Ringen:Das Beste aus zwei Welten

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Die Erstligaringer des SV Siegfried Hallbergmoos bieten dem Meister Wacker Burghausen deutlich mehr Gegenwehr, als sie selbst für möglich gehalten hätten.

Von Johannes Holbein, Hallbergmoos

Eigentlich hatte Florian Lederer seinen Arbeitskollegen von der Polizei abgeraten, ihm ausgerechnet an diesem Abend zuzuschauen. Einen "scheiß Tag" hatte er ihnen prophezeit, und als Lederer erfuhr, er bekommt es im Freistil-Schwergewicht mit dem slowakischen Koloss Soslan Gagloev zu tun, sah er sich schon vor dem Kampf bestätigt. "Meine schlimmste Befürchtung ist in diesem Moment wahrgeworden." Dazu muss man wissen: Gagloev wiegt 128,2 Kilogramm und damit 26 Kilogramm mehr als Lederer, der viel lieber eine Gewichtsklasse tiefer ringt und nur für den kranken Richard Csercsics ins Team gerückt war.

Ab jetzt ist jeder Kampf ein Finale um Platz zwei und den Einzug in die Playoffs

Seine Kollegen von der Polizei waren natürlich trotzdem gekommen und feuerten ihren Flori besonders lautstark an. Als die sechs sichtbar anstrengenden Minuten für Lederer dann vorbei waren, hatte er gerade noch Kraft genug, seinen rechten Zeigefinger Richtung Hallendecke zu strecken nach dem Motto: Schaut's her, der Koloss hat mich nicht kleingekriegt. Gagloev hingegen, der den Kampf zwar 8:1 gewonnen hatte, aber damit nur zwei Punkte für sein Team errang, schlurfte etwas ungläubig von der Matte. "Mein Ziel war es, keine vier abzugeben, und das habe ich geschafft", sagte Lederer hinterher grinsend. Doch es war beileibe kein "scheiß Tag".

Überhaupt waren es bei der 6:19-Niederlage des Erstligisten SV Siegfried Hallbergmoos gegen den SV Wacker Burghausen nur zwei Ringer des SVS, die sich deutlich geschlagen geben mussten. Ergün Aydin (86kg/F), Silbermedaillengewinner bei der deutschen Meisterschaft und so etwas wie das Aushängeschild des Vereins, ließ sich vom ehemaligen russischen Meister und Junioren-Weltmeister Kakhaber Khubezhty auf die Schultern legen. Für Vladislavs Jakubovics (71 kg/F), der seine erste Bundesliga-Saison bestreitet, war der Kampf gegen den dreimaligen Europameister Cengizhan Erdogan nach 2:49 Minuten wegen technischer Überlegenheit seines türkischen Kontrahenten beendet.

"Acht Kämpfe über die volle Distanz, ganz ehrlich, es ist weit besser gelaufen, als ich erwartet hätte", sagte SVS-Ringer und Vereinspräsident Michael Prill. Vor allem nachdem er den Kader der Burghauser sah, den er so auch in einem Halbfinale oder Finale erwartet. "Da liegen einfach Welten zwischen uns und ihnen. Heute bin ich echt mit allen zufrieden", sagte Prill.

Besonders imponiert hat ihm der Auftritt des Norwegers Anders Rönningen im griechisch-römischen Stil (57 kg/gr). Beim letzten Aufeinandertreffen mit Fabian Schmitt vor zwei Jahren war Rönningen noch deutlich unterlegen gewesen, diesmal bezwang er den aktuellen deutschen Meister 10:2 und sammelte im ersten Kampf des Abends drei Punkte für den SVS. Bis zur Pause drehten die Burghauser allerdings den Kampf und führten 9:3. Nach vier Niederlagen in der zweiten Halbzeit verbesserte erst Schlussringer Andreas Walter (75 kg/F) den Mannschafts-Punktestand auf 6:19 aus Sicht des SVS mit einem souveränen 11:2 gegen Enes Akbulut.

Diese kleinen Erfolgserlebnisse gegen den haushohen Favoriten machen den Ringern des SV Siegfried Mut für die kommenden Wochen. Ab jetzt ist jeder Kampf ein Finale um Platz zwei, der die Qualifikation für das Playoff-Viertelfinale bedeutet. Am nächsten Wochenende geht es gegen den Vorletzten TSV Westendorf.

Ob Florian Lederer dann wieder seine Chance bekommt, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass er dem wohl bis dahin genesenen Csercsics Platz macht und die Daumen drückt. "Ich hoffe einfach, dass wir das Ding in den nächsten Wochen ins Ziel bringen", sagte er. Um dann im Viertelfinale vielleicht doch wieder auf der Matte zu stehen. Es wäre für den 30-Jährigen das erste Mal und ein kleiner Traum. "Einmal hatte ich schon die Chance auf das Viertelfinale, aber da habe ich mich kurz vorher verletzt." Würde es diesmal klappen, seine Kollegen von der Polizei wären selbstverständlich eingeladen.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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