SpVgg Unterhaching in Not:Eine Menge offener Rechnungen

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Olympiapark, Praterinsel, Unterhaching: Franco L. versprach Millionen und bat selber um Geld. Der seltsame Fußball-Mäzen und seine Geschäfte in München, Aschaffenburg und auf Sardinien.

Ch. Leischwitz und A. Liebmann

Engelbert Kupka weiß schon seit Längerem, dass etwas ganz gewaltig schief gelaufen ist in seinem Verein. Bis heute hofft er zwar auf eine Überweisung von Franco L., einem mysteriösen Unternehmer, der dem Fußball-Drittligisten im Juli bis zu fünf Millionen Euro versprochen hat. Geld, das der Verein teilweise bereits ausgegeben hat. Doch alles deutet darauf hin, dass die versprochene Summe nicht auf dem Konto des Vereins ankommen wird.

Olympiapark, Praterinsel, Unterhaching: Der Investor Franco L. versuchte, gleich mehrfach in München Fuß zu fassen. Nun sind die Verantwortlichen der SpVgg Unterhaching in Not. (Foto: dpa)

Für die Führung der SpVgg Unterhaching sind die neuesten Erkenntnisse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, irritierend, auch wenn sich Präsident Kupka auf die gültigen Verträge mit L. beruft. Die SpVgg Unterhaching muss nun schnell an Geld kommen, denn der aktuelle Kontostand dürfte sowohl die Spiellizenz des Drittligisten als auch den Fortbestand des Vereins gefährden; schlimmstenfalls könnte der Vorstand sogar persönlich haften müssen. Zu Wochenbeginn hatte Kupka noch gesagt: "Ich gehe davon aus, dass er (L.) kein Betrüger ist". Am Dienstag sagt er der SZ, dass der Verein sich nun nach anderen Geldquellen umschaut: "Wir sind gerade dabei, nach Alternativen zu suchen."

Franco Valerio L., 52, und sein Anwalt schweigen zu den Vorgängen rund um Unterhaching und sein Münchner Engagement. Es gibt aber offensichtlich außer Kupka viele andere Menschen, die auch gerne eine Alternative gehabt hätten, nachdem sie mit L. Geschäfte gemacht haben. In den vergangenen Monaten hatte er offenbar versucht, gleich bei mehreren Organisationen und Projekten in München Fuß zu fassen. Seine Spur führt quer durch Europa.

Zum Beispiel nach Aschaffenburg. Das Letzte, was der Vermieter einer Wohnung in einem Ort nahe der unterfränkischen Stadt von seinem Mieter Franco L. gesehen haben will, soll ein Umzugswagen gewesen sein. Diese Episode stammt aus dem Jahr 2001, und sie trug sich den Erzählungen zufolge wohl folgendermaßen zu: Der Vermieter hat demnach den Rechtsanwalt zweier von L. vermeintlich geschädigter Personen angerufen, der wiederum die Staatsanwaltschaft, und diese schickte die Polizei zum Haus.

Doch da war L. bereits ausgezogen, angeblich soll er sogar Teile seines Mobiliars stehen gelassen haben, berichten die Rechtsanwälte. Jahre zuvor habe sich Franco L. 100.000 Euro von zwei tschechischen Geschäftsleuten geliehen. Die beiden hätten angeblich zwei Jahre gewartet, dann hätten sie einen Anwalt eingeschaltet. Ehe es zum Prozess kam, sei der Umzugswagen vorgefahren.

Am Amtsgericht Aschaffenburg gibt es dicke Aktenordner über L., falsche eidesstattliche Versicherungen des heute 52-Jährigen sind dort dokumentiert, mehrere Verfahren wegen nicht bezahlter Rechnungen. Es geht um Schadenssummen von mehr als 170.000 Euro. Ehe die Staatsanwaltschaft weiter gegen ihn vorgehen konnte, soll sich der Angeklagte nach Italien abgesetzt haben.

Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass Franco L. viel verbrannte Erde hinterlassen hat. Und das, obwohl er einiges Geschick darin beweist, Spuren zu verwischen, in der virtuellen Welt wie im wirklichen Leben. In und um Aschaffenburg finden sich die meisten. Dort, wo L. einst Pressesprecher der Ringer des AC Bavaria Goldbach war. Er habe dort Mitte der 90er-Jahre auch ins Sponsoring einsteigen wollen, berichtet eine Vereinsvertreterin, dann sei er mit einer Firma pleite gegangen und verschwunden. Mindestens fünf Geschädigte soll es im Raum Aschaffenburg geben. Auch das unrechtmäßige Führen des Titels Diplom-Ingenieur wird ihm vorgeworfen - so unterzeichnet er als Chef der Firma Depro Group bis heute.

