Fußball:SV Türkgücü-Ataspor sucht neues Stadion

Fußball: Heimatlos: In der vergangenen Saison hängten die Türkgücü-Fans ihre Fahnen auf der Bezirkssportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße auf.

Heimatlos: In der vergangenen Saison hängten die Türkgücü-Fans ihre Fahnen auf der Bezirkssportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße auf.

(Foto: Claus Schunk)
  • Der SV Türkgücü-Ataspor ist drittstärkste Fußball-Kraft in München, hat aber keine Bayernliga-taugliche Anlage.
  • Einen Antrag, im Grünwalder Stadion trainieren zu dürfen, lehnte die Stadt ab.
  • Nun muss die Mannschaft auf der Anlage des SV Heimstetten in Kirchheim spielen.

Von Christoph Leischwitz

Nein, früher war nicht alles besser, im Gegenteil. Die Geschichte des 1972 gegründeten SV Türk Gücü München kennt so einige hässliche Anekdoten. Einmal wurden einem Spieler Knoblauchknollen vor die Füße geworfen, Neonazis verteilten während eines Spiels Hetzschriften. Etwas später, Anfang der Neunzigerjahre, sagte der damalige Manager des Klubs, dass mittlerweile alles "normal" laufe. "Scheißkanaken und so", meinte ein Spieler, klar, das höre man ab und zu immer noch.

Andreas Pummer, der aktuelle Trainer des Bayernliga-Aufsteigers SV Türkgücü-Ataspor, ist froh, solche Zwischenrufe nicht mehr zu hören. Er legt Wert darauf, dass seine Mannschaft fair spielt. Auch deshalb, weil in früheren Jahren "die Außendarstellung nicht immer so gut" gewesen sei. Der Bayer Pummer hat allerdings immer wieder mit anderen Ressentiments zu kämpfen. Egal, zu welchem Fußballplatz in und um München man gehe, das Thema sei allgegenwärtig: Türkgücü kauft anderen Vereinen die Spieler weg.

Georg Appel, Abteilungsleiter beim SE Freising, im Mai noch Landesliga-Kontrahent um den Aufstieg, brachte sogar Zahlen ins Spiel: 600 000 Euro habe Türkgücü zur Verfügung. An dieser Stelle befindet sich einer von vielen Scheidewegen zwischen sachlicher Diskussion und Klischee: Bei Türk Gücü kam es in der Vergangenheit schon mal vor, dass Präsidenten mehr versprachen, als sie halten konnten. Mindestens einmal soll die Mannschaft abgestiegen sein, weil die Spieler wegen ausbleibender Prämien keine Lust mehr hatten, sich reinzuhängen. Ist es also in Ordnung, der aktuellen Führung die Seriosität abzusprechen?

Hasan Kivran, Geschäftsführer einer Leasing-Firma, findet jedenfalls, er habe den Beweis für Kontinuität schon erbracht. "Wir meinen es ja ernst. Das haben viele belächelt, als ich angetreten bin", sagt der Präsident, der seit zweieinhalb Jahren im Amt ist. Das Ziel war, binnen vier Jahren in die Regionalliga Bayern aufzusteigen. Nach der Versetzung im Frühjahr in die fünfte Liga ist er voll im Soll, zumal die Mannschaft in der Bayernliga Süd nach sechs Spielen auf Rang zwei steht. Kivran sagt: "Dem Amateurfußball tun wir gut", überall werde doch über Türkgücü geredet. Eines konnte Kivran dem Verein allerdings nicht kaufen: eine Heimat.

Entwurzelt ist der Verein nicht, weil er türkisch ist. Sondern weil er 2001 Konkurs angemeldet hat. Bis dahin hatte Türk Gücü, das heute viele Nationalitäten vereint, vor bis zu 12 000 Zuschauern im Dantestadion gespielt und war für viele ausländische Talente die erste Anlaufstation im deutschen Fußball, zum Beispiel für einen jungen Stürmer namens Cacau.

