Schwimmen:Auf Wimpernschlagdistanz

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Neue Rolle: Johanne Roas ist nun Führungsfigur der Münchner SG-Trainingsgruppe. (Foto: imago)

Johanna Roas wird als einzige Münchnerin wohl zur EM fahren. Sie ist das neue Gesicht der SG, die nach dem Abschied von Trainer Bünde vor einem Umbruch steht.

Von Sebastian Winter, Berlin/München

Schon kurz nach dem Ende der Wettkämpfe war am Sonntagabend Wehmut zu spüren im Lager der SG Stadtwerke. Jedenfalls schrieb der Klub auf seiner Facebook-Seite: "Die Deutschen Meisterschaften 2018 in Berlin sind nun Geschichte und zeitgleich wird ein Kapitel großartiger Münchner Schwimmsportgeschichte beendet." Gemeint war nicht Alexandra Wenk, die nach ihrem Umzug in die Hauptstadt auch weiterhin für die SG an den Start geht; die Zeilen waren an Olaf Bünde gerichtet, den scheidenden Münchner Stützpunkttrainer, der zum 31. August nach sieben Jahren sein Amt an die bisherige SG-Nachwuchstrainerin Sheela Schult weitergibt und nach Regensburg umzieht (die SZ berichtete). "Nach dieser DM wird alles neu aufgestellt, und manchmal tut es ja auch gut, andere Impulse zu setzen", sagte Bünde nun , der in den vergangenen Jahren in Wenk und den 2017 zurückgetretenen Florian Vogel und Philipp Wolf drei SG-Athleten zu Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gelotst hatte; Wenk hat überdies bei EM und WM bereits zwei Medaillen gesammelt.

Es ist eine Staffelübergabe nach höchst erfolgreichen Jahren, an deren Ende die Münchner Trainingsgruppe aber auch auseinandergefallen war - nicht zuletzt wegen der seit dem Umbau der Olympiaschwimmhalle noch schwierigeren Trainingsbedingungen. Bünde spürte, dass sein Feuer ein wenig erloschen war, die Lücken auch im Nachwuchsbereich hinter Talenten wie Anna Metzler, Luisa Roderweis und Tabea Mose (die in Berlin Junioren-Medaillen gewannen) müssen nun andere schließen. Aber er zog zum Abschluss der DM, die der SG zwei Titel durch Wenk, die ihren Medaillensatz mit Silber und Bronze komplettierte, zwei weiteren Silbermedaillen durch Johanna Roas und Andreas Wiesner und zweimal Staffelsilber einbrachte, ein positives Fazit: "Ja, doch", er sei zufrieden, obwohl ihn der knapp verpasste Podestplatz von Freistilexperte Max Nowosad (den es nach Hamburg zieht) ein wenig geärgert habe. "Da ist man natürlich nicht zu einhundert Prozent zufrieden. Aber Alexandra hat sich nach ihrer Verletzung gefangen, Andreas seinen zweiten Platz aus dem vergangenen Jahr bestätigt und Johanna ist auch auf einem guten Weg."

Am College in Denver hat Roas sich Wettkampfhärte antrainiert. 2020 will sie zu Olympia

Johanna Roas ist, auch weil Wenk wegen ihrer Verletzung die Qualifikation verpasste, die einzige Münchner Schwimmerin, die an der EM in Glasgow Anfang August teilnimmt. Wobei ihr Start noch nicht ganz gesichert ist: Der Deutsche Schwimm-Verband hat am kommenden Wochenende zum "Ausschwimmen" nach Heidelberg geladen, ein Überprüfungswettkampf, bei dem die Athleten ihre Zeiten bestätigen sollen. Für die 4×100-Meter-Freistilstaffel in Glasgow sind bislang nur Annika Bruhn und Reva Foos gesetzt, um die anderen beiden Plätze kämpfen drei weitere Athletinnen, unter ihnen Roas, die die beste Ausgangszeit hat. "Sie war nicht so langsam, dass man Angst haben muss, es fehlt aber noch einiges", sagt Bünde.

Roas ist zugleich - auch wegen des Aderlasses in München - zur neuen Führungsfigur in der SG-Trainingsgruppe aufgestiegen: Als 25-jähriges Eigengewächs des in der SG aufgegangenen Freien Wassersportvereins, die zu Bündes Anfangszeiten unter ihm trainierte, dann aber nach ihrem Abitur 2013 in die USA zog. Dort durchlief sie die für Sportler üblichen vier Jahre am Collegesystem. Das harte Training an der University of Denver zahlte sich aus, von Jahr zu Jahr kehrte Roas nach Semesterende im Frühling besser zu den jeweiligen deutschen Titelkämpfen zurück. 2015 gewann sie über ihre Paradedisziplin 50 Meter Rücken den Titel, 2016 verteidigte sie ihn und holte noch Silber über 100 Meter Rücken. Im vergangenen Jahr bestätigte sie wiederum diese beiden Erfolge - und erreichte noch Silber über 100 Meter Lagen.

"Ohne die Jahre in den USA hätte ich das nicht geschafft", sagt Roas, die in Denver in einer Gruppe von bis zu 50 Athleten trainierte, mit mehreren Coaches, die sich speziell um den Start oder die Wenden kümmern. Eine solche Betreuung ist in Deutschland ebenso undenkbar wie die Vorzugsbehandlung am College, an dem sie Klausuren wegen ihres Sports problemlos verlegen konnte.

Für große internationale Wettkämpfe hat es bislang noch nicht gereicht, oft fehlten Roas nur Wimpernschläge. Umso mehr wünscht sich die Studentin der Sozialen Arbeit an der FH München nun die EM-Teilnahme: "Es wird ja langsam mal Zeit", sagt sie. Danach möchte sie ihr letztes großes Ziel in Angriff nehmen - die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Roas ist dazu voriges Jahr nach der Rückkehr aus Denver wieder bei ihren Eltern in Schwabing eingezogen, von dort sind es nur zehn Minuten mit dem Rad zum Training. Und das Wohnen kostet nichts - für Randsportler in München längst ein Kernfaktor.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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