Süddeutsche Zeitung

Schwimmsport:Wassermangel

Am Dienstag macht die Olympia-Schwimmhalle wegen Renovierungsarbeiten dicht. Für die Spitzenathleten der SG Stadtwerke ein Problem, sie müssen ausweichen und improvisieren.

Von Sebastian Winter

Von diesem Dienstag an schließt die Olympia-Schwimmhalle wieder ihre Pforten, 14 Tage lang komplett, die Woche danach ist nur das Fitnesscenter geöffnet. Sprungbecken und 50-Meter-Becken sind voraussichtlich bis Frühjahr/Sommer 2018 ganz gesperrt, was auch für die Leistungssportler der SG Stadtwerke Schwierigkeiten bringt. Besonders die Schwimmer um Alexandra Wenk und Florian Vogel und die Wasserspringer müssen Alternativen suchen. Aber auch die Wasserballer und Synchronschwimmerinnen müssen mit Einschränkungen leben, in einer Stadt, der es gerade nicht an Regen, aber definitiv an Wasserflächen mangelt - und an einem alternativen 50-Meter-Becken. Ein Überblick.

Schwimmen

Die Spitzenschwimmer der SG Stadtwerke München sind in ein postolympisches Loch gefallen nach den Spielen in Rio. Florian Vogel machte eine Weltreise und riss sich im Januar kurz nach seiner Rückkehr beim Skifahren das Kreuzband, er wird die deutsche Meisterschaft Mitte Juni in Berlin verpassen und damit auch die WM. Der 22-Jährige macht Reha-Training und konzentriert sich auf sein Studium, neun Prüfungen hat er vor sich. Alexandra Wenk war nach ihrem enttäuschenden Abschneiden am Boden zerstört und zog sich im Herbst auch noch eine komplizierte Schulterverletzung zu. Ein halbes Jahr konnte sie keine Rennen bestreiten, erst am 21. April sprang sie erstmals wieder in ein Wettkampfbecken. "Einige schmerzhafte Spritzen, viele Stunden, in denen ich meinen Arm kaum bewegen konnte. Ein paar Momente, in denen man sich verzweifelt fragt, wie es wohl weitergeht, und ein paar Kilometer, die zu Anfang doch sehr schwer waren", schreibt Wenk auf ihrer Facebook-Seite. Die Zeiten stimmen natürlich längst noch nicht wieder, aber Wenk möchte bei der DM schwimmen - und sich vielleicht sogar für die WM qualifizieren. "Ich bin froh, endlich wieder meinen Kampfgeist zurück zu haben", schreibt sie. Am Freitag schwamm sie beim Grand Prix in Atlanta, im Training muss sie nun improvisieren.

Denn die 50-Meter-Bahn in der Olympiaschwimmhalle schließt nun genau in der heißen Vorbereitungsphase für die DM. Immerhin können die SG-Schwimmer Anfang Juni ans Lehrschwimmbecken unter die Tribüne ausweichen, doch es hat nur fünf Bahnen und nicht acht wie das große Becken. "Wir müssen schauen, dass wir zusammenrutschen", sagt SG-Vorstand Andreas Füchsl, und Stützpunkttrainer Olaf Bünde macht klar: "Schön ist es nicht, aber auch nicht katastrophal." Einige seiner Schwimmer können das Becken des privaten Isarsport-Gymnasiums nutzen, mit anderen fährt er bald zu einem Lehrgang nach Heidelberg. Wenk trainiert ohnehin mal in Österreich, mal in Hamburg, mal auf Fuerteventura oder in Thailand. Oder, wie gerade erst, in den USA.

Doch der Eindruck täuscht nicht, dass sich neben ihrer Haupttrainingsstätte auch die SG-Schwimmabteilung im Umbruch befindet. Einige Schwimmer der zweitstärksten Gruppe haben aufgehört, zudem mangelt es an richtig starken Talenten. "Mir fehlen ein bisschen die Topschwimmer bei Jahrgangs-Meisterschaften. Wir müssen wieder vermehrt von unten heraus arbeiten, um irgendwann Nachfolger der Wenks und Vogels zu finden", sagt Füchsl. Trainer Bünde hofft, dass sich auch in der neuen Eliteschule des Sports im Münchner Norden einige vielversprechende Talente entwickeln. Bei der süddeutschen Meisterschaft tat sich vor einer guten Woche besonders die erst zwölfjährige Amelie Zachenhuber mit fünf Titeln hervor. Doch das Ausnahmetalent schwimmt nicht für die SG, sondern für Prinz Eugen München. Und der dortige Trainer Elvir Mangavic hält nicht allzu viel davon, sie künftig zur SG zu schicken. "Es wird ein schwieriges Jahr", fasst Füchsl zusammen, "ich mache drei Kreuze, wenn 2018 ist." Und der Umbau beendet.

