Schach:Mit Wut im Bauch

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Sieger nach dem Holperstart: Der topgesetzte Bulgare Kiril Georgiew gewinnt die Brucker "Brain Games" mit acht von neun möglichen Punkten. (Foto: Günther Reger)

Beim Schnellschach-Turnier des TuS Fürstenfeldbruck setzen sich die Großmeister durch

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Immer wenn Turnierleiter Stanley Yin die 71 Paare aufforderte, die Schachuhr anzustellen, war es mucksmäuschenstill. Dann herrschte höchste Konzentration beim Schnellschachturnier des TuS Fürstenfeldbruck. Auch die vierte Auflage der mit etlichen Großmeistern gespickten "Brain Games" stand für bemerkenswerten Schachsport. Hatten die Favoriten teilweise Mühe, die spielstarken Hobbyspieler über neun Runden in Schach zu halten, so teilten sich die Profis letztlich die Preisgelder unter sich auf.

Wie der russische Großmeister Wladimir Jepischin: Schon die vierte Partie bestritt er mit Wut im Bauch, hatte der große Favorit gegen den Nürnberger Hobbyspieler Reiner Heimrath nur ein Remis geschafft - und das mit dem Vorteil der weißen Figuren. Jetzt holte er sich einen Kaffee und setzte sich draußen allein an einen Tisch. "Ich bin Profi", sagte Jepischin auf Englisch, "ich muss mit Schach Geld verdienen." Zudem habe er eine lange kostspielige Anreise gehabt, er wohnt in Mecklenburg-Vorpommern, spricht jedoch kaum Deutsch. Vergangenes Jahr lag er bei den Brucker Open bis zur neunten und letzten Runde in Front, um dann nach einer Niederlage noch auf Platz vier zurückzufallen. Die 150 Euro Preisgeld waren ein Minusgeschäft für den 50-Jährigen, dessen beste Zeiten lange vorbei sind. 1994 war Jepischin die Nummer zehn der Weltrangliste, damals mit 2690 Elo-Punkten. Heute steht er immer noch bei 2549, damit war er die Nummer zwei im Ranking. Er war von 1987 bis 1996 Sekundant des damaligen russischen Weltmeisters Anatoli Karpow, heute spielt er gegen Hobbyspieler.

Kiril Georgiew, ebenfalls 50 Jahre alt, wirkte da schon entspannter, obwohl sein Turnierstart ebenfalls holprig verlief. Auch der Bulgare aus Sofia, an Nummer eins gesetzt, musste zum Auftakt ein Remis gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner hinnehmen. In der vierten Runde demonstrierte er aber seine Klasse: Franz Scheckenbach, 58-jähriger Oberligaspieler aus Gröbenzell, hielt sich mit den schwarzen Figuren wacker, kam aber immer mehr in Zeitnot. "Mit nur 15 Minuten ist es gegen einen Großmeister schwer", meinte Scheckenbach, einem Gegner mit seiner Klasse reiche ein kleiner Vorteil. "Ich habe gemerkt, dass er in Zeitnot kam", bestätigte Georgiew. Seinen Fauxpas mit dem Remis machte Ehefrau Emilia Georgiewa zur Freude ihres Mannes wett, indem sie Großmeister und Mitfavorit Igor Khenkin völlig überraschend ein Unentschieden abtrotzte und Dritte in der Frauenwertung wurde.

"Auch Mittelklassespieler haben im Schnellschach bei nur 15 Minuten Bedenkzeit eine Chance", sagte Hans-Joachim Hecht. Der 77-Jährige ist seit 1973 Großmeister, den Titel behält man für immer. Hecht spielte viele Jahre in der Bundesliga für den FC Bayern München: "Beim Schnellschach kommt es darauf an, sich sehr gut zu konzentrieren und sofort eine Spielidee zu haben", erklärt er, um den Gegner möglichst schnell in die Defensive zu zwingen. Aber auch Glück gehöre dazu. "Man muss nach vorne spielen", lautet Hechts Credo nach wie vor, das gelang ihm in den ersten drei Runden sehr gut, die er allesamt gewann. "Das dicke Ende kommt am Schluss", ahnte der Großmeister aber nach dem 3:0-Auftakt, "dann muss ich gegen die wirklich Guten ran." So kam es auch, Hecht belegte am Schluss Platz 25.

In den finalen achten und neunten Runden spielten dann Georgiew, Jepischin und etwas überraschend der Hamburger Bundesligaspieler Thies Heinemann, der als Internationaler Meister eine Stufe unter dem Großmeister firmiert, die Siegerpreisgelder aus. Georgiew hielt in der letzten Partie gegen Heinemann mit einem Remis seinen Vorsprung und gewann mit acht von neun möglichen Punkten das Turnier. Heinemann (7,5 Punkte) wurde Zweiter vor Jepischin (7,0), der als Dritter mit 200 Euro die Rückreise nach Mecklenburg antreten musste - wieder ein Minus-Geschäft.

Zufrieden war dagegen der veranstaltende Brucker Schachclub. Ein kleines Teilnehmerminus zum Vorjahr fiel nicht ins Gewicht. Für die nächsten Open wird allerdings Stanley Yin die Turnierleitung aus beruflichen Gründen an Hans Brugger abgeben. Der hofft jetzt schon auf viele Großmeister.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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