Heute ist das Dantestadion Heimat für Schulsport, Leichtathletik und American Football. Der Traum der Mannschaft und des Klubs, das war schon während der Aufstiegsfeier in Freising zu hören, ist das Grünwalder Stadion. Und weil es an dieser Stelle kompliziert wird, geht es plötzlich auch wieder um Ressentiments und darum, sie für Aufmerksamkeit zu nutzen oder sie zu verhindern.

Falls Türkgücü aufsteigt, werde der Spielbetrieb im Grünwalder Stadion geprüft

Türkgücü trainierte und spielte bis zur vergangenen Saison auf der Bezirkssportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße. Dort wird der Mannschaft, aus der viele Spieler schon als Profis kickten, spätestens in der Bayernliga alles zu eng. Im Winter stellt der Verein einen Antrag, um im Aufstiegsfall im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße spielen zu können. Dass dieser abgelehnt wird, kann Präsident Kivran "noch irgendwie verstehen", immerhin könne man bei der Stadt nachlesen, dass das Stadion erst für Mannschaften von der Regionalliga an aufwärts gedacht ist. Doch zuvor sei ihnen mündlich Hoffnung gemacht worden. Und nach der Absage war die Zeit zu knapp, die Anlage an der Heinrich-Wieland-Straße in einen Bayernliga-tauglichen Zustand zu versetzen.

Deshalb bestreitet Türkgücü seine Heimspiele derzeit auf der Anlage des Regionalligisten SV Heimstetten in Kirchheim. Die Platzmiete bezahlt der Verein. Damit könnte er sich abfinden. Zur "Hängepartie" um das Grünwalder Stadion erhebt Kivran allerdings einen schwer wiegenden Vorwurf: "Wenn es ein deutscher Verein wäre, denke ich schon, dass die Stadt anders reagieren würde."

An der Heinrich-Wieland-Straße scheitert der Spielbetrieb vor allem daran, dass es in der Bayernliga eine komplette Umrandung des Spielfelds geben soll. "Wenn dies das Problem darstellt, lasse ich gerne prüfen, ob es nicht eine schnelle Möglichkeit gibt, diese zu errichten", sagt Beatrix Zurek, die Sportreferentin der Landeshauptstadt. Dies wäre etwa dann sinnvoll, wenn Türkgücü am Ende der Saison in der Bayernliga bleiben sollte. Für den Fall des Aufstiegs in die Regionalliga werde der Spielbetrieb im Grünwalder Stadion geprüft. Einige Hürden gebe es zu überwinden, vor allem die möglichen Terminkollisionen mit den Teams des TSV 1860 München, FC Bayern II sowie den Frauen des FC Bayern, die ebenfalls im Grünwalder Stadion spielen.

Das Problem ist auch ein strukturelles. Der Münchner Kreisvorsitzende des Bayerischen Fußball-Verbandes, Bernhard Slawinski, fasst es so zusammen: "Wenn weitere Vereine nachrücken, brauchen wir in München ein zusätzliches Stadion, in dem Bayernliga oder auch Regionalliga gespielt werden kann." Türkgücü ist seit Jahren die drittstärkste Fußball-Kraft innerhalb der Stadtgrenzen, aber möglicherweise nur die Vorhut. Der SV Pullach, mehrmals Bayernliga-Meister, hat mangels eines geeigneten Stadions seine Regionalliga-Ambitionen aufgegeben. Statt eines einzelnen Stadions ließ die Stadt in den vergangenen Jahren aber flächendeckend Kunstrasenflächen errichten. "Wir können es uns nicht leisten, einen Fußballplatz einfach nicht zu nutzen", sagt Beatrix Zurek. Damit mehr trainiert werden könne, seien so viele strapazierfähige Kunstrasenplätze gebaut worden.

Der damalige Türk-Gücü-Präsident Bilal Can träumte vor 23 Jahren von einem eigenen Stadion. Er sagte damals, die türkische Regierung habe 600 000 Mark für den Bau zugesichert. Hätte es damals geklappt, wäre der SV Türkgücü-Ataspor heute womöglich der Vermieter jenes Stadions, das München gerade fehlt.

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