Süddeutsche Zeitung

Sixpacks, Shootings und soziale Medien:Modell-Athleten

Sportler sind Werbefiguren. Längst haben auch Amateure die elektronischen Kanäle zur Selbstvermarktung entdeckt. Manche machen sogar einen Beruf daraus.

Von Andreas Liebmann, Johannes Schnitzler und Ralf Tögel

Als Fußballer hat Jan Bergerhoff ein Problem. Er ist technisch beschlagen, kopfballstark, für den SV Pullach hat er in der Bayernliga mal drei Tore in einem Spiel erzielt. Aber: Er sieht einfach verdammt gut aus. Groß, athletisch, grüne Augen. Irgendwann war er dann weg. Ein Jahr Australien, dann Modeln in Mailand. Sehr sporadisch hat er noch beim FC Falke Markt Schwaben gekickt, in der Heimatgemeinde, an der "mein Herz hing", wie er sagt. 19 Einsätze in dreieinhalb Jahren, 14 Treffer. Gute Quote. Aber wer den 28-Jährigen im Internet sucht, sieht ihn dort nicht mehr in verdreckten Fußballtrikots. Sondern in edlen Outfits etwa von Armani. Oder oben ohne, Sixpack voraus.

Marian Knecht hat als Fußballer zurzeit kein Problem. Er ist schnell, technisch versiert und hat sogar 16 Treffer in 18 Einsätzen erzielt - allein in dieser Saison. Und er ist nicht sporadisch auf Kreisebene, sondern in der Bayernliga beim BCF Wolfratshausen aktiv. Dort ist der 25-Jährige nicht mehr nur mit seiner Frisur auffällig, dem zu einem Knoten nach oben gebundenen Deckhaar. Sondern hat sich zum Hoffnungsträger im Kampf um den Klassenerhalt entwickelt. Auch an diesem Samstag (14 Uhr) gegen Dachau hofft man in Wolfratshausen auf Knechts Tore. Vor einer Woche hat er seinen ersten Bayernliga-Dreierpack erzielt. Dass auch ihr Stürmer nun Richtung Mailand entschwindet, müssen die Farcheter aber nicht befürchten - obwohl auch Knecht modelt.

Knecht ist ein "Influencer": Er ist als Blogger auf Instagram aktiv, hat dort 41 000 Abonnenten. Auf seiner Seite inszeniert er sich in allerhand coolen Posen, auf der Straße, gerne vor Graffiti. Die Bilder wirken professionell, sind aber meist von Freunden gemacht. Knecht kennt sich selbst gut aus mit Fotografie. Es sei schwer gewesen, auf eine solche Reichweite zu kommen, sagt er, man müsse sehr aktiv sein, auch auf anderen Seiten, viel kommentieren, liken, "Fußspuren" im Internet hinterlassen und dann eben mit guten Bildern überzeugen. 41 000 sind noch nicht viel, meint er, aber ein guter Anfang.

Er ist immerhin schon so weit, dass Firmen ihm ihre Produkte anbieten, damit er sich mit ihnen zeigt. Knecht setzt dann sozusagen zwei Marken gleichzeitig in Szene: die des Unternehmens und sich selbst. Die Produkte darf er danach behalten, etwas Geld bekommt er auch. Um neben dem Fußball auch damit das Studium zu finanzieren, reiche es "absolut", versichert er.

Knecht hat auch mal klassisch gemodelt. Er sei angesprochen und in einer Kartei gelistet worden, bald kam ein Laufsteg-Job ("verwunderlich, weil ich mit 1,80 Meter zu klein bin"), ein paar Shootings folgten. Dann trennte er sich von der Agentur. Vielleicht wolle er es mal wieder in diese Richtung probieren, sagt er, doch er habe damals schon gewusst, dass Instagram für ihn spannender ist. Knecht inszeniert sich nicht aus Narzissmus, er hat einen Plan. Er studiert Mode- und Designmanagement, will später ein eigenes Mode-Label herausbringen. Dafür braucht er die Reichweite, die vielen Follower, kreiert sich selbst als Marke. Sein Karriereplan basiert auf Social Media. Er sei da "nur mit der Zeit gegangen". Ganz anders als bei Bergerhoff, der damals während seines Australienjahrs vermehrt zu modeln begann, plötzlich für Hamburg gebucht wurde, Barcelona, Kapstadt - und der bis heute nicht recht wisse, "wie ich bei Armani reingerutscht bin". Er habe das Modeln dazu genutzt, Reisen zu finanzieren, "als bezahlte Möglichkeit, fremde Kulturen kennenzulernen". Nach dem Management-Studium startete er vor gut einem Jahr Richtung Asien, gerade fliegt er von Australien weiter nach Indien. 2018 will er heimkehren.

