Sportpolitik:Quo vadis, Olympia?

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Die Mannschaft des deutschen Gold-Achters von Mexiko 1968 trägt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele die Olympia-Fahne in das Olympiastadion. (Foto: dpa)

Beim Spitzensport-Gipfel in München entspinnt sich eine nicht sehr zielführende Debatte über die Olympischen Spiele. Lösungsansätze sind dabei kaum zu erkennen.

Von Sebastian Winter, München

Es birgt schon eine gewisse Ironie, dass am Mittwochabend ausgerechnet im Münchner Olympiapark, auf dem 1971 eingeweihten Coubertin-Platz, im gleichnamigen Restaurant, die Idee des Begründers der neuzeitlichen Spiele zur Debatte stand. Jedenfalls das, was noch von ihr übrig ist. Pierre de Coubertin trat ja maßgeblich für eine Wiederbelebung der Olympischen Spiele ein, 1894 gründete er das Internationale Olympische Komitee. Jenes Gremium, das inzwischen kein schlechteres Image haben könnte. Das IOC stand auch im Mittelpunkt des vierten Spitzensport-Summits der Deutschen Olympischen Gesellschaft, der sich mit der Frage beschäftigte: "Olympia spaltet die Nation! Was kann die Olympiastadt München zu einer positiven Haltung gegenüber zukünftigen Bewerbungen in Deutschland beitragen?"

Um es vorweg zu sagen: Nicht viel. Lösungsansätze waren in der Expertenrunde, in der auch ein aktiver Athlet wie der kurzfristig aus beruflichen Gründen verhinderte Gesamtweltcupsieger im Ruder-Einer, Oliver Zeidler, sehr fehlte, kaum zu erkennen. Am meisten Schwung brachten noch ein Parforceritt von Olympiapark-Chefin Marion Schöne durch die jüngsten gescheiterten Olympiabewerbungen von Berlin 2000, Leipzig 2012, München 2018 und Hamburg 2024 zur Einstimmung und die Präsentation des Sport- und Eventmanagers Michael Mronz, der die Olympischen Spiele mit seiner Initiative "Rhein Ruhr City 2032" in den Westen der Republik holen will.

"Lieber eine Zeit lang hell scheinen als ewig funzeln", rät Professor Emrich den Athleten

Schöne warb erneut für München als Ausrichter der European Championships 2022, die kontinentale Titelkämpfe in sieben Sportarten vereint. "Im Vergleich zu den Spielen in Rio benötigen sie zwei Prozent des dortigen Budgets und decken 25 Prozent der olympischen Sportarten ab", sagte Schöne, für die ein Punkt entscheidend ist für künftige Olympiabewerbungen: "Die verbindenden Elemente des Sports müssen wieder viel mehr in den Vordergrund gestellt werden."

Im Vordergrund stand nach Schönes Einführung erst einmal Professor Eike Emrich, Leiter des Lehrstuhls für Sportökonomie und Sportsoziologie an der Universität des Saarlandes. Der redegewandte Wissenschaftler spannte den Bogen von Kant zu Coubertin und hinsichtlich der Athletenvermarktung von der Spiel- bis zur Glühbirnen-Theorie, die einige Lacher hervorrief ("Lieber eine Zeit lang hell scheinen als ewig funzeln"). Vor allem stellte Emrich in einer Art Proseminar die These auf, dass die hiesige Bevölkerung weder ein gesteigertes Interesse daran habe, deutsche Olympioniken ganz oben im Medaillenspiegel zu sehen, noch besonders viele Spendengelder für deren Förderung zu zahlen. Als Grund führte er das tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der von Korruption, Doping und Kommerzwahn durchtränkten Olympiashow und des IOC an. Im Übrigen eine Entwicklung, die nicht zuletzt Coubertin befeuerte, der die Losung "citius, altius, fortius", also "schneller, höher, stärker", in die IOC-Satzung einbrannte. Emrichs Lösungsvorschlag: Die Gründung einer Olympia-Stiftung, die regionale Projekte ohne jeglichen Sportbezug fördert, ihr Budget solle bei einer Milliarde Euro liegen. Die Idee, gerade auch die Menschen, die sich gar nicht für Olympische Spiele interessieren, ins Boot zu nehmen, ist im Kern absolut richtig, bleibt aber abstrakt. Denn wo soll die Milliarde in diesen Zeiten herkommen? Das IOC hat schon seine eigene Stiftung, die allerdings Sportprojekte fördert.

Neu ist das alles nicht, auch die frühere Fecht-Weltmeisterin Claudia Bokel, die bis 2016 im Exekutivkomitee des IOC saß, bestätigte das Glaubwürdigkeitsproblem der Funktionäre: "Vertrauen ins IOC muss wiederhergestellt werden", forderte sie, um dann den entlarvenden Satz zu sagen: "Das IOC hat genügend Rücklagen, um auch einmal ohne Winterspiele zu überleben." Eine Haltung, die desillusionierend ist, an einem Abend, an dem es eigentlich um eine positive Haltung für die Zukunft ging.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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