Süddeutsche Zeitung

Rugby:Die glorreichen Sieben

Blitzbokke, Südsee-Insulaner - und ein krasser Außenseiter namens Deutschland: Das "Oktoberfest 7s" verspricht Weltklasse-Rugby zur besten Wiesnzeit.

Von Sebastian Winter

Der Rugby-Ball ist ein richtiges Leichtgewicht, was man nicht erwarten würde. Etwas mehr als 400 Gramm wiegt er nur, und zwei dieser Sportinstrumente liegen nun auf dem Tisch des Restaurants Coubertin im Olympiapark. Sie sind an diesem Dienstagmorgen der eiförmige Rahmen für die Auftakt-Pressekonferenz zu einem sportlichen Höhepunkt im Herbst. Ein ordentlicher Dropkick, und der ovale Ball dürfte im benachbarten Olympiastadion landen, jener 69 000 Zuschauer fassenden Arena, in der am 29. und 30. September die internationale Elite des Rugbysports zu sehen sein wird. Dann feiert dort das "Oktoberfest 7s" seine Premiere, das bedeutendste Rugbyturnier, das je auf deutschem Boden stattgefunden hat. "Das ist eine Riesenchance und ein Traum, der für uns in Erfüllung geht. Solche Weltklassespieler sieht man sonst nur im Fernsehen. Das ist atemberaubend für uns", sagt Sebastian Fromm, der mit 93 Kilogramm bei 1,84 Metern Körpergröße nicht wirklich leichtgewichtige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

Gespielt wird die Variante Siebener-Rugby, die im vergangenen Jahr bei ihrem Olympia-Debüt die Zuschauer begeisterte. Jede Mannschaft bietet sieben Spieler auf (statt 15 wie in der klassischen Variante), die sich in zwei kurzen, siebenminütigen Halbzeiten duellieren.

Die "Flying Fijians" zauberten mit Gold in Rio einen emotionalen Höhepunkt der Spiele herbei

Angeführt wird das hochkarätige Teilnehmerfeld von Olympiasieger Fidschi und dem Dritten der Spiele von Rio, Südafrika. Silber-Gewinner Großbritannien wird nicht komplett anreisen, aber von einigen Spielern aus England vertreten sein. Die "Flying Fijians" zauberten seinerzeit in Brasilien einen emotionalen Höhepunkt der Spiele herbei, als sie ihrem pazifischen Inselstaat die erste Goldmedaille seiner eher lausigen Sportgeschichte schenkten - die TV-Schalten während des Finales zu den rugbyverrückten Eiland-Bewohnern waren herzergreifend. Die südafrikanischen "Blitzbokke" sind aktueller Sieger der World Series, in der die weltweit besten 15 Nationalteams um den Titel kämpfen.

Rugby ist in Südafrika oder Neuseeland - das aus terminlichen Gründen nicht dabei ist - Nationalsport, was man von Deutschland nicht unbedingt behaupten kann. Fast alle Nationalspieler studieren oder arbeiten nebenher, Kapitän Fromm, 22, Abiturnote 1,0, studiert Biochemie, sein Teamkollege, der 24-jährige Spielmacher Leon Hees, Maschinenbau. "Sein Geld kann man in Deutschland nicht damit verdienen", sagt Hees. In München, wo die stärksten Klubs Stusta und München Rugby Football Club in der zweiten Liga spielen, ohnehin nicht. Und doch ist dieser actionreiche Sport, eine Mischung aus American Football und Fußball, gespickt mit viel Ringkampf, extrem fordernd: Die Spieler gehen nicht gerade zimperlich miteinander um, sie reiben sich bei vielen Sprints, Tacklings und Körpertäuschungen beim Ringen um den Ball auf. Dabei sind sie nicht wie die Footballer massiv gepolstert, sondern tragen neben ihren Trikots, Hosen und Schuhen nur einen Zahnschutz. "Man lernt, einzustecken", sagt Hees.

Deutschland ist krasser Außenseiter, er pendelt zurzeit zwischen Platz 15 und 17 in der Weltrangliste. "Aber unsere Jungs kratzen an der Weltspitze", sagt der eloquente Initiator des Oktoberfest 7s, Mathias Entenmann. Der ehemalige Rugbyprofi, der in Hong Kong und Namibia spielte, und andere Ehemalige hatten vor fünf Jahren die Idee dazu. Nun hat die Gruppe ihr Ziel erreicht.

Olympiapark-Chefin Schöne freut sich auf ein "Familienevent" und einen "Gegenpol zum Fußball"

Für das Budget, das immerhin im niedrigen siebenstelligen Bereich liegt, kommen private Investoren auf, sie zahlen auch die Miete fürs Stadion an die Olympiapark GmbH, deren Chefin Marion Schöne sich auf einen "leicht verständlichen Sport als Familienevent und Gegenpol zum Fußball" in München freut. Flüge, Kost und Logis für die Mannschaften werden übernommen, aber kein Preisgeld ausgeschüttet. Entenmann plant, das Turnier in den nächsten Jahren zu etablieren - und zwar jeweils zu genau demselben Zeitpunkt.

Der Zeitpunkt könnte öffentlichkeitswirksamer kaum sein: Parallel zum Oktoberfest 7s berauschen sich schließlich Menschenmassen aus aller Welt fünf Kilometer südlich des Olympiastadions am letzten Wiesn-Wochenende. Warum also zwischen der zweiten und dritten Maß nicht mal beim Rugby vorbeischauen? Synergieeffekte gibt es auch für die Profis: "Jeder Rugbyspieler der Welt will einmal zum Oktoberfest. Wir geben den Stars nun einen doppelten Grund, nach München zu kommen", sagt Entenmann zehn Wochen vor dem Turnierstart. Der Initiator erwartet insgesamt 40 000 Zuschauer. Sport 1 überträgt mehr als 14 Stunden live. Nur einen Pokal gibt es noch nicht. Ein Maßkrug wäre naheliegend, oval, und mit genügend Fassungsvermögen für sieben ziemlich kernige Burschen.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2017
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