Süddeutsche Zeitung

Segeln:Vom Malojawind verweht

Der Bayerische Yacht Club schippert beim Finale der Sailing Champions League in St. Moritz nur hinterher. Die Professionalisierung der Konkurrenz und der besondere Wind machen der Crew zu schaffen.

Von Thomas Gröbner, Starnberg/St. Moritz

Eigentlich läuft das ja so ab vor einem Wettkampf: Man sinniert über die eigenen Stärken, taxiert die Gegner, zieht vielleicht noch eine Statistik zu Rate, deutet Zeichen oder horcht auf das Bauchgefühl, das sich ja manchmal auch nicht täuscht. Und daraus lässt sich dann ableiten, mit welchem Ergebnis man am Ende glücklich sein könnte. So lief es für den Bayerischen Yacht Club beim Finale der Sailing Champions League in St. Moritz am Wochenende nun wirklich nicht - und das muss einen doch wundern.

"Ziele? Wir haben keine Zeit gehabt, uns überhaupt mit diesem Event auseinanderzusetzen", sagt Steuermann Veit Hemmeter nach dem 16. Platz. Wenn auch kein Ziel ausgegeben war, das Ergebnis kratzt am Selbstverständnis. "Damit kann man nicht zufrieden sein", sagte Hemmeter. Denn die eigenen Stärken, die schätzt er ja ganz anders ein: "Wenn wir unser Potenzial abrufen, dann können wir eigentlich um den Sieg mitfahren", glaubt der 31-Jährige aus Lindau. Davon waren sie aber weit entfernt. Denn zu diesem Wettkampf, eigentlich einer der Höhepunkte der Saison, kam die Crew völlig unvorbereitet zusammen.

Spannungen habe es danach keine gegeben, auch Vorwürfe wollte Hemmeter niemanden im Team machen. "Wir sind ja alle Freunde." Aber sei halt so gewesen, dass kein richtiges Training möglich gewesen war. "Privates und Geschäftliches" habe das verhindert. Und so musste sich das Team erst auf dem Wasser von St. Moritz einspielen - während der Wettfahrt! Eigentlich hatte sich ja der Klub mit einer Crew um den Augsburger Julian Autenrieth als Sieger im Vorentscheid in St. Petersburg für das Finale qualifiziert, in St. Moritz aber startete eine andere Crew. Das sei die Entscheidung des Vereins gewesen, der habe ihn und seine Crew für die Königsklasse nominiert, erklärt Hemmeter, der sich ärgert: "Wir sind den Anspruch des Klubs nicht gerecht geworden." Der Anspruch des Vereins ist eben nicht, hinterherzuschippern.

Die in Deutschland entwickelte Sailing Champions League hat enorm an Qualität zugelegt

Natürlich, es waren keine einfachen Bedingungen auf dem St. Moritzersee. Böig fiel der Wind ins Tal ein, der berühmte Malojawind ist ja die besondere Herausforderung, hier in der Enge des Tals, vor der Kulisse des Jetset-Ski-Ortes. Denn wenn die Sonne die steilen Berghänge erwärmt, dann zieht der Wind über den Malojapass ins Engadin und bläst dort talabwärts. Der "verkehrte Wind", oder "Nachtwind des Tages" wird er genannt, wenn er über den See streicht. Zusammen mit den drehenden Böen und Windlöchern entstehen anspruchsvolle Bedingungen für die Segler. "Du hast nur eine kurze Fläche auf dem Wasser, an dem du die Böe erkennen kannst", erklärt Hemmeter.

Die deutschen Klubs hatten das Starterfeld zumindest zahlenmäßig dominiert, sechs Segelvereine waren an den Start gegangen und stellten so das größte Kontingent unter den 24 Booten. Doch so richtig mithalten konnte nur der deutsche Meister vom Norddeutschen Regatta Verein, der hinter den Australiern den zweiten Rang belegte. Der Deutsche Touring Yacht-Club, der 2016 triumphierte, hatte sich erst gar nicht qualifizieren können. Das in Deutschland entwickelte Format hat mittlerweile enormen Zuspruch - und an Qualität zugelegt. Und so gehen die Klubs an der Spitze inzwischen mit ganz anderen Voraussetzungen an den Start als die deutschen Starter.

Für den Sieger vom australischen Royal Sydney Yacht Squadron, einem der renommiertesten Segelclubs der Welt, war Profi David Chapman am Steuer. Der schwedische Segelstar Björn Hansen verpasste knapp die finale Wettfahrt um den Gesamtsieg, so groß war die Qualität an der Spitze, dass die Entscheidung ohne Hansen fiel. Auch die Russen, die Italiener und die Dänen hatten Profi-Segler aufgeboten, während auf den deutschen Booten Amateure unterwegs waren, darunter viele Studenten. Beschweren möchte sich Hemmeter nicht. Er ist ganz glücklich darüber, sich mit Profis messen zu können. So könne man lernen, so könne man besser werden. Und das ist ja eigentlich ein ganz gutes Ziel.

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SZ vom 20.08.2019
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