Schwimmen:Katzensprung ins WM-Finale

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Die Kurzbahn-WM gilt als wichtige Standortbestimmung im Winter, Marius Kusch stellte in Windsor, Kanada, gleich mehrere persönliche Bestzeiten auf. (Foto: insidefoto/Imago)

Marius Kusch von der SG Stadtwerke erreicht bei den Kurzbahn-Weltmeisterschaften in Windsor über 100 Meter Freistil den Endlauf

Von Sebastian Winter, München

Von Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina bis nach Windsor, der südlichsten Stadt Kanadas, sind es nicht einmal zwei Flugstunden - für amerikanische Verhältnisse ein Katzensprung. Einer, den Marius Kusch gerne auf sich genommen hat. Kusch, 23, studiert gerade in Charlotte, und dass nun die Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Windsor stattfindet, ist ein gewinnbringender Zufall für den Schwimmer der SG Stadtwerke München. Kusch ist der einzige Athlet aus München und der Region, den Bundestrainer Henning Lambertz im 14er-Kader mit nach Ontario genommen hat. Die SG-Topschwimmer Alexandra Wenk (Schulterverletzung), mit der Kusch einst liiert war, und Florian Vogel (geplante Trainingspause mit Weltreise) sind nicht mitgekommen.

Anders als der Rest der Delegation musste Kusch nicht einmal eine Qualifikations-Norm erfüllen. Lambertz nahm ihn auch wegen der örtlichen Nähe des Wettkampfes zum Studienort gleich mit ins Team. Aber als WM-Tourist fühlt sich Kusch, immerhin DM-Zweiter über 100 Meter Schmetterling, nicht. Über seine Paradestrecke verpasste Kusch in der umfunktionierten Arena, die ansonsten Windsors Eishockey-Spielern vorbehalten ist, nur um 0,43 Sekunden als Zwölfter das Finale. Persönliche Bestzeit stellte er auf den 200 Metern Schmetterling auf, schied als 17. allerdings ebenfalls vorzeitig aus. Am Wochenende wollte Kusch noch über 100 Meter Kraul und 50 Meter Schmetterling an seine Leistungen anknüpfen - und überzeugte auch dort. Über 50 Meter Schmetterling stellte er als 20. in 23,39 Sekunden eine neue Bestzeit auf. Und auf der Freistilstrecke gelang ihm das sogar gleich zweimal - womit er tatsächlich sein erstes WM-Finale erreichte. Mit 47,27 Sekunden erreichte er als Siebter den Endlauf. "Ich habe meine Wenden getroffen. Das Rennen tat nicht weh. War gut", keuchte er. Das Finale fand in der Nacht auf Montag statt. "Marius ist das alles aus dem Training heraus geschwommen und deshalb sehr zufrieden", übermittelte Kuschs Heimtrainer Olaf Bünde, der auch Bundestrainer Lambertz für dessen Entscheidung ausdrücklich lobte, Kusch ohne Qualifikationsnorm in den WM-Kader zu nehmen. Die Kurzbahn-WM über 25 Meter hat zwar einen geringeren Stellenwert als die Titelkämpfe auf der langen 50-Meter-Bahn, dennoch gilt sie als wichtige Winter-Standortbestimmung für die Spitzenschwimmer. Nicht nur für Marco Koch, den neuen Doppel-Weltmeister, sondern gerade für Athleten wie Kusch, die zurzeit noch in der zweiten Reihe um Anschluss an die absolute Weltklasse kämpfen. Kusch, so viel ist sicher, möchte sich nächstes Jahr bei der deutschen Meisterschaft für die Langbahn-WM im Sommer in Budapest qualifizieren. Der athletische Mann aus Datteln - dem größten Kanalknotenpunkt Europas, wie Kusch auf seiner Homepage schreibt - geht dazu seine eigenen Wege, die ihn zunächst nach Recklinghausen, ins Leistungszentrum nach Essen und später nach München in die Trainingsgruppe um Florian Vogel führten.

Der Wechsel in die USA Anfang Januar 2016 sei sein Traum gewesen, entpuppte sich aber auch als sehr herausfordernd: "Meine ersten Trainingseinheiten waren ganz schön hart, da das Training komplett anders aufgebaut ist als in München", sagte Kusch. Seither startet er für die Charlotte Royals - und durfte schon nach kurzer Zeit ein persönliches Treffen mit Ryan Lochte erleben, jenem Olympiasieger und Weltmeister, der ein paar Monate später gewaltig ins Zwielicht rückte, nachdem er bei den Spielen in Rio einen Raubüberfall auf ihn und andere US-Schwimmer an einer Tankstelle erfunden hatte.

Von inszenierten Raubüberfällen ist Marius Kusch weit entfernt, "schwimmender Student" nennt er sich auf seiner Homepage. Dass er überhaupt eine hat, ist schon außergewöhnlich, Selbstvermarktung ist in großen Teilen des Leistungsschwimmens nach wie vor ein Fremdwort. Im Frühsommer kehrt Kusch zur deutschen Meisterschaft nach München zurück, die WM soll folgen, danach ist alles etwas vage im Leben des Marius Kusch. Auch ein erneuter Abschied in die USA ist möglich, wobei Kusch dann nicht mehr auf die Kulanz des Bundestrainers setzen sollte: Denn die Kurzbahn-WM 2018 ist in Hangzhou, China, rund 20 Flugstunden von Charlotte entfernt.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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