Süddeutsche Zeitung

Sportlerehrung:Kugeln aus Metall, Nerven aus Stahl

Dominique Probst, 18, ist EM-Dritte im Pétanque.

Von Oliver Götz

"Sie ist eine kommende Weltmeisterin", sagte Michael Dörhöfer, Präsident des Deutschen Pétanque-Verbands auf der Münchner Sportlerehrung. Einfach so, im Vorbeigehen, weit weg von der Bühne im Saal des Alten Rathauses, als wolle er nur noch einmal sicher gehen, dass sie auch ins rechte Licht gerückt wird. Dominique Probst hatte das gar nicht mitbekommen. Und wenn, dann hätte sie es weggelächelt. So wie sie das immer macht, wenn sie überschwänglich gelobt wird.

Zwei Wochen ist das nun her. Als eine von 306 Sportlern bekam sie die goldene Ehrenmedaille der Stadt verliehen, für ihren dritten Platz mit der Mannschaft bei der Pétanque-Europameisterschaft der unter 23-Jährigen im Herbst 2019. Eine Auszeichnung, die ihr viel bedeutet, die ihr "immer Motivation für das Jahr" mitgebe, sagt die 18-jährige Münchnerin: "Wenn ich meine Sache gut mache, kann ich zur Ehrung." Und dort, wie in diesem Jahr, Danilo Barthel, den Kapitän der FC-Bayern-Basketballer, treffen, oder Yasin Ehliz und Maximilian Kastner vom EHC Red Bull München. "Etwas ganz Besonderes", findet Probst.

Manchmal ist ein Sieg nur einen halben Millimeter entfernt

Dominique Probst schießt keine Scheiben und wirft keine Bälle - sondern Kugeln. Aus Metall, zwischen 650 und 800 Gramm schwer, 70,5 bis 80 Millimeter Durchmesser. Beim Pétanque, einer Spielart des Boule, muss sie diese so nah wie möglich an eine Zielkugel, das Schweinchen, heranbringen. Auf jeden Fall näher als ihre Gegnerin. Oder ihre Gegner. Die EM-Bronzemedaille gewann Probst im Triplette, im Drei gegen Drei also. Zwei Versuche hat eine Spielerin in diesem Fall je Aufnahme. Das sind sechs pro Team. Entsprechend sind maximal sechs Punkte möglich, wenn alle Kugeln der einen Mannschaft näher an der Zielkugel liegen als die bestplatzierte der anderen. Wer 13 Punkte erreicht, gewinnt. So war im EM-Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich nach einem 12:13 Endstation. Für Probst nur ein kurzer Moment der Enttäuschung. Schnell überwog die Freude über Bronze. "Mein erster großer internationaler Erfolg."

Fünf Mal war sie deutsche Meisterin. Als Achtjährige begann sie mit dem Boule, "meine Eltern kannten es aus dem Urlaub", erzählt sie. "Einen meiner Brüder hat es damals total interessiert, er hat sich als Erster im Verein angemeldet, wir sind dann nachgezogen." Mit wir meint sie ihre Mutter, ihren Vater, zwei Brüder und sich selbst. "Boule ist für mich ein Familiensport. Ich würde es nie so intensiv betreiben, wenn es nicht die ganze Familie machen würde." Handball und Volleyball habe sie auch mal gespielt, erzählt Probst. Inzwischen sei die Verletzungsgefahr zu hoch, auch reiche die Zeit nicht für zwei Sportarten. Im vergangenen Jahr hat sie ihr Abitur gemacht, im Herbst will sie ein Lehramtsstudium für die Grundschule beginnen.

Die für den Beruf nützliche Nervenstärke hat sie beim Boule schon erworben. "Es kann immer mal sein, dass du eine Kugel verwirfst, das darf dich nur nie aus der Ruhe bringen", sagt sie. Und: "Wenn du mit der Kugel in der Hand da stehst und mit einem Wurf deutsche Meisterin werden kannst oder eben nicht - danach hast du keine Probleme mehr mit Druck." Prüfungsangst, sagt sie, kenne sie quasi nicht mehr. Stehvermögen braucht es auch. "An einem Wettkampftag sind es schon mal sieben bis acht Spiele", erzählt Probst. "Das geht irgendwann auf die Beine."

Einen eigenen Coach hat sie nicht. Außerhalb des Nationalteams spielt sie wie ihre beiden Brüder für den 1. BC Mechenhard. Zuvor war sie acht Jahre lang bei der 1. Münchner Kugelwurfunion, wo sie noch Gastmitglied ist. Dort war sie nicht so oft zum Einsatz gekommen. Ihr neues Team bei Aschaffenburg besteht fast nur aus jungen Spielern, das fand sie "sehr reizvoll".

Vor allem die im Boule erforderliche Präzision fasziniert sie. "Ich habe schon Spiele verloren, weil eine Kugel einen halben Millimeter zu weit weg lag", erinnert sich Probst. Das soll in diesem Jahr möglichst selten passieren. Am 18. April startet sie mit dem BC in die Bundesligasaison. Ihr Ziel? "Meister wäre natürlich ein Traum."

Der Fokus aber liegt schon auf der EM im Oktober, erneut in Frankreich. "Vielleicht kann ich da auf dem Treppchen noch eine Stufe höher steigen." An diesem Wochenende will sie sich bei einem Turnier im hessischen Viernheim für eines der vier deutschen EM-Teams empfehlen. Und langfristig will sie sowieso Europameisterin und Weltmeisterin werden. Die Münchner Sportlerehrung wird sie dann nicht zum letzten Mal erlebt haben.

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SZ vom 05.03.2020
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