liegt daran, dass es für diese Spieler offenbar in der Zeit bei uns absolut gepasst hat. Jeder hat doch den Traum, einmal im richtig bezahlten Fußball zu landen, denn als Drittligaspieler kannst du dir kein Haus bauen. Das geht erst ab der oberen Hälfte der zweiten Liga los. Und wer dort nicht zurechtkommt, geht halt wieder dorthin zurück, wo er sich zuvor wohlgefühlt hat.

Reden wir über Ihre Rolle im Verein. Sie haben beim Amtsantritt 2012 gesagt, das Wort "Präsident" sei Ihnen unangenehm. Mittlerweile werden Sie als der dominante Repräsentant wahrgenommen.

Damals klang die Bezeichnung für mich nach jemandem, der ständig in Anzug und Krawatte rumläuft. Ein Ehrenamtlicher, der ein-, zweimal pro Woche vorbeikommt und schaut, was die Herren so machen. In Wahrheit ist das bis jetzt ein Fulltime-Job. Ich sehe mich mehr als operativer und strategischer Sportdirektor, bei dem alles zusammenläuft. Jetzt könnte man sagen: Dass alles in einer Hand liegt, ist ein Nachteil. Der Vorteil ist aber, dass wir kurze Wege haben, wenn ich mich mit dem Trainerteam abstimme. Ich will immer hören, was Claus Schromm und auch sein Assistent Steffen Galm zu sagen haben.

Wie sind Sie als früherer Spieler von Bayern, Nürnberg und Sechzig eigentlich zu Haching gekommen?

Mit Haching hatte ich eigentlich nie was zu tun, außer dass mich Trainer Willi Entenmann Ende der Neunziger als Spieler mal herholen wollte. 2001, als ich mit Fußball eigentlich abgeschlossen hatte, wurde mein Sohn Markus bei einem Hallenturnier vom Hachinger Richard Raiser entdeckt. Er spielte später unter unserem langjährigen Jugendtrainer Hans Reitinger in der U15. Der musste ihn mal anzählen, weil er immer den Kasper gegeben hat. Ich bin dann hin, um seinen Spielerpass zu holen. Da sagte Reitinger: "Bist du wahnsinnig?" Der Markus müsse unbedingt bleiben. Wenn der Hans in dem Moment nicht da gewesen wäre, wer weiß... Danach hat es mich irgendwie wieder gepackt.

Sie wurden Nachwuchskoordinator.

Reitinger meinte, ich soll unbedingt was im Verein machen. Ich habe gewartet, bis Markus aus der Jugend rausgekommen ist. Dann kam Heiko Herrlich, geplant eigentlich als Jugendtrainer. Ich habe ihn gefragt: "Bist du auch bereit für die erste Mannschaft?" Und er meinte, nur wenn ich den Sportdirektor mache. Als Präsident Engelbert Kupka 2012 dann aufhörte, hat er mich in die Rolle reingeschoben. Und Anton Schrobenhauser (damals Schatzmeister und Mäzen, d. Red.) sagte: "Du machst es, fertig. Wir helfen dir im Hintergrund." Dann habe ich es halt gemacht.

Nach welchen Vorgaben führen Sie den Verein?

Die Grundregel ist und bleibt: Wir pflegen ein bodenständiges Umfeld und legen großen Wert auf Regionalität. Ich hole bestimmt keinen U-11-Spieler aus Rostock. Zuletzt haben wir einen U-15-Spieler aus Cham in der Oberpfalz verpflichtet, hinter dem alle her waren. Er erinnert mich ein bisserl an mich als junger Spieler. Da bin ich selbst hingefahren, habe von seiner Oma einen Schweinsbraten bekommen und bei der Familie, die eine Touristenpension hat, übernachtet. Der Junge hat dann seinen 80-Einwohner-Heimatort verlassen und wohnt jetzt in unserem Jugendhaus in Unterhaching. Als er im Herbst einen Heimwehanflug hatte, habe ich ihn für ein paar Tage heimgeschickt.

Heimweh, da war doch auch mal was in Ihrer eigenen Biografie?

Ja, ich war mit 31 auf dem Sprung nach Italien und dachte mir schon im Flugzeug beim Anschauen der Italienisch-Bücher: Oh je, das kann was werden. Bevor ich je für den Verein (FC Treviso, d. Red.) gespielt hatte, hatte ich wieder die Heimreise angetreten.

Was meinen Sie mit Bodenständigkeit?

Bei uns soll kein Spieler einen Zopf tragen, wir sind hier ja nicht im Mädcheninternat. Ohrringe gibt es auch nicht, und wenn einer aus der U12 mit Kopfhörern und Rollkoffer daherkommt, frage ich ihn, ob er schon in der Champions League spielt. Man mag mir vorwerfen, dass das konservativ ist, aber mittlerweile sehen es die meisten Trainer bei uns im Verein genauso.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit hieß es, dass aus Wut heraus auch mal ein Handy an die Bürowand geflogen sei.

Das Handy fliegt immer noch. Na ja, verbal zumindest. Ich bin aber schon etwas gelassener geworden. Man muss den Jungs schon mal Feuer geben, das ist hier ja kein Streichelzoo. Aber dann werde ich auch wieder ruhiger, man wird ja weiser...

