Pferdesport:Rivalen der Rennbahn

Lesezeit: 3 min

Der Münchner Traberverein fährt Defizite ein, die Anlage in Daglfing zerfällt, der Umzug nach Maisach ist weit weg - und intern steht der Präsident in der Kritik.

Andreas Liebmann

Das Gras ist bräunlich, ein Schwarm Krähen sitzt darauf. Nebel hängt über der Trabrennbahn in Daglfing. Von Ferne nähert sich ein dumpfes Hämmern: Ein Sulky zieht vorbei an den trostlosen Fassaden aus den siebziger Jahren. Vom größten Gebäude ragen Funkmasten in den grauen Himmel.

Auch im Büro des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins hängen graue Schleier, Präsident Max Stadler, 57, bläst Zigarettenqualm in die Luft. Er kommt gerade von seinem Anwalt, es gibt wieder Ärger mit einem Mitglied. Der gelernte Metzgermeister aus Zwiesel ist Kummer gewöhnt, seit er hier 2000 den Vorsitz übernahm. Der Verein stand unmittelbar vor der Insolvenz. "Ich weiß es wie heute: Freitag bin ich gewählt worden, Dienstag war ich unterwegs hierher, da kommt der Anruf: Die Staatsanwaltschaft ist da, 20 Polizisten durchsuchen die Geschäftsstelle." So war sein Anfang.

Es gab nur Defizite seither, heute hangelt sich der Verein von Kredit zu Kredit, um den Rennbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Wettumsätze sanken spätestens seit der Einführung des Sportanbieters Oddset. Von einst 95 Renntagen in Daglfing sind für 2011 noch 38 geplant; in ähnlichem Maß geht die Zahl der Züchter und Pferdebesitzer zurück. Viele schmeißen hin. Ein privates Darlehen über 160.000 Euro sichert die Rennen noch bis März. "Wir gehen davon aus, dass es auch danach weitergeht", sagt Stadler.

In Daglfing, das ist klar, kann der Sport nicht überleben. Der Unterhalt der maroden Anlage ist unbezahlbar, junge Leute lassen sich hier ganz sicher nicht anlocken. Das Gelände hat der Verein bereits im Jahr 2005 verkauft, mit Dreiviertelmehrheit entschieden sich die Mitglieder für den Neuanfang. Doch der Umzug lässt auf sich warten, und die 11,5 Millionen Euro, die der Bauunternehmer Günther Karl damals bezahlte, sind längst aufgebraucht.

Das Problem liegt in Maisach. Dort muss Karl eine neue Bahn bauen, die etwa zehn Millionen Euro kosten dürfte, erst dann geht das Gelände in Daglfing an ihn über. Doch die Gemeinde im Landkreis Fürstenfeldbruck bringt seit Jahren keine Baugenehmigung auf dem ehemaligen Fliegerhorst zustande. "Lieber heute als morgen" wäre er soweit, versichert Bürgermeister Hans Seidl, doch die Gemeinde habe lernen müssen, wie kompliziert ein solches Verfahren sei. "Bei optimalem Verlauf" könne es im Juli einen Satzungsbeschluss für die Bahn geben.

Stadler glaubt diesen Prognosen nicht mehr. Zu lange wartet der Verein schon. Seit dem Entschluss, nach Maisach zu ziehen, war die Hamburger Vermarktungsagentur Win-Race mehrmals für die sechsstelligen Daglfinger Defizite aufgekommen: Mit ihr will die Unternehmerfamilie Herz (Tchibo) dem Trabrennsport in Deutschland auf die Beine helfen, der anderswo in Europa Milliardenumsätze verzeichnet. Doch Win-Race hat die Unterstützung eingestellt, bis klar ist, wann es in Maisach endlich vorwärtsgeht.

Auch um den Grundstücksdeal geht es in dem Anwaltsschreiben, das auf Stadlers Tisch liegt und das an alle Mitglieder ging. Ehrenmitglied Otto Stumpf wirft dem Vorsitzenden darin mehrere Verstöße gegen die Satzung vor, von fehlenden Jahresberichten bis zu Krediten, die die Mitglieder nicht genehmigt hätten. Fast alle Punkte kann Stadler, ein erfahrener Sanierer, sofort widerlegen, er zieht Protokolle hervor. Dass der Vorstand im Dezember nicht entlastet wurde, weil eine Wirtschaftsprüfung fehlte, stimmt.

Die Vorwürfe sind wohl Ausdruck der Unzufriedenheit vieler Traber: mit der Gesamtsituation, aber auch mit Stadler, der ihnen zu viele Alleingänge unternimmt. 2007, erzählt Stadler, sei er bei einer Mitgliederversammlung derart kritisiert worden, dass er seinen Rücktritt anbot. Mehrere Anwälte, die dem Verein angeblich nur für diesen Abend beigetreten waren, hatten ihn auseinandergenommen. Doch als Nachfolger stellte sich nur einer der Kritiker zur Wahl - und bekam mehr Nein- als Ja-Stimmen. Diejenigen, die wohl gewählt worden wären, blieben stumm. Auch das sieht Stadler als Grundproblem: vermögende Mitglieder, die helfen könnten, es aber nicht tun.

"Die Rennbahn ist ein gefährlicher Ort, da hört man viele Gerüchte", erzählt ein Fahrer. Viele Freunde habe der Präsident nicht, aber es habe ihm noch nie einer irgendein Vergehen nachweisen können. Vor allem der Grundstücksverkauf ist manchen ein Dorn im Auge, selbst Mitgliedern, die dem Verkauf vor sechs Jahren zugestimmt haben. Schließlich wäre das Gelände, sollte es dereinst mit 950 Wohneinheiten bebaut werden, ein Vielfaches wert. Es sei auch nicht klar, ob die Rennbahn in Maisach künftig ihrem Verein oder dem Erbauer Karl gehören werde, und überhaupt stamme dieser aus derselben Ecke wie Stadler und habe den Zuschlag ohne Ausschreibung bekommen.

Stadler bestreitet jede Beziehung zu Karl. In dem Vertrag, den einige Mitglieder geprüft haben, heißt es tatsächlich: Sollte der Käufer, also Karl, den Grund in Maisach "zum Grünlandpreis" erwerben, geht die Rennbahn in den Vereinsbesitz über; andernfalls müsse der Käufer nur für 30 Jahre den Erbpachtzins für die Traber zahlen. Diese haben Angst, dass am Ende dem Investor alles gehören könnte, während sie in Maisach bankrott gehen. Stadler hält dagegen, Karl, von dem auch das jüngste Darlehen kam, sei der einzige Interessent gewesen, der Millionen für ein Grundstück ausgeben wollte, auf dem es noch gar kein Baurecht gibt. "Und das hier gehört immer noch uns", betont Stadler. Vor dem Fenster sieht es immer noch trist aus.

Stadlers Anwalt wird Stumpfs Anwälten antworten. Im letzten Satz werde stehen, dass der Vorstand gerne zurücktreten werde, falls sich ein seriöser Nachfolger finde. "Das wäre eine Erlösung."

© SZ vom 19.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: