Süddeutsche Zeitung

Schießen:Tokio im Visier

Maximilian Dallinger, 20, zählt bei den deutschen Meisterschaften der Sportschützen in Garching zu den Favoriten mit dem Gewehr.

Von Julian Ignatowitsch, München/Lengdorf

Wie oft er schon deutscher Meister war? Maximilian Dallinger nimmt sich eine kurze Denkpause, dann schüttelt er den Kopf, er wisse es nicht. "Tut mir leid", sagt er. Wer mit 20 Jahren schon den Überblick über seine Titel verloren hat, der ist vielleicht vergesslich, wahrscheinlich nicht besonders eitel und mit Sicherheit schon in jungen Jahren äußerst erfolgreich gewesen.

Nun soll an dieser Stelle das Geheimnis gelüftet werden: In fünf Jahren hat Dallinger sechs nationale Titel gewonnen. Für einen, der überhaupt erst seit neun Jahren am Schießstand steht und dessen Heimatverein die kleine SG Isental ist, eine nicht so schlechte Bilanz. Dazu kommen internationale Erfolge: Zweimal war er Junioren-Europameister und Weltcup-Sieger in seiner Altersklasse. Dallinger hat in der Jugend eigentlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.

Seit diesem Jahr schießt er jetzt in der Erwachsenenklasse bei den Profis. Und auch wenn er auf Anhieb nicht ganz vorne dabei ist, so kam er doch bei seiner Weltcup-Premiere in München gleich ins Finale der besten Acht und wurde bei der Europameisterschaft in Baku solider 21. - als Bester seines Teams. "Der Übergang hat gut geklappt", findet Dallinger, der in Lengdorf (Landkreis Erding) aufgewachsen ist und dort nach wie vor bei seinen Eltern wohnt. "Ich bin mit meiner Saison sehr zufrieden." Kann er auch sein.

Zur deutschen Meisterschaft an der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück kommt Dallinger als Ranglistenerster der Gewehr-Männer. Am Freitagnachmittag verpasste er im Dreistellungskampf als Vierter knapp eine Medaille und wurde der Favoritenrolle noch nicht gerecht. Zwei weitere Chancen aber hat er noch: Am Samstag tritt er mit dem Kleinkaliber im Liegend-Wettbewerb an, am Sonntag dann mit dem Luftgewehr (jeweils ab 8 Uhr).

Nirgends steht Dallinger so sehr im Fokus wie bei den deutschen Meisterschaften, wo Spitzen- und Hobbysportler zusammen an den Start gehen. "Jeder versucht ein bisschen mitzustänkern", erklärt er in bayerischem Tonfall. Die Bundeskaderathleten wissen, "wenn alles normal läuft, kommen wir ins Finale und holen eine Medaille"; aber sicher sei das eben nicht. Die Schützen-DM ist in dieser Hinsicht so etwas wie der DFB-Pokal beim Fußball, wenn Amateurklubs versuchen, den großen FC Bayern zu schlagen. "Kein Profi will sich hier die Blöße geben", weiß Dallinger.

Beim Warmup mit den Mannschaftskameraden aus der berühmt-berüchtigten Trainingsgruppe "Burning Eye", die seit dem laut umjubelten Gold-Kniefall von Barbara Engleder bei den Olympischen Spielen 2016 auch über München hinaus bekannt geworden ist, geht es trotzdem betont locker zu. Man flachst, man unterhält sich. Die Stimmung ist gut, dafür ist der Kreis bekannt. Dallinger nimmt sich noch ein wenig Zeit, ehe er seine letzten Schüsse vor dem Wettkampf macht. "Wir tauschen uns untereinander ständig über Technik und Material aus", sagt er, "das hilft jedem". Gleichzeitig betont er, dass er nicht "das Küken" der Gruppe sei, sondern mit allen auf Augenhöhe spricht.

Zusammen mit Mannschaftskamerad Michael Janker, der 2016 in Rio Platz 29 belegte, macht Dallinger derzeit die Ausbildung zum Polizisten. In den ersten acht Monaten des Jahres kann er sich dabei ganz auf den Sport konzentrieren, ehe er vier Monate in den Polizeidienst muss. Das ist das praktikabelste Modell für einen Profischützen. Aufgrund seiner guten Leistungen zuletzt ist Dallinger außerdem in der Nachwuchs-Elitegruppe der Sportförderung, was ihm vor allem finanziell hilft.

Wenig später kniet er dann am Freitag mit der schweren Schießjacke, das Kleinkaliber-Gewehr im Anschlag, am Stand. Beim Dreistellungskampf werden je 40 Schüsse erst liegend, dann stehend, schließlich knieend auf ein 50 Meter entferntes Ziel abgegeben. Die letzte Position liegt Dallinger am wenigsten, "da fehlt manchmal die Konstanz", erklärt sein Trainer Mario Gonsierowski. Er schaut zur Anzeige hoch, auf der sich Zehner an Zehner reiht. "So wie jetzt ist das Weltklasse." Die Spiele 2020 in Tokio? "Klar, der Maxi hat gute Chancen, wenn er so weitermacht", sagt Gonsierowski. Im nächsten Jahr beginnt der Kampf um die Quotenplätze.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2017
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