Schießen:Paar-Lauf

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Olympia-Teilnehmer Tino Mohaupt war 15 Jahre lang Profi und deutscher Meister mit der HSG München. Jetzt tritt seine Frau Judith im Bundesliga-Finale an - mit ihrem Mann als Ratgeber und Trainer

Von Julian Ignatowitsch

Zuletzt musste der ehemalige Spitzenschütze Tino Mohaupt öfters zu Hause bleiben. "Babysitten", sagt er und schaut zu seiner Frau. Judith Mohaupt war in den vergangenen Monaten viel unterwegs. An den Wochenenden trat sie in der Luftgewehr-Bundesliga für die HSG München an, unter der Woche trainierte sie abends regelmäßig im Schützenheim. Vor dem Bundesliga-Finale an diesem Wochenende in Paderborn hat sie ihr Pensum noch einmal verstärkt. "Ich will mich ja nicht blamieren", sagt sie und schmunzelt.

Vertauschte Rollen im Hause Mohaupt: Judith erlebt derzeit den Höhepunkt ihrer aktiven Schießzeit, Tino dagegen holt sein Luftgewehr nur noch selten aus dem Schrank. Er hat seine Profikarriere nach 15 Jahren beendet. Mohaupt war zwei Mal bei Olympischen Spielen im Einsatz, 2008 und 2012, holte mehrere Weltcup-Medaillen, war der Professionelle der beiden. "Ich vermisse nichts", sagt er zwölf Monate nach seinem Rücktritt. Statt sich bis ein Uhr nachts, wie früher, den Kopf über den Sport zu zerbrechen oder am Material zu tüfteln, genieße er jetzt seine Vaterrolle. Dazu arbeitet er als Marketing-Manager einer Bank. Seine Frau Judith dagegen blickt erwartungsfroh auf das Bundesliga-Finale.

Judith Mohaupt hat zwar nie auf dem Spitzenniveau ihres Mannes geschossen, ist aber plötzlich - mit 32 Jahren - nah dran. Bei den deutschen Meisterschaften im vergangenen Jahr wurde sie Vierzehnte, ihr Schnitt lag bei über 390 Ringen, so dass sie sogar eine Kandidatin für den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft ist. Bei der HSG München, ihrem neuen Verein, ist sie an Position fünf gesetzt. Mit guten Leistungen in der zweiten Liga hat sie sich für die höchste Aufgabe empfohlen; als Nina-Laura Kreutzer verletzungsbedingt für die Saison absagen musste, sprang Mohaupt ein. Jetzt schießt sie an der Seite von Olympia-Teilnehmerin und Europameisterin Selina Gschwandtner.

Ob olympisch, auf der Ergebnis-Tafel oder als Symbol ihrer Ehe: Ringe spielen in der Partnerschaft von Judith und Tino Mohaupt eine vielfältige Rolle. (Foto: Imago)

Allerdings ist die neue Situation für sie nach wie vor gewöhnungsbedürftig. Die Ergebnisse in der Bundesliga waren zuletzt nicht zufriedenstellend. "Ich hatte immer wieder Probleme", sagt Judith Mohaupt. Mal spürte sie den Druck, mal passte das Material nicht, dann fehlte schlichtweg das Glück. Zu oft blieb sie hinter den eigenen Erwartungen zurück. Die Anspannung vor dem Finale ist ihr anzumerken: "Ich freue mich riesig auf dieses besondere Event", beteuert sie, doch das Aber folgt sogleich: "Währenddessen bereue ich dann, worauf ich mich eingelassen habe."

Vorab kann sie über so einen Satz noch lachen. Das Bundesliga-Finale ist schon für gestandene Schützen eine echte Belastungsprobe. Eine Halle mit gut 2000 Zuschauern, die richtig Lärm veranstalten, mit Rasseln, Ratschen und Fangesängen - das ist beim Sportschießen tatsächlich die absolute Ausnahme. Die Athleten brauchen gute Nerven und ebenso gute Konzentrationsfähigkeit. Für eine international kaum Erprobte wie Judith Mohaupt eine umso größere Herausforderung.

Ehemann Tino wird seine Frau zusammen mit der knapp zweijährigen Tochter in Paderborn als Zuschauer unterstützen. Sie nennt ihn auch ihren "Trainer", er selbst sieht sich nur als "Ratgeber". Über die Ausrüstung beim Schießen, ähnlich wichtig wie im Wintersport, diskutieren die beiden regelmäßig. "Da profitiere ich von Tinos Profi-Erfahrung", sagt Judith. Er meint (und hört sich dabei doch plötzlich wie ein Trainer an): "Meine Frau hatte zuletzt ein bisschen mit dem Selbstbewusstsein zu kämpfen, ein paar Dinge haben wir geändert. Wenn es drauf ankommt, ist sie voll da." Im Finale rechnet er deshalb mit Saisonbestleistung.

Luftgewehr-Schützin Judith Mohaupt, die von ihrem Mann trainiert wird. (Foto: Johannes Simon)

Darauf hofft auch HSG-Coach Theo Gschwandtner, der die Mohaupts als "echtes Schützenpaar" bezeichnet und seiner Schützin in der Endrunde "voll vertraut". Natürlich haben sich Judith und Tino Mohaupts über den Sport kennengelernt. Gemeinsam standen sie aber meist nur zum Training am Schießstand. "Trotzdem ist das unsere gemeinsame Passion", sagt Judith und fügt hinzu: "Oder war". Auch sie denkt allmählich ans Aufhören. Die Familie, der Job, andere Hobbys - auch ein semiprofessionelles Schützenleben frisst sehr viel Zeit. Außerdem nimmt die HSG nach Streitigkeiten mit dem Verband zukünftig nicht mehr an der Bundesliga teil.

Vor drei Jahren hatten sich die Münchner, ähnlich wie in dieser Saison übrigens, erst am letzten Wettkampftag der Hauptrunde fürs Finale qualifiziert. Dort legte das Team dann einen Durchmarsch bis zum Titel hin - mit dabei: Tino Mohaupt.

Diesmal trifft die Mannschaft im Viertelfinale (Samstag, 12.30 Uhr) auf Buer-Bülse, Mohaupts ehemaligen Verein, mit dem er ebenfalls einen Meistertitel gewann. Auch wenn diesmal seine Frau und nicht er am Schießstand steht, meint er: "Denen dürfte unser Name bekannt sein". Er traut seiner Frau jedenfalls einiges zu.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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