Süddeutsche Zeitung

Segeln:Ein gepflegtes 5:0

Der DTYC geht als Führender ins Bundesliga-Finale, gibt sich aber noch verhalten

Von Ralf Tögel, Tutzing

Julian Stückl schiebt sein Rad. So kann er besser nebenbei telefonieren. Die Meinung des 22-Jährigen ist gerade gefragt, denn eines kann er ungleich besser als Rad fahren: segeln. An diesem Wochenende will Julian Stückl eine bislang großartige Saison krönen - mit dem deutschen Meistertitel. Der letzte Wettbewerb der Deutschen Segel-Bundesliga steht auf dem Programm, es ist die dritte Saison des jungen Formats, und die Crew des Deutschen Touring Yacht-Clubs (DTYC) aus Tutzing führt das Klassement an. Schon an diesem Donnerstag finden die ersten Wettfahrten statt, am Samstag will Steuermann Stückl mit seinen Teamkollegen die Trophäe in den Hamburger Abendhimmel stemmen. Nach Rang vier in der Premierensaison und Platz zwei 2014 wäre der Titel so etwas wie die logische Konsequenz.

Mittwochmittag: Stückl ist unterwegs, um noch eine Kleinigkeit zu essen, ehe es zum Training aufs Wasser geht. Die Teamkollegen Patrick Follmann und Luis Tarabochia sind gerade eingetroffen, Stückl und Phil Blinn können sich die Anreise an die Außenalster sparen, die beiden studieren in Hamburg. Vielleicht ein kleiner Vorteil, denn sie kennen dieses Revier recht gut. Doch mit Prognosen sind Segler sparsam, keiner will sich zu weit über Bord lehnen. Die Zahlen sprechen indes für sich: Elf Punkte Vorsprung haben die Tutzinger vor dem Finale, beenden sie die letzte Regatta besser als auf dem zwölften Platz, sind sie Meister. Das schlechteste Ergebnis in den sechs bisherigen Regatten war Rang acht.

Ausgerechnet dieser achte Rang datiert aber vom vergangenen Spieltag am Bodensee, als die Tutzinger die vorzeitige Meisterschaft verpassten. Jetzt sagt Julian Stückl: "Der Vorsprung ist schon recht komfortabel, aber es kann viel passieren." Damit meint der Skipper keine vom Gegner entsandten Klabautermänner, die sich in der Takelage festsetzen, Stückl spricht von "Dingen, die man nicht auf dem Zettel hat". Natürlich haben sie sich akribisch vorbereitet, sind gut in Form, es wird die Crew im Boot sitzen, die in der Champions League auf den vierten Platz gesegelt ist. Auch die Wetterprognose passt, für Donnerstag ist wenig Wind vorhergesagt, Freitag und Samstag mittlere Windstärken. "Da sind weder die Starkwind- noch die Leichtwind-Experten im Vorteil", sagt Stückl. Weil die Segler schon selbst von Spieltagen reden: Wie wäre der Vorsprung vergleichsweise im Fußball einzuschätzen? "Vielleicht 3:0", sagt Stückl und schiebt nach: "Aber man soll den Tag nie vor dem Abend loben."

Der Vorsitzende des DTYC, Wolfgang Stückl, findet, dass sein Team mit einem "gepflegten 5:0" ins Rennen geht. Aber er kann die Aktiven gut verstehen, nicht nur weil er seinen Sohn und Skipper sehr genau kennt: "Jeder ist vorsichtig mit seinen Aussagen." Teammanager Michael Tarabochia, dessen Filius ebenfalls im Boot sitzt, verbittet sich gar derlei ungebührliches Geklapper: "Wir wollen erst einmal gut segeln", sagt er. Der Titel wäre jedenfalls ein willkommenes Pfund zum Wuchern, erklärt Wolfgang Stückl, ein gutes Argument für Sponsorengespräche. Und eine Bestätigung "für unsere Jugendarbeit der vergangenen 15 Jahre".

Der Münchner Yacht-Club (MYC) hat derweil kleinere Ziele. Es sah zu Beginn der Saison nicht gut aus, doch die Crew kam immer besser in Fahrt, der zweite Platz von Überlingen brachte vor dem letzten Rennen Gesamtplatz acht. Den sicheren Klassenerhalt sollen nun Skipper Kay Niederfahrenhorst, Marc Anschütz, Florian Grosser und Manuel Zwinz ins Trockene bringen. Auch eine machbare Aufgabe. Der zweitplatzierte Berliner Yacht-Club und der Titelverteidiger Norddeutscher Regatta Verein (13 Punkte Rückstand) werden unterdessen auf Fehler des Tabellenführers Tutzing lauern. Eigentlich ein ganz normaler Bundesliga-Spieltag.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2015
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