Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:Fußball pervers

Die kriselnden Hachinger treten mit einer Rumpfelf beim Aufstiegsfavoriten Karlsruhe an. In der ersten Hälfte dominieren sie - doch dann unterläuft ausgerechnet dem starken Nachwuchstorwart Nico Mantl ein Fehler.

Von Christoph Ruf, Unterhaching

Am Ende einer Partie, die mit einer 0:4-Niederlage der Spielvereinigung Unterhaching in die Statistik eingeht, applaudierten auch die notorischen Nörgler auf der Karlsruher Haupttribüne. Zuvor waren Wechselgesänge von dort zu den Stehplätzen und wieder zurück geschwappt. Die ganze Szenerie muss derweil ein paar rot- und einem grüngekleideten Herren auf dem Rasen wie bitterer Hohn vorgekommen sein. Thomas Hagn und Christoph Ehlich waren jedenfalls die ersten Hachinger Feldspieler, die ihren Torwart Nico Mantl zu trösten versuchten, kurz darauf kam Trainer Claus Schromm dazu. Ein ungläubiges Kopfschütteln sah man bei allen vieren. Denn eigentlich hatte Haching eine Stunde viel zu gut für dieses Ergebnis gespielt. Und eigentlich war der Mann in Grün, der da unten mit sich, dem Leben und dem Schicksal haderte, ja sogar einer der besten Spieler auf dem Platz gewesen. Zumindest vor dem Karlsruher 1:0. Und nach dem Karlsruher 1:0.

Dazwischen hatte der erst 19-jährige Keeper Mantl dem Spiel allerdings eine fatale Wendung gegeben, als er beim Versuch, einen langen Ball per Kopf zu klären, selbigen Karlsruhes Anton Fink vorlegte, der wiederum mit einem Lupfer aus 30 Metern auch noch das Tor traf (51.). Drei weitere Treffer durch Damian Roßbach (69.) und Marvin Pourié (73./85.) folgten, nach gut einer Stunde wurde aus einer ausgeglichenen Partie eine einseitige, in der Haching die Gegenwehr zunehmend einstellte. Beim vierten Gegentreffer, dem 17. Saisontor von Pourié, stieg Hachings Verteidiger Markus Schwabl nicht mal mehr zum Kopfball hoch. Doch der entscheidende Treffer, darin waren sich nach dem Spiel alle einig, war der erste gewesen, der das bis dahin ausgeglichene Spiel in Richtung der Badener gelenkt hatte. Dass Schwabl, der den Ball hätte klären können und seinen Keeper erst in die Bredouille gebracht hatte, eine schwere Unterlassungssünde begangen hatte, bestritt allerdings auch niemand. Für Mantl war das alles umso bitterer, als er zuvor ganz hervorragend gehalten hatte und sein Team gegen Pourié (11.), David Pisot (16.) und Marco Thiede (18.) im Spiel gehalten hatte. "Ich glaube, jeder, der das Spiel gesehen hat und jetzt das Ergebnis sieht, kann erkennen, wie pervers der Sport manchmal ist", sagte Schromm. Dass seine Elf beim Tabellenzweiten "bis zum letzten Kontakt" solch eine Partie abgeliefert habe, nötigte Hachings Trainer auch angesichts der Personallage "höchsten Respekt vor den Jungs ab".

Nach dem 0:4 macht die Sicht auf die Parameter der Tabelle aus Hachinger Sicht allerdings keinen großen Spaß. Aus sechs Spielen ohne eigenes Tor sind nun sieben geworden. Der Vorsprung auf die Abstiegsränge beträgt zumindest bis Montagabend weiterhin sieben Punkte. Aber der Fünfte der Hinrundentabelle hat in bislang 13 Spielen der Rückrunde nur neun Zähler geholt - weniger als die beiden hartnäckigsten Abstiegskandidaten aus Aalen und Jena. Anderorten würde eine solche Dynamik wohl die üblichen Reflexe auslösen. Einer, im Zweifelsfall der Trainer, muss ja schuld sein, wenn die Schwerkraft dermaßen stark auf den Saisonverlauf wirkt. Doch zum einen fehlt in der Vorstadt die Drohkulisse; die gut 50 nach Karlsruhe gereisten Haching-Maniacs verhielten sich nach dem Spiel am Zaun ebenso friedlich wie während der Partie. Und zum anderen wissen sie in Haching, dass die Talfahrt viele Gründe hat, nur eben keinen, der auf der Trainerbank zu verorten wäre. Weshalb Sportdirektor Schwabl vergangene Woche auch eine Allzeit-Jobgarantie für seinen Coach ausgesprochen hatte.

Nicht weniger als zehn verletzte oder erkrankte Spieler hatte Schromm in Karlsruhe zu ersetzen, die letzten Minuten musste man zudem noch zu zehnt durchstehen, denn als Alexander Kaltner mit Verdacht auf eine schwere Knieverletzung raus musste, war das Auswechselkontingent bereits ausgeschöpft. Dass sich unter den fehlenden Spielern der mit 13 Treffern beste Torschütze Stephan Hain befindet, ist fatal, er ist schlicht nicht zu ersetzen. Auch im Wildpark hatte Haching ein paar Möglichkeiten, das Spiel positiv zu gestalten. Doch Sascha Bigalke, der aus sechs Metern freistehend übers Tor schoss, scheiterte nach einer halben Stunde genauso kläglich wie in der 59. Minute, als weder er noch Stefan Schimmer den Ball am starken KSC-Keeper Benjamin Uphoff vorbeibrachten. Zu diesem Zeitpunkt hätten Hachinger Treffer die Führung respektive den Ausgleich erbracht. "Klar, der Hain fehlt ihnen schon sehr", sagte dann auch Drittliga-Rekordschütze Fink, der 2008/2009 selbst mal 21 Treffer für Haching erzielt hatte.

Die Harmlosigkeit vorm Tor fiel am Samstag allerdings auch umso stärker ins Gewicht, weil die Gegentreffer auf zu einfache Art und Weise kassiert wurden. Vor zwei KSC-Treffern konnten die Karlsruher Flankengeber auf der rechten Hachinger Abwehrseite in Seelenruhe Maß nehmen, beim 2:0 und beim 4:0 war das Zentrum völlig blank. Und doch sagt all das bizarrerweise wenig über den Eindruck dieses Spiels aus. Ein Spiel, das zur Halbzeit noch 0:0 stand und bei dem ein Großteil der Karlsruher Zuschauer nach einer halben Stunde mit merklichem Gebrummel auf die Tatsache reagierte, dass ein Team frischen und munteren Kombinationsfußball zeigte - und die andere der KSC war.

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Quelle:
SZ vom 08.04.2019
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