Segeln:Bayern auf Salzwasser

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Bereit zum großen Abenteuer: Die Segler vom Starnberger See wollen sich mit erweiterter Crew auf offenem Meer beweisen (Foto: Lars Wehrmann)

Der Deutsche Touring Yacht-Club nimmt als nationaler Meister am Nord Stream Race teil. Mehr als 1000 Seemeilen von Kiel nach St. Petersburg - für die Tutzinger eine völlig neue Herausforderung.

Von Ralf Tögel, Tutzing

Es sind ereignisreiche Tage für Michael Tarabocchia, kürzlich war er in Finnland. Dort fand die Weltmeisterschaft der Melges-24-Klasse statt. Es war schon fast ein Familientörn, denn seine Söhne Luis, 23, und Marco, 16, waren mit von der Segelpartie, dazu Sebastian Bühler und Dominik Müller. Natürlich handelte es sich nicht um einen Familienausflug mit Freunden, der 14. Platz in der Gesamtwertung des 60 Teilnehmer starken und international hochwertig besetzten Feldes darf vielmehr als weiterer Beleg für die herausragende Arbeit des Deutschen Touring Yacht-Clubs (DTYC) gelten. In der Wertung der Amateure mussten die Tutzinger nur einer italienischen Crew den Vortritt lassen.

In der Bundesligasaison ist der aktuelle Meister ebenfalls wieder einer der großen Titelanwärter, momentan liegt der DTYC punktgleich mit dem Segel- und Motorboot Club Überlingen auf dem zweiten Tabellenplatz. Nicht wenige sehen im Titelverteidiger den kommenden Meister, noch aber steht das Saisonfinale Anfang November aus, deshalb mahnt Michael Tarabocchia Zurückhaltung an: "Die Konkurrenz wird jedes Jahr enger, es sind große Anforderungen an die Aktiven, die ja alle studieren oder einen Beruf haben."

Tarabocchia selbst hat neben Trainer-Urgestein Norbert Wagner großen Anteil am Tutzinger Aufschwung, er ist nicht nur ein guter Segler, er ist auch Teammanager der Bundesliga-Mannschaft, derjenige also, der das Team zusammenstellt. Gerade aus diesem Blickwinkel ist er momentan besonders gefragt, denn die Erfolge des Vereins machen diesen weit über Bayern hinaus bekannt. Bis nach St. Petersburg, denn aus der russischen Metropole flatterte im Frühjahr ein Angebot ins Haus, das man als Segler nicht ablehnen kann: eine Einladung zum Nord Stream Race.

Fünf Teams, fünf Länder, vier Etappen, mehr als 1000 Seemeilen: Am 26. August geht das Nord Stream Race in seine fünfte Auflage, es führt die Crews in elf Tagen von Kiel über Kopenhagen, Stockholm und Helsinki bis nach Sankt Petersburg, von West nach Ost über die Ostsee. Start ist in Kiel mit einem Hafenrennen, ehe es am nächsten Tag auf dem offenen Meer Richtung Kopenhagen geht. Dort gibt es erneut erst ein Kurzrennen, dann laufen die fünf Yachten nach Göteborg aus - das Muster für die Regatten bis zum Zielhafen St. Petersburg. Dort findet das Rennen am 8. September mit einer großen Siegerehrung sein Ende.

Für den Klub aus Tutzing ist die Einladung zunächst "eine große Ehre", wie Tarabocchia unterstreicht. Allerdings hat sich der DTYC diese mehr als verdient, immerhin ist der deutsche Meister auch der aktuelle Champions-League-Sieger. Die Zusammenstellung der Mannschaft für das Offshore-Rennen geriet trotz der vielen jungen Talente - oder gerade deswegen - zu einer kniffligen Aufgabe für den Teammanager. Denn Erfahrung auf offenem Meer ist unerlässlich - und darüber verfügt im Team lediglich Routinier Phil Blinn, doch der hat keine Zeit.

In Laura Fischer hat der Meister eine Frau mit an Bord - die einzige im gesamten Starterfeld

Also machte Michael Tarabocchia aus der Not eine Tugend, erinnerte sich an die Segelkameradschaft mit dem Bundesliga-Konkurrenten Das Wappen von Bremen, mit der Folge, dass zwei Offshore-erfahrenen Segler aus Bremen zur Crew zählen werden. Hinzu kommt im 39-jährigen Jörg Reissland ein auf dem offenem Meer ebenfalls äußerst erfahrener Mann vom Seglerbund Berlin, sowie Hugh Brayshaw von der britischen Offshore-Akademie. Brayshaw gehört quasi zum Klub, er war schon als Coach für Tutzing tätig, wie Tarabocchia erzählt. Für den DTYC gehen zudem die drei Tarabocchias ins Rennen, sowie Julian Stückl und Laura Fischer, womit die fünf geforderten Teilnehmer vom Heimklub genannt wären. In Laura Fischer geht im Übrigen nicht nur eine aktuelle deutsche Meisterin und Champions-League-Siegerin aufs Boot, sie ist auch die einzige Frau des gesamten Starterfeldes, so Tarabocchia. Zudem stellt der Veranstalter neben dem Boot - es wird auf hochseetauglichen Yachten der Klasse ClubSwan 50 gesegelt - einen Profi-Skipper, damit steht die zehnköpfige Crew. Für Tarabocchia senior wird ab Stockholm Dominik Müller übernehmen, der 56-jährige Rechtsanwalt wird wegen beruflicher Verpflichtungen von Bord gehen.

Für die Tutzinger ist der Wettbewerb Neuland, die gemeinsame Vorbereitung beschränkt sich auf zwei Trainings in Kiel. Die Hafenrennen indes kommen den Tutzingern zupass, dort herrschen ähnliche Bedingungen wie in der Bundesliga, wo der DTYC bekanntlich das Maß der Dinge ist. Spätestens wenn das Tutzinger Boot aber das offene Meer erreicht, wird das Ganze zu einem großen Abenteuer. Und als solches will es der DTYC auch verstehen, "etwas völlig Neues, eine tolle Herausforderung", wie der Teammanager sagt. Und wer weiß, vielleicht leckt der ein oder andere Tutzinger Blut für das Offshore-Racing, Tarabocchia findet den Gedanken nicht abwegig: "Es kann durchaus sein, dass ein Bayer aufs Salzwasser geht."

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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