Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:April, April

Nach dem 0:1 gegen Zwickau ist aus dem einstigen Aufstiegskandidaten ein Abstiegskandidat geworden. Obwohl das Team eine verbesserte Leistung zeigte, wirkt sich die Lage nicht positiv auf die Nerven aus.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Alexander Winkler wollte noch zu den Fans, um sich für die Anfeuerung zu bedanken. Lukas Königshofer wirkte deutlich frustrierter und ging erst einmal Richtung Kabine. "Hey", schrie der Kapitän dem Torwart hinterher, und dann noch einmal, lauter: "Hey!" Dann warf Winkler dem Keeper eine Getränkeflasche hinterher. Und weil Königshofer dann doch umdrehte, gab es auch nach dem Schlusspfiff noch einen konsequent geführten Zweikampf zu sehen. "Also, die beiden sitzen jetzt Arm in Arm in der Kabine. Luki wollte eben erst mal durchschnaufen", beschwichtigte Trainer Claus Schromm etwas später.

Wenn das stimmte, dann kann man Abstiegskampf auch so definieren: dass die Zeiträume zwischen Zusammenhalt, Zerwürfnis und Versöhnung immer kürzer werden.

Das mit dem Zusammenhalt hatten sie bei der SpVgg Unterhaching zunächst wörtlich genommen. Normalerweise stellt sich ja nur die Startelf kurz vor dem Anpfiff im Kreis zusammen, damit sich alle noch einmal anfeuern können. Diesmal standen Trainerteam und Ersatzspieler mit auf dem Rasen. Schromm sagte, er sei dazu eingeladen worden - eine nicht unbedeutende Geste zu einem Zeitpunkt, zu dem viele andere Profitrainer schon längst gefeuert worden wären. Während des Spiels zeigten die Hachinger ebenfalls, dass das gegenseitige Verständnis noch nicht vollständig abhanden gekommen ist, es handelte sich um eine der besseren Leistungen in diesem Kalenderjahr. Trotzdem verlor Unterhaching mit 0:1 (0:0) Toren. Der Dezember-Aufstiegskandidat ist im April zu einem Abstiegskandidaten geworden. "Wir sind absolut gewarnt", versicherte Maximilian Krauß nach dem Spiel, man müsse unbedingt mal wieder in Führung gehen. Er sei auch davon überzeugt, dass der "Knoten platzt", weil man in der Offensive genug Qualität habe. Eigentlich.

Der 22-Jährige hatte stellvertretend für die gesamte Mannschaft zwar längst nicht alles richtig gemacht in der ersten Halbzeit, immerhin aber brachte er einigen Betrieb in die gegnerische Hälfte. Diesmal gab es sogar wieder Phasen, in denen sich die Hachinger vor oder gar im gegnerischen Sechzehner festsetzten. Und Krauß hatte in der 45. Minute sogar eine vorzügliche Gelegenheit geliefert, um den Knoten endlich zu lösen: Er hatte nach einem sehenswerten Doppelpass mit Lucas Hufnagel einen Elfmeter herausgeholt. Diese Entscheidung führte zwar zu einigen Protesten der Sachsen, Krauß fand aber später, dass der Tritt "zwar unnötig war, er mich aber klar getroffen hat".

Stefan Schimmer schnappte sich sofort den Ball. Bis zur Ausführung dauerte es mehr als eine Minute, so lange hatte er ihn in der Hand. Was einem in dieser Zeit nicht alles durch den Kopf gehen kann. Dass er das letzte Tor Anfang März geschossen hat zum Beispiel. Dass doch alle immer sagen, wir müssen unbedingt mal wieder in Führung gehen ... und dann bolzte Schimmer den Ball zentral in die Mitte des Tores, Johannes Brinkies wehrte nach vorne ab, für einen Nachschuss kam Schimmer zu spät. "Kein Vorwurf an den Bomber", sagte Winkler über den Angreifer, der in dieser Situation Verantwortung übernommen habe. Überhaupt habe man sich in Sachen Einsatz wenig vorzuwerfen. Was aber in der letzten halben Stunde gefehlt habe, so Winkler, das sei die Cleverness. In der 60. Minute führte Hufnagel den Ball, es war eine von verhältnismäßig vielen Situationen gegen Zwickau, in denen die Hachinger in der gegnerischen Hälfte Tempo aufnehmen konnten. In dieser Situation aber fand der Mittelfeldspieler keine Anspielstation und kam ins Stocken. Dann verlor er den Ball. Die Hachinger wollten dabei ein Foulspiel gesehen haben. "Leider hat Frau Rafalski falsch entschieden", sagte Schromm später über die oftmals in der Kritik stehende Unparteiische. Der direkte Gegenzug führte zum Zwickauer 1:0 durch Lion Lauberbach. "Man kann das Foul pfeifen, aber das darf keine Ausrede sein. Da muss man dann trotzdem die Flanke verhindern oder im Zentrum dafür sorgen, dass der Gegner nicht so frei zum Kopfball kommt", ärgerte sich Winkler. Der Verteidiger spielte in der Schlussphase im Angriff. Aber klare Chancen blieben am Ende aus.

Out of Unterhaching: Kooperation mit Regionalligisten wird verstärkt

Ende 2017 waren die SpVgg Unterhaching und 1860 Rosenheim eine Kooperation im Jugendfußball eingegangen, diese soll nun auf den Männerbereich ausgeweitet werden. "Wir denken von der Philosophie her gleich und sehen die große Chance, dass beide Vereine nachhaltig und langfristig von dieser Kooperation profitieren werden", sagt SpVgg-Präsident Manfred Schwabl. Auf Anfrage bestätigte er, dass es sich bei der Region Voralpenland um ein wichtiges Einzugsgebiet handele, um mit Spielern von dort das Image des bayerischen, bodenständigen Vereins beizubehalten. Die Kooperation hatte sich schon jetzt bis zu den Erwachsenen ausgewirkt: Der 18-jährige Niclas Anspach wechselte vor drei Jahren zur SpVgg und absolvierte bislang ein Spiel in der dritten Liga. SZ

Winkler konnte hernach sogar dem Zwist mit seinem Torwart etwas Gutes abgewinnen: "Wer jetzt nicht angespannt oder nervös ist - das wäre ja auch falsch in so einer Situation", sagte er. Trainer Schromm zeigte sich zufrieden mit der Leistung. Sein Team werde oft "bitterst bestraft". Doch mit dieser Leistung könne der Befreiungsschlag nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wäre da nicht der Zwischenfall am Kabinengang gewesen, es würde sich um den harmonischsten Abstiegskandidaten seit Langem handeln.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2019
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