Pferdesport:Mangos für die Diva

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Dritte bei der Premiere: Der CHIO in Aachen zeigte schon überdeutlich, welch erfolgreichen Weg Simone Blum und Alice einschlagen würden. (Foto: imago/Chai v.d. Laage)

Simone Blum aus Zolling startet mit Alice beim Nationenpreis-Finale in Barcelona - der Höhepunkt des beispiellosen Aufstiegs des Duos in diesem Jahr.

Von Sabine Neumann, Zolling

Wenn an diesem Donnerstag in Barcelona auf dem Olympiagelände von 1992 die Mission Titelverteidigung beim Nationenpreis-Finale der Springreiter beginnt, gehört Simone Blum zu den neuen Gesichtern im deutschen Team. Seit die 28-Jährige aus Zolling im Landkreis Freising mit ihrer zehnjährigen Stute Alice am 11. Juni die deutsche Meisterschaft in Balve gewonnen hat - wohlgemerkt: der Herren - geht es mit ihrer Karriere steil bergauf. Vorläufiger Höhepunkt ist der Grand-Prix-Sieg auf Fünf-Sterne-S-Niveau vor zwei Wochen in Lausanne. Das unbekannte deutsche Duo hatte dem französischen Mannschafts-Olympiasieger Roger-Yves Bost mit seinem Top-Pferd Sydney Une Prince eine ganze Sekunde abgenommen. "Es ist wie im Märchen. Ein Traum nach dem anderen erfüllt sich", sagt Blum.

Das war nicht immer so. In den letzten Jahren mühte sich Blum im Spagat zwischen Schule, Studium und Sport. Ihre Reiterträume rückten erst durch die Entwicklung ihrer sprunggewaltigen, vorsichtigen Fuchsstute in greifbare Nähe. Nach dem Master hatte Blum endlich Zeit zum Reiten. Der Gewinn des DM-Titels bei den Damen 2016 befeuerte den Entschluss der Familie, allen Kaufangeboten zu widerstehen und Alice zu behalten. Doch die Startgenehmigungen für große, internationale Turniere und die Berufung in den Bundeskader blieben zunächst aus. Auf Anraten von Bundestrainer Otto Becker trat Blum bei der DM 2017 gegen ihre männlichen Kollegen an. Und siegte. Bis dahin war Meredith Michaels-Beerbaum die einzige Frau gewesen, die den Titel in der offenen Konkurrenz erringen konnte - und das gleich zweimal, 2008 und 2010.

Blums unerwartetem Sieg folgte nur zwei Wochen später die Nominierung für den Nationenpreis in Rotterdam. Auf den Start verzichtete sie allerdings, Alice habe sich im Training leicht vertreten. Kurz darauf ritt sie zum ersten Mal beim CHIO in Aachen - ein lang gehegter Wunsch. Blum versuchte, sich keinen Druck zu machen. Sie nahm sich vor, saubere, gute Runden zu reiten, und platzierte sich im Preis von Nordrhein-Westfalen an dritter Stelle. Ihren endgültigen Durchbruch erlebte die grazile Reiterin zwei Wochen später beim neuen Fünf-Sterne-CSI in Berlin, ihrem ersten Einsatz in der Formel Eins der Springreiter. Auf Anhieb wurden sie und Alice im Großen Preis über 1,60 Meter Zweite. Damit gewann das Duo 60 000 Euro Preisgeld und sehr viel Respekt. Nun ging alles sehr schnell.

Blums Talent liegt in der Familie: Ihr Vater nahm an Olympischen Spielen teil, auch die Mutter ritt

Anfang August wurde Blum quasi aus dem Nichts in den A-Kader berufen und als Reservistin für die Europameisterschaften in Göteborg nominiert. "Ich glaube, das hat in den letzten Jahren kein anderer Reiter geschafft", staunte Blum. Wie in Rotterdam musste sie auch bei der EM auf der Ersatzbank Platz nehmen, fühlte sich aber als Teil der Mannschaft. "Ich bin super aufgenommen worden. Alle sind sehr nett und hilfsbereit", erklärte sie. Mit zwei Siegen in Hauptspringen über Vier-Sterne-Niveau (1,55 m) schloss die Reservistin ihre erste EM quasi als beste Einzelreiterin ab.

Blums plötzlicher Erfolg hat in Wirklichkeit eine lange Geschichte. Die Familie besitzt ein großes Immobilienunternehmen. Großvater Gustav-Adolf Blum, einst ein wichtiger Reitsport-Funktionär, kaufte 1982 den Eichenhof in Zolling. Die Reitanlage auf dem luxuriösen Familienanwesen nordöstlich von München mit rund 65 Hektar landwirtschaftlichem Grund bietet heute Platz für 42 Pferde und ideale Trainingsbedingungen. Blum und ihr Lebensgefährte, der Berufsreiter Hans Günther Goskowitz, bilden junge Pferde aus und bauen sie für den Sport auf. Die Anlage nutzen sie gemeinsam mit Blums Cousine Anna und ihrem Mann Heiner Ortmann. Jürgen Blum, Simones Vater, nahm unter anderem 1996 in Atlanta als Vielseitigkeitsreiter an Olympischen Spielen teil. Ihre Mutter Ulrike, früher Springreiterin, vermittelte ihr den Spaß am Reiten und die Liebe zu den Pferden. "Zu den schwierigen hat man eine besondere Beziehung", fand Blum heraus. Auch Alice ist "speziell". Da die Pferdediva eine Vorliebe für Mangos hat, gehören die Südfrüchte ebenso zum Turniergepäck wie Sattel und Zaumzeug.

In Barcelona wartet auf Blum und ihre Teamkameraden Marcus Ehning, Laura Klaphake, Andreas Kreuzer und Denis Nielsen die Titelverteidigung, eine sehr schwere Aufgabe. Ein einziger Umlauf am ersten Tag sortiert die Mannschaften für das A-Finale und das B-Finale. In den Endrunden am Freitag und Samstag gibt es ebenfalls nur eine Chance. "Da ist Präzisionsarbeit gefragt", sagt Otto Becker. Simone Blum hat in den letzten Wochen bewiesen, dass sie unter Druck schnell und fehlerfrei reiten kann. Vielleicht erfüllt sich in Barcelona wieder ein Traum.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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