Süddeutsche Zeitung

Skicross:"Ein saudummer Ausrutscher"

Heidi Zacher, Deutschlands beste Skicrosserin, hat sich abseits der Piste das Sprunggelenk gebrochen. Die Saison ist für sie beendet - aber sie will zurückkommen.

Von Ralf Tögel, Lenggries

Wie kann es anders sein: Heidi Zacher lacht, herzlich. Sie ist gerade nach Hause gekommen, aus der Klinik, das Sprunggelenk ist frisch operiert. Ihrer guten Laune scheint das keinen Abbruch zu tun, sie sagt: "Jetzt ist alles wieder da, wo es hingehört." Ein typischer Zacher-Satz: Für die 31-Jährige vom Skiclub Lenggries ist das Glas nie halb leer, selbst wenn ihr gerade das gebrochene Gelenk nebst gerissener Syndesmose operativ wieder in Ordnung gebracht wurde. Nun muss das Ganze nur noch möglichst schnell verheilen, die OP jedenfalls sei gut verlaufen. Das mit dem schnellen Verheilen aber ist so eine Sache. Die Saison für Deutschlands beste und bekannteste Skicrosserin ist jedenfalls gelaufen, mindestens acht Wochen "muss ich jetzt viel Geduld aufbringen", frühestens in sechs Wochen sei wieder daran zu denken, die geschundenen Knochen zu bewegen. Dann nämlich wird die Schraube aus dem Gelenk entfernt.

Heli Herdt lacht nicht. Er sagt: "Was willst du da noch sagen?" Zacher ist seit Jahren die Lokomotive der Skicrosser. Sie war meist diejenige, die dem Sportlichen Leiter Argumente für seine Sparte im Deutschen Skiverband (DSV) lieferte, sie ist seit Jahren eine Medaillenanwärterin. Und sie wird ebenso regelmäßig von Verletzungen oder Krankheiten gestoppt. Vor den Olympischen Spielen in Pyeongchang vor zwei Jahren zum Beispiel, da war sie neben Slalom-Liebling Felix Neureuther die große Goldhoffnung der Alpinen, nie zuvor stand sie so im Fokus, es gab Imagekampagnen des DSV. Dann riss das Kreuzband von Neureuther, und kurz vor dem Abflug nach Südkorea im letzten Training auch das von Heidi Zacher. Es war nicht das erste Mal, dass die Lenggrieserin mit dem sonnigen Gemüt von einem dunklen Schatten erwischt wurde. Zweimal war sie Zweite in der Skicross-Gesamtwertung, doch immer wenn es um Saisonhöhepunkte wie Winterspiele oder Weltmeisterschaften ging, hatte sie Pech. Wie in der Saison 2016/2017, dem Winter, der eigentlich nicht besser hätte beginnen können. Die Vorbereitung verlief störungsfrei, was sich bald in den Resultaten niederschlug: Der Doppelsieg im italienischen Innichen, eine der schwersten Übungen im Weltcup, denn nach einem Sieg die Spannung so hoch zu halten, dass man am folgenden Tag die weltbesten Konkurrentinnen erneut düpieren kann, das gelingt wenigen Athleten. Dann der Sieg im Heimrennen am Feldberg - wer sollte Heidi Zacher bei der WM in der Sierra Nevada noch stoppen? Ein fieser Virus. Schwer angeschlagen und fast ohne Stimme raste sie noch auf Rang vier. Und wieder fehlten Herdt die Worte. Zacher nahm es sportlich, wie immer. Aufstehen, weitermachen.

Es ist die dritte schwere Verletzung, die Heidi Zacher lange außer Gefecht setzt

In diesem Winter lief es zunächst nicht nach Wunsch, Zacher kam zäh in die Saison, die Ergebnisse im Dezember, der angesichts von Schneemangel einmal mehr keinen Rhythmus zuließ, blieben hinter den Ansprüchen der Lenggrieserin. Ein elfter und ein zwölfter Platz im französischen Val Thorens, Platz zwölf im Montafon in Österreich. Aber Zacher steigerte sich. Vor dem Abflug nach Kanada zum Rennen in Nakiska standen Rang acht in Arosa/Schweiz und der neunte Platz in Innichen zu Buche. Doch der Verband hatte zwei achte Plätze als Kriterium für die Teilnahme ausgegeben, Zacher musste zu Hause bleiben, sollte mit viel Training und bei zwei Fis-Rennen in Val Thorens weiter an ihrer Form feilen. Das gelang prächtig, ein Sieg und ein zweiter Platz hinter Marielle Sabbatel Berger, einer französischen Topfahrerin, zeugten von einem weiteren Schritt nach vorne. Dann war Training auf der Reiteralm in Österreich angesagt, Zacher war nach dem Frühstück früh morgens auf dem Weg in den Skiraum, es hatte frisch geschneit: "Ich habe einen Moment nicht aufgepasst und bin saudumm ausgerutscht." Tausendmal sei ihr das schon passiert. Doch dieses Mal kam sie so unglücklich mit dem Fuß auf, dass der Knochen brach und die Syndesmose riss. "Hätten sie mich mal lieber mit nach Kanada genommen", sagt sie mit leicht vorwurfsvollem Unterton, sie wäre gern in Nakiska gestartet. Es wurden schon Athleten mit schlechteren Platzierungen nominiert. Aber: "Es ist, wie es ist."

Nun muss sie "Geduld finden, der Fuß braucht Ruhe". Keine leichte Situation, nicht einmal für Zacher, im März wird sie 32 Jahre alt. Kein Alter für eine Skicrosserin, schon gar nicht für eine ihrer Klasse. Aber zu weit in die Zukunft will sie nicht denken, an ein Karriereende sowieso nicht. Es ist nach dem Spiralbruch im Schienbein und dem Kreuzbandriss die dritte schwere Verletzung, die sie länger außer Gefecht setzt. "Schritt für Schritt", will sie sich herankämpfen, wie immer. Vom Verband erhält sie "jede Unterstützung", sagt Herdt, sei es "vom Ärztesystem oder vom Rehasystem". Ihre positive Einstellung werde ihr helfen, sagt Herdt noch, für Prognosen sei jetzt aber nicht die Zeit.

Cheftrainer Peter Stemmer sagt: "Heidi ist eine Teamleaderin und wird uns sehr fehlen. Sie war wieder auf einem sehr guten Niveau, wir hoffen, dass sie möglichst schnell, möglichst stark zurück ins Team kommt." Er lacht nicht.

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SZ vom 25.01.2020
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