Wasserspringen

Die SG-Wasserspringer leiden am meisten unter der Generalüberholung. Die Sprungbretter in der Olympia-Schwimmhalle können wie das große Becken wohl ein Jahr lang nicht mehr genutzt werden. Es gibt zwar zwei weitere Bretter im Becken des Zentralen Hochschulsports, doch dort kommen die SG-Wasserspringer mit Studenten und Leistungsschwimmern ins Gehege. Zusammen mit dem Bayerischen Schwimmverband haben sie die Politik überredet, ihnen das Bad der Bayerischen Bereitschaftspolizei an der Rosenheimer Straße zu geben, auch dort gibt es ein Einmeter- und ein Dreimeter-Brett. "Generell gibt es für diesen Sport hier in München aber ein Infrastruktur-Problem", sagt SG-Vorstand Füchsl. Auch deshalb musste der Leiter der Wasserspringer, Ingo Straube, die Leistungsgruppen immer weiter abspecken. "Früher war die Gruppe doppelt so groß", sagt Straube. Lisa Mertes macht dieses Jahr ihr Abitur am Isar-Sportgymnasium, Dennis Nothaft ist zum Sportinternat Halle/Saale gewechselt, Lydia Scheringer in die USA. Über die Sommermonate kommt sie wieder zurück und springt vielleicht auch bei der DM. Bei Mertes dürften sich die Trainingseinheiten wegen der Schließung von sechs auf zwei bis drei Einheiten verringern, in den Ferien plant Straube Lehrgänge in Bayreuth. Ein großes Problem ist auch, dass die meisten Bretter in München nicht wettkampftauglich sind. Die Springer brauchen elastische Duroflex-Bretter, die es in München kaum gibt. Straube wünscht sich außerdem eine Trockensprunganlage, Gymnastikräume für die so wichtige Turnausbildung und mehr Wasserzeiten. Das ist alles Standard an den Stützpunkten im Osten der Republik, aber eben nicht in München, wo es überhaupt nicht an Nachwuchs fehlt - im Gegenteil. Wo Straube aber immer öfter Interessierten absagen muss, gerade jetzt. "Es ist eine sehr schwierige Situation", sagt Straube, der einst mit Albin Killat die deutsche Springerszene beherrschte. Und nun um ihr Überleben in München kämpft.

Wasserball

Bei den Wasserballern ist die Situation einfacher, auch weil sie nicht den Stellenwert der Schwimmer bei der SG haben. Wobei: In dieser Saison erkämpfen sie sich sehr viele Sympathien, aktuell haben sie nur einen Punkt Rückstand auf Zweitliga-Spitzenreiter Weiden. "Sie spielen eine fantastische Saison, aber der Aufstieg käme zu früh", sagt Füchsl, der selbst noch immer ab und an im Team aushilft. Auch von der Olympiabad-Schließung sind die Wasserballer wohl am wenigsten betroffen. Sie trainieren und spielen gerade ohnehin zumeist im Anton-Fingerle-Bad und im Sommer im Dantebad. Nur Highlight-Spiele, die sie in der vergangenen Saison noch in der Olympia-Schwimmhalle zeigten, fallen 2017 und 2018 weg. Was bitter ist, da sich dort bis zu 400 Zuschauer einfanden - ins Anton-Fingerle-Bad, das sich nur schwer in einem Giesinger Hinterhof finden lässt, passen kaum mehr als 50. Ein Problem bekämen die Wasserballer nur, wenn sie tatsächlich Meister würden und sich auch im Qualifikationsturnier zur ersten Liga durchsetzten. Sie hätten dann kommende Saison kein regelkonformes Becken - und müssten bis nach Ingolstadt oder Augsburg ausweichen.

Synchronschwimmen

Münchens Synchronschwimmerinnen sind wieder wer, und die deutsche Meisterin und WM-Teilnehmerin Marlene Bojer ist ihr Gesicht. Gerade ist sie wieder deutsche Jahrgangsmeisterin geworden. In Noé Lausch gibt es sogar einen Jungen unter rund 130 Mädchen. Synchronschwimmen boomt in München, und die Isarnixen unterhalten auch abseits des Wettkampfsports, bei ihren stets ausverkaufen Weihnachts-Musicals im Nordbad, bei denen auch Schwimmer, Wasserspringer und Wasserballer mitwirken. Letztes Jahr entführte Peter Pan 1200 Zuschauer in seine Märchenwelt. Die Nixen werden oft auch für Werbeaktionen gebucht, vor ein paar Monaten waren sie für einen deutschen Autobauer auf Ibiza und begeisterten die eingeflogene Prominenz in einem gläsernen Pool mit ihrem Können. Dazu will gar nicht so recht passen, unter welchen Bedingungen sie unter dem engagierten Trainergespann Doris Ramadan und Barbara Liegl üben. Im schmucklosen Hallenbad des Gymnasiums Fürstenried-West, außerdem in diversen anderen Bädern der Stadt. Auch hier muss viel geflickschustert werden. Zugleich sollen Bojer und ihre neue Partnerin Daniela Reinhardt bei der DM im Juni den Titel holen und sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren. "Wir wollen da einen Schritt nach vorne gehen", sagt Füchsl. Fernziel: Tokio 2020. Bis dahin sollte die Olympia-Schwimmhalle längst in neuem Glanz erstrahlen.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2017
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