In den vergangenen Monaten hat L. in einem Hotel in München gewohnt. Die Spuren, die er hier hinterlässt, sind nicht zu übersehen. Zunächst war bekannt geworden, dass er mit der SpVgg Unterhaching einen Zuwendungsvertrag abgeschlossen hatte. Er versuchte, weitere Geschäfte abzuschließen, mit Jahn Regensburg, mit der Münchner Olympia-Bewerbungsgesellschaft und mit dem Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia, wo er einen Kaufvertrag für die Münchner Praterinsel unterschrieb. Nach ausbleibenden Zahlungen wurde das Geschäft rückabgewickelt (siehe Kasten).

Jemand, der viel über L. erzählen kann, ist Alexander Nussbaumer, Inhaber und Vorstand der Zima Holding AG, eines Bauunternehmens mit Sitz im österreichischen Dornbirn. Seit mehreren Jahren läuft ein Prozess gegen L. in Olbia, Italien. Es geht angeblich um Baubetrug in Höhe von mehreren Millionen Euro. L., damals Geschäftsführer von Nussbaumers Firma "Ville le Muse", wird vorgeworfen, mit dem Unternehmen in den Jahren 2003 und 2004 mittels doppelter Buchführung beim Bau von 26 Reihenhäusern in Porto Cervo, Sardinien, falsch abgerechnet zu haben.

Er könne über das laufende Verfahren nicht viel berichten, sagt Nussbaumer - und über L. nichts Gutes: "Es tut mir persönlich leid, dass die italienische Justiz es nicht verhindert hat, dass auf diesen Mann weiterhin Leute hereinfallen", sagt der Unternehmer. In seinem Prozess gehe nichts voran, weil L. "nicht greifbar" sei. "Wir gehen davon aus, dass wir von Herrn L. keinen Cent mehr bekommen werden", sagt er, und kommentiert die Vorgänge in München so: "Herr L. hat es schon immer hervorragend verstanden, sich über zugesicherte Summen wichtig zu machen."

Das scheint es zu sein, worum es dem Unternehmer geht: Er knüpft Kontakte. Nach der Zusicherung seiner Millionenzahlung an die SpVgg Unterhaching durfte er vor deren Beirat auftreten - also vor Münchner Wirtschafts- und Finanzgrößen. Er soll sich sehr aktiv eingebracht haben, ist zu hören. Ob es ihm gelungen ist, dort weitere Geschäfte anzubahnen, ist nicht bekannt - der Beirat schweigt. Immer mal wieder scheint es L. während des Hantierens mit riesigen Summen zu gelingen, für sich selbst an kleinere Beträge heranzukommen. Erich Meidert, der zurückgetretene Manager der SpVgg, berichtet, von L. um 50000 Euro angepumpt worden zu sein. Exakt die selbe Geschichte erzählt auch ein Unternehmer aus Vaterstetten, der mit L. über dreistellige Millionenbeträge verhandelt haben will.

Franco L. hat erneut nicht auf schriftliche Fragen der Süddeutschen Zeitung zu all diesen Vorwürfen geantwortet. Sein Münchner Anwalt schickte ein Fax, in dem er "ein öffentliches Interesse" an seinem Mandanten anzweifelt und diesen durch die Berichterstattung "unzulässig herabgewürdigt" sieht. Im Übrigen halte sich L. an die Verschwiegenheitsvereinbarung mit dem Verein. "Mein Mandant ist für etwaige Probleme der SpVgg Unterhaching weder ursächlich noch verantwortlich." Eine andere, renommierte Münchner Anwaltskanzlei, die L. bislang vertrat, hat am Dienstagvormittag angekündigt, dieses Mandatsverhältnis noch im Laufe des Tages niederzulegen. Zur Begründung hieß es, es müsse "ein gewisses Vertrauensverhältnis vorhanden sein".

Nebenbei ist nun auch die von L. verbreitete Legende von seiner Laufbahn als "Profifußballer" um ein Kapitel reicher: Er hat tatsächlich für Viktoria Aschaffenburg gespielt. 1983 - als Ersatzspieler der zweiten Mannschaft.

© SZ vom 20.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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