Pferdesport:Ganz in echt

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Familie verpflichtet: Natürlich wird auch Simone Blum in Riem starten. (Foto: Johanna Lundberg/imago)

Nachdem viele Reitturniere wie das CHIO Aachen ausgefallen sind und höchstens ein virtuelles Ersatzprogramm anbieten, kommen in dieser Woche tatsächlich einige der besten Springreiter der Welt nach München-Riem.

Von Nico Horn, München

Noch am Tag vor dem großen Turnier riefen sie bei Hans-Günter Blum an und fragten: "Darf ich auch noch mitmachen?" Es ist also keineswegs so, als hätte Blum noch irgendwen überreden müssen, in dieser Woche nach München-Riem zu kommen zu seinem Springreitturnier. 1685 Nennungen gingen bei ihm bis Dienstag ein. An diesem Tag sollte das sechstägige Turnier eigentlich losgehen; weil der andauernde Regen dem Platz aber zugesetzt hatte, wurde der Start auf Mittwoch verschoben. Blum, der das Turnier leitet, wundern die vielen Nennungen überhaupt nicht. Er sagt: "Die Reiter sind richtig durstig danach", er meint: nach Turnieren.

Wäre alles normal gelaufen, die Olympia-Equipe wäre zurzeit gerade in Tokio. Vor ein paar Tagen hätte das olympische Turnier der Reiter begonnen. Stattdessen gibt es jetzt wenigstens wieder ein paar kleinere Wettbewerbe, von den großen finden wegen Corona aber weiterhin nur die wenigsten statt. So musste zum Beispiel die für den Mai in Riem geplante Pferd International abgesagt werden.

Und auch das größte Reitturnier der Welt, das CHIO Aachen, findet zwar gerade statt - aber nur digital. Von Dienstag bis Sonntag gibt es jeden Abend Rückblicke und virtuelle Wettbewerbe. Was es dagegen nicht gibt, sind echte Wettkämpfe im Aachener Reitstadion. Die waren für den Frühsommer geplant, mussten aber bereits im März abgesagt werden. Das digitale Event ist der Versuch, wenigstens irgendetwas zu bieten, aber es ist auch ein verzweifelter Versuch. "Ich schlaf gleich wieder ein", kommentierte einer am Dienstag unter den Youtube-Livestream aus Aachen. Ein virtuelles Event ist eben doch kein echter Ersatz.

"So viele Drei-Sterne-Springen haben seit Corona nicht stattgefunden", sagt Blum

Nun aber gibt es Springreiten in echt. Auf dem Rasen der Olympia-Reitanlage in Riem. Sie haben das schon einmal geprobt, vor acht Wochen, in kleinerem Rahmen mit 16 Springprüfungen an vier Tagen. "Das hat uns viel Spaß gemacht", versichert Blum, und es hat gezeigt, dass solche Turniere grundsätzlich funktionieren können. Deshalb veranstalten sie jetzt eben ein noch größeres Turnier, mit 27 Prüfungen. Das Ein-Sterne-S-Springen am Dienstagabend gewann Denis Nielsen von der Reitakademie München. Das Highlight gibt es am Samstag (14.15 Uhr), ein Drei-Sterne-S-Springen, also eine der höchsten Klassen. "So viele Drei-Sterne-Springen haben seit Corona nicht stattgefunden", sagt Blum. Ihn hat es deshalb nicht überrascht, dass unter anderem der Vielseitigkeitsweltmeister und Olympiasieger Michael Jung sowie der Weltranglisten-35. Hans-Dieter Dreher zugesagt haben. Dass Simone Blum, Weltmeisterin von 2018 und Frau des Veranstalters, kommen würde, konnte man erwarten. Hans-Günter Blum findet es natürlich schade, dass keine Zuschauer kommen können, auch einige Sponsoren hätten abgesagt, weil eine Unterstützung "ohne Publikum für sie keinen Sinn ergibt". Aber wer will, kann das Turnier trotzdem sehen. "Da haben wir zum Glück noch eine Plattform gefunden", so Blum. Er meint den Livestream von ClipMyHorse.tv, der jede Prüfung überträgt.

Am Mittwoch konnte man schon einmal sechs Prüfungen verfolgen. Maximal 100 Starter pro Prüfung, aber auch das ist schon eine ganze Menge. Zack, zack muss es deshalb gehen. Jede Minute ein anderes Pferd. Im Stream werden im Hintergrund Lieder gespielt, in denen ziemlich oft "durch die Dunkelheit getanzt wird" und in denen ziemlich viele "awesome" sind.

Am Donnerstag findet die Qualifikation zum Bayernchampionat statt (16.30 Uhr). Schon am Mittwoch ging die für das Bundeschampionat in Warendorf über die Bühne. Bei den sechsjährigen Pferden gab es neben einem kleinen Preisgeld unter anderem eine Palette Späne zu gewinnen, über die freute sich der Schwabe Max Weishaupt als Fünfter. Erster wurde Adam Morgan mit Cellvista. Bei der Qualifikation für die fünf Jahre alten Pferden gewann Wolfgang Puschak gleich doppelt, Erster wurde er mit Emil, Zweiter mit Lacrimoso. Auch Puschak hatte es nicht weit nach München, er hat seinen Stall in Bonstetten in der Nähe von Augsburg.

Überhaupt nehmen viele Reiter aus der Region am Turnier teil. Am Abend müssen viele von ihnen wieder nach Hause fahren, weil Boxen nur für die zur Verfügung stehen, die eine besonders weite Anreise haben - das ist Teil des Hygienekonzepts. Genauso wie ein Einbahnstraßensystem, über das die Pferde auf die Vorbereitungsplätze gelangen. Auf dem Abreiteplatz sind zudem nur maximal fünf Teilnehmer gleichzeitig erlaubt. "Beim Pilotprojekt im Juni haben sich Reiter und Helfer vorbildlich verhalten", sagt Hans-Günter Blum, der Turnierleiter. Und als kleine Drohung fügt er hinzu: "Wer die Regeln nicht befolgt, wird im Zweifel von dem Turniergelände verwiesen." Aber soweit wird es schon nicht kommen.

© SZ vom 06.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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