Henrik Thiel

"Wenn man drei Jahre in New York gearbeitet hat, ist das, wie wenn man für den FC Bayern gespielt hat: Danach kann man sich die Jobs aussuchen."

Dass Sportler Marken-Botschafter sind, ist seit Erfindung der Jägermeister-Trikotwerbung Mitte der siebziger Jahre gang und gäbe. Und ein durchtrainierter Sportlerkörper ist ja nicht die schlechteste Werbefläche. Meist werden Sportler nach großen Erfolgen gebucht. So kam Olympiaschwimmerin Alexandra Wenk zu Trachtenmoden, deshalb lassen sich die FC-Bayern-Basketballer für einen Herrenausstatter ablichten. In manchen Fällen liegt die Sache anders. Torwart Andreas Rössl war nach seinem Engagement bei Eintracht Frankfurt ein halbes Jahr vereinslos. Da erinnerte er sich an die Freundin eines Teamkollegen, die als Model arbeitete und Rössl gefragt hatte, ob das nicht auch für ihn etwas wäre. Die Gelegenheit war gut, Rössl stellte sich bei diversen Agenturen vor und wurde gelistet. Sechs Jahre ist das her. Mittlerweile spielt der 29-Jährige beim FC Bayern II und ist Torwart-Trainer von drei Jugendteams. "Ich nehme kaum noch Aufträge an, die kommen meist kurzfristig, da ist es zeitlich schwierig", sagt Rössl.

Henrik Thiels Erfolg als Sportler war überschaubar: eine Saison beim damaligen Eishockey-Drittligisten Tölzer Löwen. 21 Mal stand Thiel auf dem Spielberichtsbogen, eine Vorlage, eine Strafzeit. Meist saß er nur auf der Bank. Aber das sehr fotogen. Irgendwann wurde aus ein paar ersten Jobs für Discounter-Prospekte ein Hauptberuf. Der gebürtige Düsseldorfer, Jahrgang 1988, 1,88 Meter groß, 88 Kilo schwer, ging nach New York - und shootete für die größten Marken (Porsche, Adidas, Bogner, Lacoste, Polo Ralph Lauren), mit den prominentesten Fotografen (Ellen von Unwerth, Antoine Verglas). Mittlerweile ist Thiel 29, lebt wieder in Deutschland, macht nach abgeschlossenem Sportwissenschaftsstudium seinen Master in Sport Business Management und plant die Gründung einer eigenen Sportmanagement-Agentur gemeinsam mit dem ehemaligen Schalke-04-Manager Andreas Müller. Model-Jobs übernimmt er noch gelegentlich, "wenn ich mich mit der Sache identifizieren kann", aber das ist eigentlich kein Problem: "Wenn man drei Jahre in New York gearbeitet hat, ist das, wie wenn man für den FC Bayern gespielt hat: Danach kann man sich die Jobs aussuchen", sagt Thiel ohne jeden Anflug von Hochmut. Zuletzt arbeitete er für René Lezard.

Bei Paulina Huber lief es anders. Die 20-jährige Leichtathletin der LG Stadtwerke München hat sich lange dagegen gesperrt, auf Instagram aktiv zu sein, wollte nicht noch ein Social-Media-Profil pflegen. Mit Sport und Studium hat sie genug zu tun. Vor einem Jahr legte sie sich dann doch eine Seite zu, stellte ein paar ihrer Modelfotos ein. "Ich will das eher ausbauen", sagt sie nun, "es ist doch wahnsinnig wichtig, sich auf solchen Plattformen zu vermarkten. Die Leute werden so vielleicht neugierig auf deine Sportart" - die Leute, und natürlich die Sponsoren. Gemodelt hat Huber schon als Kind, ihre Eltern sind Fotografen, dank ihrer ausdrucksstarken Augen war sie mal auf einem Focus-Cover. Dann nahm ihre Leichtathletik-Karriere Fahrt auf. Im Sommer lief sie über 100 Meter Hürden bei der U-23-EM. Doch sie habe schon auch festgestellt, "dass irgendwo Geld reinkommen muss". Das Modeln soll ihr dabei helfen, ihren Sport zu finanzieren. Dass Sportler gerne wegen ihrer athletischen Figuren gebucht werden, kann sie übrigens so nicht ganz bestätigen: Obwohl sie schlank ist, 1,78 Meter groß, keine Werferin mit Wahnsinnskreuz, wie sie sagt, sei sie für den Fashion-Bereich ungeeignet. Ihre Waden, der Bizeps seien auf Bildern schon mal geschmälert worden. "Das ist eine schöne, nicht echte Welt, für die nur zarte Mädels gesucht werden", bedauert sie. Aber sie will ja kein Model sein. Sondern eine erfolgreiche Sportlerin, die modelt.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2017
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