Snowvolleyball:Stollen im Schnee

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Vier Grafinger starten bei der deutschen Meisterschaft in Oberstaufen. Eine Juxidee? Die EM im April ist mit 100 000 Euro Preisgeld dotiert - 2026 soll der Sport olympisch werden.

Von Sebastian Winter, Oberstaufen/München

Benedikt Doranth hat in seiner Sportkarriere einiges erlebt. Der gebürtige Starnberger ist mit Herrschings Volleyballern von der Bayernliga in die Bundesliga aufgestiegen, er war deren Kapitän. Nach einem kurzen Ausflug in die Schweizer Profiliga fand der Außenangreifer 2018 bei Grafings Zweitliga-Volleyballern eine neue Heimat - und wurde mit ihnen fast Meister. Im Sand gelang Doranth immerhin dreimal die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft in Timmendorfer Strand. Doch längst konzentriert sich der 32-Jährige auf eine junge Unterart seines Sports - Snowvolleyball. An diesem zweitligafreien Wochenende startet Doranth mit seinen Grafinger Teamkollegen Julius Höfer, Fabian Wagner und Tim Noack (der diese Saison in der Halle pausiert) bei der deutschen Snowvolleyball-Meisterschaft in Oberstaufen. Das Quartett hat gar keine schlechten Chancen auf den Titel, Doranth sagt: "Wir stehen voll im Saft."

Volleyball auf Schnee, das gibt es wirklich, es ähnelt dem Beachvolleyball, und Doranth ist inzwischen ein Experte auf diesem schwierigen Terrain. Er war schon dabei, als diese zunächst etwas seltsam anmutende Variante noch in der embryonalen Entwicklung steckte. Vor zwölf Jahren gab es in den österreichischen Wintersportorten Wagrain und St. Anton sowie am bayerischen Spitzingsee die ersten Turniere. Organisiert wurden sie von einer Eventagentur aus Salzburg, die die Spieler teils mit kostenlosen Übernachtungen in Hotels, mit Skipässen und der notwendigen Ausrüstung für Ballsport auf dem meist hart gepressten Untergrund lockte - Fußballschuhen mit Stollen.

Doranth war damals auch dabei, die Teams wurden gelost, jeder durfte mitspielen, am Rand des Feldes standen Whirlpools zum Aufwärmen bereit. Von den Verbänden wurde das alles belächelt.

Seither hat sich diese Juxidee rasant entwickelt, die Verbände sind national und international auf den Werbe- und Vermarktungszug aufgesprungen. Der Weltverband FIVB plant, Snowvolleyball olympisch zu machen. 2018 in Pyeongchang wurden Showspiele gezeigt, 2022 in Peking soll es Demonstrationssport werden - und bei den Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo nach diesen Plänen erstmals olympische Sportart.

Der europäische Volleyball-Verband CEV hat inzwischen eine internationale Serie etabliert, die in dieser Saison in Georgien, der Slowakei, Italien und Österreich Station macht. Höhepunkt ist die Europameisterschaft in St. Anton am Osterwochenende - samt Center Court an der 2030 Meter hoch gelegenen Bergstation, atemraubendem Panorama - und 100 000 Euro Gesamtpreisgeld für die 24 Teams. Im vergangenen Jahr waren es noch 30 000 Euro. "Das ist auch ein lukrativer Anreiz", sagt Doranth. Qualifiziert sind die Sieger der nationalen Meisterschaften. Also auch die Grafinger, falls sie die DM in Oberstaufen gewinnen. Nur eine Weltmeisterschaft gibt es noch nicht.

"Ich wusste gar nicht, dass es dort ein Hochgebirge mit krassen Skianlagen gibt."

Doranth hat schon internationale Turniere in Iran gespielt, auf Einladung, am Flughafen in Teheran holte ihn und seinen Teampartner Yannic Beck ein Taxi ab und fuhr das Duo in die Berge. "Ich wusste gar nicht, dass es dort ein Hochgebirge mit krassen Skianlagen gibt", sagt Doranth, das iranische Fernsehen war auch da. Und mit dem Preisgeld refinanzierten Doranth und Beck ihren Flug, den sie als einziges selbst zahlen mussten.

In Deutschland steckt Snowvolleyball dagegen immer noch in den Kinderschuhen. Neben den Meisterschaften 2018 in Winterberg, 2019 in Willingen und nun in Oberstaufen gab es bislang kaum Turniere nach der Geburt am Spitzingsee. Preisgeld gibt es in Oberstaufen nicht, Hallen- oder Beachprofis lockt der Schnee erst allmählich an. Vor allem deshalb, weil sie in der Halle mitten in der Saison stehen - im Sand hat die Weltserie gerade begonnen.

Dass in Oberstaufen der Schnee ziemlich weggeschmolzen ist, dafür können die Organisatoren nichts - aber sie haben vorgesorgt: Im Kurpark haben sie auf der Eisfläche, auf der normalerweise Schlittschuh gelaufen wird, ein Feld mit Tribüne aufgebaut. Praktischerweise wird es nun von unten gekühlt. Der Schnee kommt laut Organisationschefin Katharina Keller aus Depots, 40 Zentimeter war er am Freitag hoch, beim "Kids Day". "Wir nehmen die Sportart ernst und haben vor, Snowvolleyball weiter auszubauen", sagt Keller.

Je acht Frauen- und Männerteams spielen bis Sonntag um den Titel, gespielt wird seit 2018 nicht mehr zwei gegen zwei, sondern drei gegen drei - und mit einem zusätzlichen Auswechselspieler. Über zwei Vierergruppen geht es ins Viertelfinale, Halbfinale und ins Endspiel. Der Block zählt, wie in der Halle und anders als im Sand, nicht als Berührung. Doranth findet das neue System gewöhnungsbedürftig, "schnelle Kombinationen sind schwierig, es ist fast Hallenvolleyball". Er wird wie seine Grafinger Mitspieler neben Kickschuhen und Thermokleidung auf jeden Fall auch dünne Handschuhe mit Noppen an den Fingern einpacken, für besseren Halt beim Zuspiel. "Und viele Socken." Winterfeste Fußballschuhe, auch das ist noch eine Marktlücke im Snowvolleyball.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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