Schach:Bogner und die Schweizer Garde

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Der FC Bayern ist in der ersten Bundesliga so erfolgreich wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Von Karl-Wilhelm Götte, München

Sebastian Bogner steht im Foyer des Milbertshofener Kulturhauses und schiebt die Schachfiguren mit seinen Fingern flink hin und her. Er trägt das Fußball-Trikot des FC Bayern, auch die Schachspieler haben ihren Nachnamen auf der Rückseite stehen. Zusammen mit seinem Aachener Gegner Christian Seel analysiert er eine halbe Stunde lang, was gerade passiert ist und, wie im Schach üblich, was hätte noch passieren können. Bogner hatte die Bundesliga-Partie für den FC Bayern München am Spitzenbrett nach fast fünf Stunden Spielzeit mit Weiß gewonnen und seiner Mannschaft einen 5:3-Sieg gesichert. Am Vortag steuerte Bogner ein Remis beim überraschenden 5:3-Erfolg gegen Favorit SC Viernheim bei. Mit diesem Doppelsieg klettert Bayern München nach sechs von 14 Spieltagen auf Tabellenplatz sieben - und hat erstmals seit Mitte der neunziger Jahre ein positives Punktekonto.

Überlagert wurde das Erfolgswochenende der Bayern durch den überraschenden Rückzug des SV Lingen aus der Bundesliga. Wie der Verein mitteilte, kamen nicht genügend Sponsoren zusammen, so dass das finanzielle Risiko zu groß wurde. Der Rückzug der Emsländer bringt aber die Münchner jetzt in die Bredouille. "Skandalös" nannte FCB-Schachabteilungsleiter Jörg Wengler dann auch die Abmeldung von Lingen einen Tag vor den schon anberaumten zwei Partien gegen Berlin und Dresden am vergangenen Wochenende. Der Zorn Wenglers war auch deshalb so nachhaltig, weil Lingen laut Spielplan einer der Gegner im März beim nächsten Heimwettkampf des FCB gewesen wäre. "Jetzt kommt nur Bremen zu uns, und wir haben nur eine Mannschaftspartie an diesem Wochenende", erläutert FCB-Schachchef Wengler die missliche Lage. Lingen war Aufsteiger gewesen, hatte personell fürs Oberhaus noch aufgerüstet und gehörte nach vier Spieltagen mit drei Siegen und einem Remis zur Spitzengruppe der Liga. Wengler ist sich sicher: "Für das Image der Liga ist das ganz schlecht." Solche Rückzüge in der Schach-Bundesliga, die die Planung der Vereine durcheinander bringen, wiederholen sich ständig. Im vergangenen Jahr war es die DJK Aufwärts Aachen, für die es kurzfristig abwärts ging.

Auch der FC Bayern hat seine Mannschaft auf den acht Spielpositionen qualitativ verbessert. Großmeister Niclas Huschenbeth, 27, die neue Nummer eins im Team, weilte in Mexiko und überließ beim ersten Heimwettkampf dieser Saison am vergangenen Wochenende Sebastian Bogner an Brett eins den Spitzenplatz. Der 29-jährige Großmeister aus Pforzheim, der seit sieben Jahren in der Schweiz lebt, war mit einem Sieg und einem Remis beim ersten Heimwochenende der Bayern nicht ganz zufrieden. Das Unentschieden gegen den für Viernheim spielenden starken Russen Vladimir Malakhov, die Nummer 80 der Weltrangliste, wurmte ihn gewaltig. "Ich stand mit Schwarz auf Sieg, dann hat er mich ausgekontert", erzählt Bogner: "Ich hatte die gute Variante gesehen, aber mich ein-, zweimal falsch entschieden." Bogners drei Punkte aus sechs Partien sind kein schlechter Wert, aber zu wenig für den Wahl-Züricher, der inzwischen auch im Schweizer Nationalkader steht. Zumal sein Schweizer Mannschaftskollege Noel Studer und auch der spanische FCB-Zugang Miguel Santos Ruiz bisher je dreieinhalb Punkte in vier Spielen eroberten.

Studer, Nicolas Georgiadis und Bogner, der mit Georgiadis in Zürich in einer WG wohnt, zeichnen für den Schweizer Anstrich der FCB-Schachformation verantwortlich. Bogner plant dabei, sein Hobby zum Beruf zu machen. Er ist Schachtrainer und möchte in Zürich bald eine Schachschule eröffnen. Auch dafür studiert er gerade Betriebswirtschaft. "Aber drei, vier Stunden bin ich jeden Tag mit Schach beschäftigt", sagt Bogner, "ich sehe mich als Semi-Profi." Georgiadis hat ihn zum FC Bayern gelotst. An den Spitzenbrettern bekommt er immer starke Gegner, gewinnt Bogner, kann er seine Ranglistenzahl erheblich verbessern.

FCB-Abteilungsleiter Wengler ist mit seiner Schweizer Garde und mit der bisherigen Saison sehr zufrieden. Doch die ständige Abstiegsangst, die ihn in der ersten Liga viele Jahre begleitete, ist noch präsent. Deshalb warnt er: "Wir müssen auf dem Teppich bleiben, es muss noch mehr kommen."

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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