In den Medien sind Sie präsenter als früher. Zuletzt waren Sie im Sport1-Doppelpass, beim BR in "Heute im Stadion", Sie debattieren über die Drittliga-Reform .

Zu diesem Job gehört alles. Klassische Aufgaben eines Sportdirektors, aber auch repräsentative und wirtschaftliche Dinge: Bilanzbesprechungen, Wirtschaftsprüfung, Lizenzierung...

Es gab eine Zeit, vor rund drei Jahren, da hatte sich um Markus Oberleitner und Mike Frühbeis eine hausinterne Opposition gebildet. Wie ist das Verhältnis zu den damaligen Gegnern?

Man grüßt sich ganz normal. Für mich war das am Abend der Mitgliederversammlung schon erledigt, als wir die Aussprache hatten und die beiden sagten: Er macht's eigentlich doch ganz gut. Klar, das hat Energie gekostet. Aber wenn du im Profibereich tätig bist, musst du da drüber stehen.

Wie kam es zu dem Stimmungsumschwung im Verein? Mittlerweile hört man keine Kritik mehr an Ihnen. Die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Verein ging im Dezember sogar ohne Gegenstimme durch.

Ich denke, ich habe die Leute durch Ehrlichkeit überzeugt. Ich habe immer gesagt, dass meine Tür jedem offensteht, der Verbesserungsvorschläge hat. Und ich habe die Strategie des Vereins neu ausgerichtet: Dadurch, dass man in der 3. Liga nichts anderes als Mangelverwaltung betreibt, geht es nicht anders, als auf den Nachwuchs zu bauen, aber das aus vollster Überzeugung. Das kommt bei den Mitgliedern sicher besser an, als dauernd Geld rauszuwerfen.

Wie sieht es denn mit den Finanzen a us?

Mittlerweile liegt das Minus in einer Drittligasaison für uns bei etwa 1,5 bis zwei Millionen Euro. Da sind Klubs in der Liga, die liegen wesentlich höher. Man hat zwar die Fernsehgelder etwas aufgebessert, dafür steigen aber auch Jahr für Jahr die finanziellen und strukturellen Anforderungen.

Sie sind selbst 2012 mit 700 000 Euro bei Haching eingestiegen. Ein heftiges Risiko.

Wenn ich kein eigenes Geld reingesteckt hätte, wären wir heute beim Breitensport. Wenn es ein geiles Projekt ist, muss man einfach Flagge zeigen. Und nach der Ausgliederung stellt sich jetzt heraus: Diejenigen, die Geld geben, geben dann auch mal mehr, weil sie sehen, dass die Ankündigungen langsam Früchte tragen. Wenn man unser Projekt in Haching mit einem Hausbau vergleicht, würde ich sagen, wir kommen gerade aus dem Keller heraus, Richtfest feiern wir dann in der 2. Liga, hoffentlich in spätestens zwei bis drei Jahren.

Ihr Ziel ist es, ein solider Zweitligist zu werden. Braucht man dafür sein eigenes Stadion? Man sieht ein paar Kilometer weiter, beim TSV 1860 München, dass eine offene Stadionfrage viel Energie kosten kann.

Für manche ist ein eigenes Stadion auf jeden Fall ein Segen. Ich finde, man braucht eine eigene Heimat, es muss aber finanziell tragbar sein. Die Gespräche mit der Gemeinde beginnen gerade, ob wir das Stadion übernehmen können. Wir sind bewusst in Vorleistung gegangen, mit Rasen und Rasenpflege, haben die Gegengerade wiedereröffnet, Parkplätze neu angelegt. Die SpVgg ist ein Aushängeschild der Gemeinde, und wir leisten ja auch viel, indem bis zu 170 Hachinger Kinder bei uns spielen.

Was erwarten Sie von der Gemeinde?

Beidseits faire Verhandlungen. Mir ist klar, dass eine Kommune auch andere Aufgaben hat, als Leistungssport zu finanzieren. Deshalb wollen wir sie entlasten. Aber der Verein braucht für Renovierungen und Betrieb auch eine finanzielle Unterstützung, schließlich ist das Stadion etwas in die Jahre gekommen. Wir hoffen, dass bis April eine Entscheidung gefallen ist, bevor das nächste Lizenzierungsverfahren beginnt.

Beim TSV 1860 wäre man froh über ein eigenes Stadion. Sie stehen in der Tabelle vor den Löwen, Ihre Jugendarbeit ist zurzeit erfolgreicher, bei Ihnen herrscht Ruhe im Klub. Ist Unterhaching schon die Nummer zwei in München?

Ich sehe uns als einen der drei mit Daseinsberechtigung ausgestatteten Profivereine im Großraum München... Das war doch jetzt diplomatisch-präsidial, oder?

Durchaus. Aber kann es nicht sein, dass Sie irgendwann zu Sechzig zurückkehren? Einige dort trauen Ihnen zu, den Verein wieder in die Spur zu bringen.

Wieso soll ich jetzt das Lebenswerk hier verlassen? Der einzige Grund wäre, wenn ich meinen Schädel noch öfter in der Zeitung sehen wollen würde. Aber braucht man das im Leben? Ich habe hier doch ein Paradies (schaut sich um). Allein die Wirtschaft. Das mag zwar lächerlich klingen, aber: Es ist doch wichtig, dass man gerne hierherkommt, oder?

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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